Ausprobiert: Photogrammetrie-App Trnio Plus für iPhones

Seit gut zwei Jahren arbeitet die Firma Trnio an der Profi-Version ihres 3D-Scanners für die Hosentasche. Jetzt endlich konnten wir die Plus-Version probieren.

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Dreimal ein Ergebnis unseres Testscans aus 300 Fotos: Links mit Textur belegt, in der Mitte die reine 3D-Form, rechts das Oberflächengitter. Die Originaldatei kann man bei Sketchfab sehen.

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter König
Inhaltsverzeichnis
Aus dem Make-Testlabor

Die Make-Redaktion probiert viel mehr aus, als ins alle zwei Monate erscheinende Heft passt. Deshalb veröffentlichen wir auf unserer Webseite in loser Folge weitere Testberichte.

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Vor zwei Jahren haben wir uns an dieser Stelle intensiv mit der Photogrammetrie-App Trnio für iOS beschäftigt, die Fotoserien unbewegter Objekte auf die Cloud des Herstellers lädt und dort vollautomatisch texturierte 3D-Modelle erzeugt, die man exportieren und dann in Computerspiele oder VR-Welten integrieren oder auf dem 3D-Drucker produzieren kann. Damals hatte uns das Geschäftsmodell des Herstellers einigermaßen irritiert, denn für den einmaligen Kaufpreis von 5 US-Dollar erwarb man das Recht, beliebig lange und oft die Trnio-Server mit der Aufgabe zu belasten, aus den eigenen Bilderserien 3D-Dateien zu berechnen. Klingt, als drohe bei zu großem Erfolgt die Pleite, oder? Auf Nachfrage teilte man uns damals mit, das sei kein Problem, man arbeite an einer Pro-Version, die viel besser werden solle, dann aber auch über ein Abo-Modell finanziert werden würde. Die ist jetzt (endlich) da und heißt Trnio Plus. Und wir haben sie mal ausprobiert.

Am elegantesten funktioniert die App, wenn man direkt vor dem zu scannenden Objekt das Smartphone zückt und die Kamera-Aufnahme im ARKit-Modus aktiviert. Dann umkreist man bei laufender Kamera langsam den Gegenstand und bekommt auf dem Live-Bild der Kamera eine wachsende Punktwolke mit erfassten 3D-Oberflächenkoordinaten zu sehen, ohne dass man den Auslöser drücken muss. Das folgende Video des Herstellers zeigt diesen Modus sehr schön (und nebenbei auch, bei welchen Situationen die Photogrammetrie als solche und damit auch die App an ihre Grenzen stößt):

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Zum Schluss schickt man die erfassten Rohdaten per Knopfdruck auf den Server, wartet eine Weile (das kann durchaus eine halbe Stunde dauern), dann lässt sich eine zoom- und drehbare Ansicht des errechneten 3D-Objekts inspizieren. Ein einfacher Editor erlaubt direkt auf dem Telefon anschließend noch die Korrektur der Ausrichtung gegenüber der Koordinatenachsen, außerdem kann man unerwünschte Teile des Scans entfernen.

Der Editor in Trnio Plus, Montage aus drei Screenshots nebeneinander: Links wird das 3D-Modell in Bezug zu den Koordinatenachsen ausgerichtet, in der Mitte eine Farbe für den Hintergrund gewählt, um rechts besser unerwünschte Teile des Modells "wegradieren" zu können.

(Bild: Trnio)

Wer ein neueres iPhone mit LIDAR besitzt, soll bei der Erfassung von den Daten dieses Tiefensensors profitieren – so ein Gerät ist in der Make-Redaktion allerdings derzeit nicht vorhanden. Das macht allerdings nichts, auch beim Test auf einem sieben Jahre alten iPad Pro (auf dem wir die Anzeige uns halt vergrößert anzeigen lassen) funktionierte das Scannen im ARKit-Modus ebenfalls – die klassische Trnio-Version hatte damit seinerzeit auf dem selben Gerät ihre Schwierigkeiten und verlor regelmäßig den Faden. Das folgende Video des Herstellers gibt aber einen Vorgeschmack darauf, wie sich das Scannen mit LIDAR-Unterstützung anfühlt:

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Alternativ schießt man einfach eine Bilderserie mit der Kamera des Mobilgeräts und lädt dann die Bilder in Trnio Plus hoch. Vor zwei Jahren sprach der Hersteller zwar noch davon, das Limit werde in der Pro-Version bei 500 Bildern pro Objekt liegen, im aktuellen Produktvergleich auf der Trnio-Webseite werden 400 Bilder als Obergrenze genannt, die App selber verweigerte nach der Auswahl von 300 Stück das weitere Hinzufügen – aber ganz ehrlich: 300 Fotos eines Objekts muss man auch erst mal manuell aufnehmen. Der in der alten Trnio-App enthaltene Foto-Automatik-Modus ohne AR-Kit fehlt in der Plus-Version ganz.

Die App an sich ist erst einmal kostenlos und auch die beschriebenen Aufnahmemethoden kann man frei ausprobieren. Als In-App-Käufe gibt es dann drei verschiedene Tarife für den Export: Zum einen das Jahresabo für 72 US-Dollar mit unbegrenzter Scan- und Downloadzahl, zum zweiten das Monatsabo für 10 Dollar, das allerdings die Zahl der exportierten Scans pro Monat auf 100 beschränkt. Schließlich gibt es noch die für Gelegenheitsnutzer passende Variante, einfach pro exportiertem Scan zu bezahlen, was jeweils 99 Cent kostet. Ein ähnliches Pay-per-use-Modell gibt es etwa auch bei der Desktop-Photogrammetrie-Software Reality Capture von Epic Games.

Trnio unterscheidet fein zwischen den Scans, die man aufnimmt, solchen, die man auf den Server schickt und aus ihnen 3D-Objekte berechnen lässt, und schließlich den 3D-Dateien, die man exportiert. Die Exporte muss man zahlen, klar. Aber frei ist man auch bei der Zahl der auf den Server hochgeladenen Scans nicht. So kann man zwar bis zu zehn Scans komplett durchführen – Bilder aufnehmen, hochladen, Ergebnisse anschauen, bearbeiten und auf dem Server gespeichert lassen. Dann aber ist Schluss: Erst wenn man einen Scan davon kostenpflichtig exportiert, hat man weitere zehn Fusionierungsversuche auf dem Server frei.

Beim Jahresabo spielt das alles keine Rolle, man kann unbegrenzt scannen und exportieren. Mit einem Monatsabo werden bis zu 100 Scans im Monat verarbeitet und sind auch exportierbar. Ein bisschen krude liest sich die weitere Erklärung von Trnio in den FAQ: Demnach könne man zwar in einem Monat auch 150 Scans hochladen und verarbeiten lassen, aber die 50 über das Kontingent hinausgehenden Scans würden im nächsten Monat auf die neuen 100 Downloads angerechnet.

Gegenüber der klassischen Trnio-Variante (die parallel auch weiterhin zu haben ist) stehen mehr Dateiformate für den Export zur Verfügung – neben OBJ auch PLY und STL. Ein direkter Export zum Webdienst Sketchfab ist ebenfalls integriert.

Wer ein iOs-Gerät mit LIDAR hat und plant, viele Objekte zu scannen, kann von den Neuerungen bei Trnio Plus sicher profitieren und das vor allem kostenlos ausprobieren. Die Pay-per-use-Version ist interessant für alle, die wirklich nur ab und zu mal was scannen möchten; das finanzielle Risiko ist gering. Allerdings fährt man schon ab zehn Scans pro Monat mit einem der Abos besser.

Zum Vergleich: dieselbe Plastik vom Freiburger Rathaus, links aus 70 Bildern mit Trnio erzeugt, rechts aus 300 Bildern mit Trnio Plus berechnet, in Blender und ohne Textur gerendert. Qualitätsunterschiede bei der Form sind kaum zu erkennen, die Steinstruktur ist rechts etwas feiner rausgekommen, immerhin. Mehr Bilder bringen bei der Photogrammetrie nicht unbedingt mehr Details, das hängt auch ganz von der Oberfläche des Zielobjekts ab.

Für Besitzerinnen und Besitzer von Mobilgeräten ohne LIDAR bleibt hingegen auch die klassische Trnio-App interessant: Wenn die Qualität der einzelnen Fotos stimmt, ist die Zahl oft nicht so entscheidend, man bekommt auch aus 100 Bildern ähnlich gute 3D-Modelle wie aus 300 Bildern. Und das für den Preis, den man bei Trnio Plus für fünf Exporte oder einen halben Monat zahlt. (pek)