US-Musikerin schlägt Online-Experiment vor

Nach ihrer Demontage der Musikindustrie schlägt die US-Musikerin Janis Ian jetzt eine Lösung für die Peer-to-Peer-Debatte vor: Eine gemeinsame Website aller Plattenfirmen mit Katalogtiteln.

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Von
  • Gerald Himmelein

Vor einigen Monaten leistete die US-amerikanische Sängerin und Komponistin Janis Ian mit ihrem Artikel "The Internet Debacle" einen weit beachteten Beitrag zur stürmischen Debatte, ob die P2P-Tauschbörsen der Musikindustrie schaden oder Nutzen. Jetzt schlägt sie einen Ausweg aus der aktuellen Misere vor.

In ihrem Beitrag wies die Sängerin die Behauptung der Musikindustrie entschieden zurück, dass deren Bemühungen um Kopiersperren und andere Schutzmaßnahmen in ihrem Interesse geschähen -- die Musikindustrie diene damit nicht den Musikern, sondern ausschließlich sich selbst. Ian argumentierte unter anderem, dass Plattenverträge für die meisten Musiker auf Verlustgeschäfte hinauslaufen und dass gerade kleineren Interpreten die Möglichkeit fehle, ein Publikum zu finden -- und genau hier könnten die Tauschbörsen helfen.

Jetzt hat Janis Ian einen Folgeartikel veröffentlicht, in dem sich die Künstlerin in ihrer Meinung bestätigt sieht: Wenn die Musikindustrie interessante Produkte anzubieten habe, würden die Kunden diese auch kaufen. Die Musikerin erklärt die starre Haltung der Industrie damit, dass die Konzerne panische Angst davor haben, die Kontrolle über die Musik zu verlieren. Statt neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, missbrauche man die Tauschbörsen als Sündenbock.

Die Künstlerin hat allerdings die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Vorhaben der Unterhaltungsindustrie scheitern werden: Die RIAA könne es sich nicht leisten, sich ihre Kunden zum Feind zu machen. Um die Frage zu klären, ob Downloads der Musikindustrie schaden oder nicht, schlägt Ian ein einjähriges Experiment vor: Alle Plattenfirmen sollten gemeinsam eine Website aufbauen, die ausschließlich Musik-Downloads von nicht mehr im Handel erhältlichen Stücken anbietet. Da die Unternehmen mit diesen Aufnahmen derzeit ohnehin kein Geld verdienen, könnten sie damit auch nichts verlieren.

Die Site solle ausschließlich Downloads anbieten, keine CDs. Die Downloads sollten nicht kostenlos sein, sondern zu einem fairen Preis anbieten, Janis Ian schlägt 25 Cent pro Song vor. Damit könnten die Plattenfirmen auch ihr ramponiertes Image wieder verbessern.

Der aus dem Experiment erwirtschaftete Erlös solle gerecht unter den Künstlern und der Musikindustrie verteilt werden. Ian sieht das Experiment als Ausgangspunkt für eine gerechtere Beziehung zwischen Künstlern und Musikfirmen zueinander, bei der alle Beteiligten einen gerechten Anteil am Ertrag ihrer Produkte einnehmen.

Ein Kernpunkt des ersten Artikels war die Demontage der Argumentation des Interessenverbands US-Musikindustrie, RIAA (Recording Association of America) in vier Punkten:

  1. Es gebe keine eindeutigen Belege dafür, dass die Downloads aus den Tauschbörsen tatsächlich die Einnahmen der Plattenindustrie reduzieren. Ihrer Meinung nach laden Leute Songs aus dem Internet, um Künstler kennenzulernen -- die P2P-Dienste ersetzen somit das Radio.
  2. Die steil angestiegenen Verkäufe von CD-Rohlingen sei nicht mit raubkopierten Audio-CDs gleichzusetzen; bei den heutigen Festplattengrößen bedürfe es allein schon zu Backup-Zwecken zahlreicher CD-Rohlinge.
  3. Bei den Klagen über rückgängige Umsatzzahlen ignoriere die Musikindustrie die allgemeine Rezession. Hinzu komme, dass die Kundschaft mittlerweile mit unzähligen CD-Neuerscheinungen und Musikuntermalung allerortens überschwemmt werde.
  4. Ian zweifelt an der Gültigkeit der Umfragen der Musikindustrie, nach denen 23 Prozent der befragten Musikkäufer gesagt hatten, sie würden weniger CDs kaufen, weil sie mehr herunterladen würden. Derartige Umfragen seien nur selten repräsentativ.

Für Ian ist das "Internet-Debakel" jedenfalls ein Erfolg: Seitdem sie auf ihren Web-Seiten MP3-Dateien zum Download anbietet, seien ihre Online-Verkäufe um 300 Prozent angestiegen. (ghi)