Atomkraft: Grüne Ministerien gegen AKW-Laufzeitverlängerung

Russland droht mit Gaslieferstopp. Das macht die Frage der Versorgungssicherheit dringlicher. Ein Gasimportstopp kommt für den Bundeskanzler nicht infrage.

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Neben dem AKW Neckarwestheim (im Bild) sind in Deutschland noch Isar 2 und das AKW im Emsland im Betrieb.

(Bild: EnBW)

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Die angesichts des Ukraine-Kriegs erwogene Verlängerung der Laufzeiten für die drei in Deutschland verbliebenen Atomkraftwerke würden nicht dazu dienen, im nächsten Winter Versorgungsengpässe auszugleichen. Zu diesem Schluss kommen laut Funke-Mediengruppe das Bundeswirtschafts- und das -umweltministerium in einem gemeinsamen Prüfvermerk.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigt sich offen für eine Laufzeitverlängerung. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte er, es dürfe keine Denkverbote geben, dies gelte auch für Atomkraftwerke. Er tausche sich darüber mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und EnBW, dem Betreiber des letzten AKW in seinem Land in Neckarwestheim aus. Die Bedrohungslage für die AKW in der Ukraine zeige aber, dass es bei dem 2011 beschlossenen Atomausstieg bleiben müsse.

Die Versorgungssicherheit erhält aktuell besondere Dringlichkeit, da nun der russische Vize-Regierungschef Alexander Nowak im Staatsfernsehen damit gedroht hat, Deutschland nicht mehr über die Pipeline Nord Stream 1 mit Gas zu versorgen. Noch treffe die russische Regierung die Entscheidung nicht, sie verfolge die Äußerungen westlicher Politiker, die sich von russischem Gas und Öl lösen wollten.

In dem Vermerk der beiden Ministerien zur Laufzeitverlängerung heißt es nun laut Funke-Mediengruppe: "Im Ergebnis einer Abwägung von Nutzen und Risiken ist eine Laufzeitverlängerung der drei noch bestehenden Atomkraftwerke auch angesichts der aktuellen Gaskrise nicht zu empfehlen." Habeck hatte kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine gesagt, er prüfe die Verlängerung der AKW-Laufzeiten, die Betreiber zeigten daraufhin Gesprächsbereitschaft.

Bundeskanzler Olaf Scholz will unterdessen weiter auf die Energieimporte auf Russland setzen. "Die Versorgung Europas mit Energie für die Wärmeerzeugung, für die Mobilität, die Stromversorgung und für die Industrie kann im Moment nicht anders gesichert werden." Energie aus Russland sei von essenzieller Bedeutung für das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger. Daher habe Europa Energielieferungen bei den Sanktionen bewusst ausgenommen.

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Die EU hat vor allem mit Sanktionen im Finanzsektor auf den Angriff Russlands auf die Ukraine reagiert. So haben verschiedene russische Banken keinen Zugang mehr zum internationalen Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift. Zudem wurden auch Vermögenswerte der russischen Zentralbank eingefroren sowie russische Geschäftsleute, Politiker und sonstige Entscheidungsträger mit Sanktionen belegt. Der russische Präsident reagierte darauf, indem er die Atomstreitkräfte seines Landes in Alarmbereitschaft versetzte.

Der Anteil russischer Importe an den fossilen Gasimporten nach Deutschland beträgt etwa 55 Prozent, an Kohle rund 50 Prozent und an Rohöleinfuhren rund 35 Prozent. In der EU kommen 40 Prozent des importierten Gases aus Russland. Die EU-Kommission will am heutigen Dienstag Pläne zur schnellen Abkopplung von Russland vorstellen. In den USA streben Senatoren an, russische Energieträger mit einem Embargo zu belegen.

Update 8.3.22, 12.50: Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) haben den Prüfvermerk zur Debatte um die Laufzeiten von Atomkraftwerken nun bestätigt. Dabei sei neben einer kurzfristigen auch eine mehrjährige Verlängerung betrachtet worden. Eine Verlängerung der Laufzeiten könne nur einen sehr begrenzten Beitrag zur Lösung des Problems leisten, "und dies zu sehr hohen wirtschaftlichen Kosten, verfassungsrechtlichen und sicherheitstechnischen Risiken", heißt es in einer Mitteilung der Ministerien. Eine Laufzeitverlängerung der drei noch bestehenden Atomkraftwerke sei auch angesichts der aktuellen Gaskrise nicht zu empfehlen.

Es müsse jetzt darum gehen, "die Energieversorgung auf robustere Säulen zu stellen und die Importabhängigkeit von Russland konsequent zu reduzieren und den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben". Die Bundesregierung treffe dazu bereits seit Wochen Vorkehrungen, damit die Gasspeicher gefüllt und Reserven an Kohle angelegt werden. Auch sorgten die Energieversorgungsunternehmen vor und diversifizieren die Importe.

Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)

Seit März 1984 ist Block C des AKW im bayerischen Gundremmingen in Betrieb. Block A war von 1967 bis 1977 in Betrieb. Der 1984 ans Netz gegangene Block B wurde am 31. Dezember 2017 abgeschaltet, Block C – ebenfalls 1984 in Betrieb genommen – folgte Ende 2021. (Bild: kkw-gundremmingen.de)

(anw)