Atomkraft-Befürworter für BASE-Präsident "intellektuell schwer nachvollziehbar"

Wolfram König, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, meint, gerade der Ukraine-Krieg zeige die Gefahren der Atomkraft auf.

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Das Atomkraftwerk Neckarwestheim wurde 1976 in Betrieb genommen, 1988 der zweite Reaktor. Dieser soll Ende 2022 vom Netz gehen.

(Bild: EnBW/Daniel Maier-Gerber)

Lesezeit: 5 Min.

Wichtige oder laute Stimmen aus Politik und Wirtschaft fordern in jüngster Zeit, die Atomkraft wiederzubeleben oder zumindest die bestehenden AKW länger laufen zu lassen. Für Wolfram König, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), sind solche Gedankenspiele sehr befremdlich.

In einem Interview mit der Journalistplattform Riffreporter sagte König, es sei für ihn intellektuell schwer nachvollziehbar, wenn "ausgerechnet in einer Situation, in der uns die Gefahren von Kernkraftwerken durch einen Krieg brutal aufgezeigt werden, ein Wiedereinstieg gefordert wird". Die Kernenergienutzung beruhe auf einer wichtigen Trennung, nämlich von energiewirtschaftlichen Fragen und Sicherheitsfragen. Es dürfe nie dazu kommen, dass Sicherheitsfragen energiewirtschaftlichen Erwägungen untergeordnet werden. "Sicherheit steht an erster Stelle."

Angesichts der schon vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine angespannte Lage auf dem Energiemarkt und zuletzt durch die gewordene hohe Abhängigkeit Deutschlands und anderer EU-Länder von russischen Energieträgern wurden Forderungen laut, die drei noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland nicht wie im Atomausstiegs von 2011 geplant zum Ende dieses Jahres abzuschalten. Zuletzt riet der Wirtschafts-Sachverständigenrat dazu, längere Laufzeiten zu prüfen.

König wendet dagegen ein, dass seit zehn Jahren alle Anforderungen auf die gesetzlich geregelten Stilllegungen der AKW ausgerichtet worden seien. "Die Betreiber haben in Absprache mit den Behörden bestimmte Investitionen nicht mehr getätigt und der Rhythmus von Sicherheitsüberprüfungen wurde an den Fahrplan für den Ausstieg angepasst." Das Personal der Anlagen sei entsprechend verringert worden, es sei unrealistisch, nun wieder alles anders zu machen.

Bei einer Laufzeitverlängerung wären die Betreiber gezwungen, zuerst eine Periodische Sicherheitsüberprüfung durchzuführen, konkretisiert König. Diese Prüfungen seien zuletzt wegen des Ausstiegs nicht mehr vorgenommen und wären dann sofort fällig. Zudem müssten sich die Betreiber mit Brennstoffversorgung beschäftigen. Die Anlagen stünden voraussichtlich erst einmal für viele Monate still, bis die Sicherheitsüberprüfung mit positivem Ausgang abgeschlossen wäre.

Eine Laufzeitverlängerung würde Deutschland nicht von russischem Erdgas unabhängiger machen, da Gas in Deutschland nur zu einem kleinen Teil zur Stromproduktion eingesetzt wird, ergänzt König. Zudem sei Russland ein wichtiger Lieferant von Uran und Brennelementen, die unbedingt benötigt würden. Angesichts dessen, dass die damals noch sechs aktiven AKW 2020 mit 12 Prozent zur Stromversorgung Deutschlands beigetragen hätten, sei der große Aufwand nicht lohnen, den nuklearen Sicherheitsapparat wieder anzuwerfen. "Mit Erneuerbaren schaffen wir unsere Ziele von Klimaschutz und Unabhängigkeit von Russland deutlich sicherer, schneller und billiger", meint König.

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Auch hätten die AKW-Betreiber schon klargestellt, dass die Politik die Kosten und Risiken vollständig übernehmen müssten. Es würde ein gesellschaftlicher Konsens aufgekündigt, der vor dem Hintergrund der Sicherheitsrisiken unter schwierigen Bedingungen entstanden sei. In diesem sei untrennbar enthalten, dass ein Endlager für 30.000 m3 Atomabfälle nicht dazu diene, den Weiterbetrieb oder gar den Neubau von Kernkraftwerken zu ermöglichen. Mit einem Weiterbetrieb von Atomkraftwerken würde die Endlagersuche im Kern getroffen.

"Bundesfinanzminister Christian Lindner hat kürzlich im Bundestag gesagt, Erneuerbare Energien seien Freiheitsenergien. Man kann umgekehrt Kerntechnologie als Bedrohungsenergien bezeichnen." Dazu zählt König die umwelt- und gesundheitsschädliche Förderung des Urans und die Risiken, wie sie in Fukushima und jetzt in der Ukraine deutlich würden, die extrem hohen Folgekosten der Technik, fehlende Generationengerechtigkeit im Umgang mit dem Atommüll und Gefahren durch Terroranschläge. "Wir dürfen keine Zeit verlieren, die Atomabfälle so bald wie möglich aus den 16 oberirdischen Zwischenlagern in Deutschland in ein sicheres unterirdisches Lager zu bringen."

Zur Lage in der Ukraine erläuterte König, in Tschernobyl sei entscheidend, dass dort Brennelemente aus dem letzten aktiven Reaktor noch immer in Wasser lagern, um abzuklingen. Die Nasslagerung mache eine kontinuierliche Kühlung nötig, die nicht für längere Zeit unterbrochen werden sollte. Zwar habe es auch während des Stromausfalls in Tschernobyl kein Risiko einer nuklearen Kettenreaktion gegeben, aber für die Region könne eine unkontrollierte Freisetzung aus dem Nasslager immer noch gravierende Folgen haben.

Im AKW Saporischschja werde durch den Betrieb in den Reaktoren sehr viel Wärme erzeugt, da werde eine aktive Kühlung benötigt. Die Risiken in Saporischschja kommen von den Reaktoren selbst, die jetzt unter extrem schwierigen Umständen betrieben werden. Die Notstromversorgung müsse immer gewährleistet sein. In Saporischschja werde der Atommüll in Behältern trocken gelagert, mit deutlich geringerem Risiko als Nasslager, weil sie nicht fortlaufend gekühlt werden müssten.

Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)

Seit März 1984 ist Block C des AKW im bayerischen Gundremmingen in Betrieb. Block A war von 1967 bis 1977 in Betrieb. Der 1984 ans Netz gegangene Block B wurde am 31. Dezember 2017 abgeschaltet, Block C – ebenfalls 1984 in Betrieb genommen – folgte Ende 2021. (Bild: kkw-gundremmingen.de)

(anw)