EU-Rat übt sich in Kosmetik bei der Softwarepatent-Richtlinie

Das umstrittene Brüsseler Papier erfährt trotz Streitigkeiten zwischen Rat und Kommission erneut ein Update, stößt im EU-Parlament aber verstärkt auf Ablehnung.

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Der Rat der Europäischen Union hat die umstrittene Softwarepatent-Richtlinie noch einmal überarbeitet. Die Mitgliedsvertretung der Länder schlägt in ihrem neuen, jetzt im Internet veröffentlichten Entwurf (PDF-Datei) vor, den wenig aussagekräftigen Artikel 3 aus dem ursprünglichen Papier zu streichen. Darin sollten die Mitgliedsstaaten "sicher stellen, dass eine computerimplementierte Erfindung als einem Gebiet der Technik zugehörig gilt". Experten hatten diesen Satz als wenig sinnvoll bezeichnet. Die Kommission würde es zwar lieber sehen, wie der Rat klarstellt, wenn der Artikel bliebe. Sie könnte sich aber auch damit zufrieden geben, wenn sinngemäße Formulierungen in die Erwägungsgründe der Richtlinie wandern würden.

Dort hat der Rat beispielsweise eine kaum weniger interpretationsbedürftige Klausel eingefügt: Demnach reiche eine "alleinige Implementierung einer an und für sich nicht patentierbaren Methode auf einer Vorrichtung wie einem Computer als solche nicht aus, um die Feststellung zu rechtfertigen, dass ein technischer Beitrag vorliegt". Eine computerimplementierte Erfindung "erfüllt trotz der Tatsache, dass sie einem Gebiet der Technik zugerechnet wird, sofern sie keinen technischen Beitrag zum Stand der Technik leistet, z.B. weil dem besonderen Beitrag die Technizität fehlt, nicht das Kriterium der erfinderischen Tätigkeit und ist somit nicht patentierbar", liest man weiter im schönsten Brüsselbürokratisch. Die Formulierungen zeigen, dass sich die Politikmacher in der belgischen Hauptstadt nach wie vor schwer tun, das als Kernelement der Richtlinie gedachte "Ausschlusskriterium Technizität" für eine Patentierbarkeit für Software zu definieren.

Ein entsprechendes Unwohlsein plagt inzwischen auch das Europäische Parlament, wie eine Anhörung in Brüssel Anfang November zeigte. Dort ließ die britische Vorsitzende des Rechtsausschusses, Arlene McCarthy, durchblicken, dass sie auch nach mehrmaligem Lesen des Vorschlags nicht verstanden habe, was nun in Zukunft als "technisch" zu gelten habe und was nicht. Sie riet der Kommission und dem Rat, statt undeutlicher Beschwörungen technischer Gehalte lieber anhand von konkreten Beispielen klar aufzuzeigen, was in Zukunft patentfähig sein würde. Insgesamt machte sich unter Abgeordneten in letzter Zeit verstärkt Unmut darüber breit, mit einem von zahlreichen Kritikern als "unbestimmt" bezeichneten Rechtsgehalt einer Richtlinie die gewünschten weit reichenden Vollmachten zur Gewährung staatlich sanktionierter Monopole zu geben.

Für Hartmut Pilch vom Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur kommt der neue Vorstoß einer reinen, von der Patentrechtslobby durchgesetzten Begradigung unhaltbarer Ansätze im Kommissionspapier gleich. Der Entwurf führe sich mit seiner Formulierung, wonach selbst ein publizierter Text schon ein Patent verletzen könne, in seinem Beharren auf das Technikkriterium selbst ad absurdum.

Die Gegner der Richtlinie bauen nun auf eine von den Grünen mitorganisierte Parlamentsanhörung am 26. November, in der hochrangige französische Politiker sowie der Free-Software-Advokat Richard Stallman die Frage erörtern wollen, wozu die EU Softwarepatente brauche.

Ein umfassender Report zum Thema Wissen ist Geld -- Urheberschutz, "Geistiges Eigentum" und die Rechteverwerter findet sich in der aktuellen c't 24/2002. Der Artikel ist mittlerweile auch online verfügbar. (Stefan Krempl) / (anw)