KI erspäht Rauchfahnen – Sensoren als scharfes Auge zur Waldbrandüberwachung

Fernglas auf Feuerwachtürmen – das ist Geschichte. Für die Waldbrandbekämpfung in Brandenburg ist KI im Einsatz. Sensoren überblicken das Geschehen.

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(Bild: MASSIMILIANO PAPADIA / Shutterstock.com)

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  • dpa
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Erhard Brodkorb schaut konzentriert auf einen seiner drei Bildschirme. Der Dienst für den 63-Jährigen in der Waldbrandzentrale in Zossen (Teltow-Fläming) hat erst begonnen und die Sensoren haben bereits etwas erkannt. Mitten in einem Waldstück ist eine Rauchwolke zu sehen. Oder handelt es sich doch nur um eine Staubwolke? Der Forstmitarbeiter ist sich nicht ganz sicher. In Brandenburg hat es seit Tagen kaum geregnet – vor allem im Süden ist bei hohen Temperaturen die Waldbrandgefahr wieder groß. Der Boden ist ausgetrocknet und es staubt – etwa, wenn Felder bestellt werden.

Brodkorb holt sich Bewegtbilder auf den Schirm und ist noch immer nicht überzeugt, dass es brennt. Allein entscheiden muss er das nicht. Sicherheit gibt Schichtleiter Philipp Haase. Der holt sich ein Folgebild und dann noch ein Bild von einem zweiten Sensor. Haase nennt das Kreuzpeilung, mit der sofort auch Koordinaten angegeben werden. "Über dieses zweite Bild können wir exakt bestimmen, an welcher Stelle das Brandereignis ist und dann viel zielgerichteter Feuerwehren an den Einsatzort schicken", erklärt er. Später wird Haase Entwarnung geben können – dank der hochmodernen Technik.

214 Tage hat die Waldbrandsaison, sagt der Beauftragte des Landes, Raimund Engel. Davon gelte durchschnittlich an 10 bis 20 Tagen die höchste Gefahrenstufe 5. Die Stufen werden unter anderem anhand von Niederschlag, Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit und Temperatur berechnet. Mitte Mai haben die Mitarbeiter der zwei Waldbrandzentralen in Brandenburg bereits rund 100 größere und kleinere Brände ausgemacht. Sie überwachen das Geschehen ab Gefahrenstufe 3. Neben Zossen gibt es noch den Standort Eberswalde (Barnim), der identisch ausgestattet ist.

105 optische Sensoren auf ehemaligen Feuerwachtürmen, Aussichtstürmen und Mobilfunkmasten reagieren als Frühwarnsystem "Fire Watch" auf beginnende Feuer. Allein 53 von ihnen sind im Süden installiert und über Richtfunk miteinander verbunden. Sie scannen alle sechs Minuten 360 Grad für Panoramabilder ab. "Die Software ist so programmiert, dass der Sensor, sobald er Rauchentwicklung erkennt, anschlägt. Die Kriterien sind Form, Farbe, Ausbreitung", erklärt Engel. "Der Sensor liefert den ersten Alarm auf den Computer und meldet: Da ist was."

Der Waldbrandbeauftragte zeigt auf einen der drei Bildschirme, die jeder der fünf Mitarbeitenden vor sich hat. Auf einem Monitor läuft automatisch eine Karte mit, die den Brandbereich in der jeweiligen Region anzeigt. Ist ein Feuer ausgebrochen, wird die Meldung innerhalb weniger Minuten an die Regionalleitstellen geschickt.

"Besser und schneller kann man es gar nicht haben", bestätigt André Dreßler. Der stellvertretende Leiter der Regionalleitstelle Lausitz gerät etwas ins Schwärmen. "Allein die Bestimmungsgenauigkeit der Brandereignisse ist schon eine Klasse für sich." Nach der Wende habe noch auf jedem Feuerwachturm ein Forstmitarbeiter gesessen und Daten durchgegeben. Danach seien auch diese Fachkräfte weggefallen und es sei schwieriger für die Leitstellen gewesen, auf Brände rechtzeitig reagieren zu können. Nun würden die Brände digital übermittelt und es gebe mit den Zentralen zwei Ansprechpartner, zeigt er sich zufrieden.

Nicht selten ist die Lage kritisch, wie bei einem Brand auf einer 1500-Quadratmeter Waldfläche bei Baruth. Die Sensoren hatten erkannt, dass das Feuer unweit einer Gasverdichterstation loderte. "Solche Brandereignisse sind sofort meldepflichtig", erklärt Schichtleiter Haase. Dank der Brandmeldung aus der Zossener Zentrale konnte die Feuerwehr schnell vor Ort sein. Der Abstand zur Anlage betrug weniger als einen Kilometer.

Die hochauflösenden Kameras können Rauchsäulen auf 10 mal 10 Meter bis zu einer Entfernung von etwa 20 Kilometern entdecken – vergleichbar etwa mit einem Grillfeuer, erklärt Engel. Einen größeren Brand erkennen die Sensoren sogar auf einer 40 Kilometer entfernten Fläche – für das menschliche Auge unmöglich. Weltraumtechnik eben, sagt Engel. Sensorelektronik und Bildverarbeitungssoftware wurden demnach im Rahmen einer Mars-Mission entwickelt. Die Sensoren sollten Staubwolken auf dem Mars aufnehmen. Das Deutsche Institut für Luft und Raumfahrt hat die Technik weiterentwickelt. Ein Sensorkopf mit hoher Optik überwacht nun auch auf der Erde das Geschehen.

Beim Wort "Verdachtsflächen" werden die Mitarbeiter meist besonders hellhörig. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst schickt dazu regelmäßig aktuelle Daten. Brandenburg hat den größten Anteil an munitionsbelasteten Gebieten. Es gibt Konversionsflächen – Gebiete, die vom Abzug der russischen Truppen belastet sind – sowie einst militärisch genutzte Flächen. Auf 350.000 Hektar werden immer noch Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg vermutet.

Wenn es dort brennt, kann die Feuerwehr nicht auf die Flächen. Die sogenannten "roten Zonen" sind abgesperrt und der Brand kann nur von außen oder aus der Luft eingedämmt werden. Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in der Lieberoser Heide loderte das Feuer Ende Juni 2019 auf 100 Hektar. Die Gefahr von Bränden dort bleibt bei den derzeitigen Temperaturen und der großen Trockenheit groß. Auch die kommende Woche soll es laut Engel bis auf ein paar Tropfen trocken bleiben. "Die Situation bleibt weiterhin angespannt."

Die zwei Waldbrandzentralen in Brandenburg sind ein Novum, die anderen östlichen Bundesländer und auch Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben nur eine Zentrale. Bei einem Ausfall könnte Brandenburg einspringen. Mit Sachsen gibt es bereits eine Kooperation. Engel wünscht sich eine Ausweitung auch auf die anderen benachbarten Bundesländer. "Letztlich ist es ein System für die öffentliche Sicherheit, da dürfen Grenzen keine Barriere darstellen."

(bme)