Vor 30 Jahren: Overdrive – der 486SX wird erwachsen

Als neues Mitglied der x86-Familie soll Overdrive aus dem Aschenputtel 486SX eine Prinzessin machen. c’t hat im Labor untersucht, ob das gelingt.

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Overdrive: Der 486SX wird erwachsen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Georg Schnurer
Inhaltsverzeichnis

Vor 30 Jahren: Dieser Beitrag stammt aus c't 6/1992


Der Reigen neuer Intel-Prozessoren nimmt kein Ende. Am 26. Mai wird ein weiteres Mitglied der x86-Familie offiziell in die Gesellschaft eingeführt. Overdrive heißt der Debütant. Wir hatten bereits vor der Premiere Gelegenheit, Intels jüngstem Sproß auf den Zahn zu fühlen.

Vor knapp einem Jahr stellte Intel als Reaktion auf AMDs 40-MHz-386 den i486SX vor. Die Parole der Marketing-Strategen hieß damals: „Vier ist mehr als Drei“. Die Praxis zeigte allerdings schnell, daß AMDs 40-MHz-386 schneller war als der mit 20 MHz getaktete Kontrahent - vierzig ist eben doch mehr als zwanzig. Inzwischen ist das 486-Kastrat nicht nur im begehrten Plastikgehäuse, sondern auch als 25-MHz-Version erhältlich und wartet so mit etwa der gleichen Leistung wie die AMD-CPU auf.

Gegen diese rein leistungorientierte Argumentation führte Intel das Schlagwort „Upgradability“ in die Diskusion ein. Der Performance-Upgrade-Sockel sollte dem 486SX-Anwender den Weg in die Zukunft offen halten. Bisher sah diese Zukunft allerdings eher wie eine Sackgasse aus: Das einzige real existierende Upgrade war der 487SX, der den SX auf den (Leistungs-)Stand des 25-MHz-DX hob, indem er den Coprozessor nachlieferte. Zu allem Überfluß kostete dieses Upgrade etwa genauso viel wie ein komplettes Motherboard mit dem schnelleren 486/33-Prozessor.

Neue Perspektiven soll jetzt der Overdrive 486SX schaffen. Er arbeitet - wie der bereits in c't 4/92 vorgestellte DX2 - intern mit doppelter Frequenz, hat allerdings ein anderes, dem Upgrade-Sockel angepaßtes Pinout. Außerdem trägt er einen Kühlkörper, der die 50-MHz-Version des Overdrive vor dem Hitzetod bewahren soll. Intern sind die beiden Prozessoren gleich.

Entsprechend fielen auch unsere Testergebnisse aus. Alle Programme, die – wie das 3D-Studio – vorwiegend mit kleinen Schleifen arbeiten, profitieren besonders stark vom höheren internen Takt, da sie innerhalb des 8 KByte großen integrierten Cache ablaufen. Hier ergeben sich Steigerungsraten von bis zu 95 Prozent gegenüber dem 487SX. Je intensiver ein Programm auf I/O- oder Memory-Transfer angewiesen ist, um so stärker wirkt sich die langsamere externe Taktfrequenz aus.

Besonders deutlich zeigt sich das beim Apfelmännchen. Die Version ohne Grafikausgabe läuft doppelt so schnell wie auf dem 487SX. Bei der anderen Version bremst die Grafikausgabe, die Steigerungsrate liegt nur noch bei 64 Prozent. Noch deutlicher sinkt die Performance beim AutoCAD-11-Benchmark. Dieser arbeitet intensiv mit Grafikkarte und Hauptspeicher, so daß der „Over“getriebene Rechner nur noch 59 Prozent schneller als der i487SX ist.

Technisch gesehen ist der Overdrive also auf jeden Fall das bessere Upgrade für den 486SX. Er bietet – im Gegensatz zum i487SX – einen echten Performance-Gewinn gegenüber dem 486. Ob der SX-Anwender das allerdings auch so sieht, hängt von Intels Preispolitik ab. Wenn sich der Preis des Overdrive etwa in der Größenordnung des i487SX einpendelt, hat es sich für den Anwender sicher gelohnt, auf das SX-Pferd zu setzen. Andernfalls bewahrheitet sich allerdings unser bereits bei Einführung des SX geäußerter Verdacht eines Schildbürgerstreichs auf Kosten der Anwender.

Es bleibt zu hoffen, daß Intel dem SX dieses Schicksal erspart, zumal sich die preisliche Positionierung des Overdrive als Nagelprobe für weitere Projekte dieser Art erweisen könnte. Nur wenn der Anwender für den Upgrade-Prozessor deutlich weniger investieren muß als für ein neues Board der gleichen Prozessorklasse, geht die Rechnung auf.

Das nächste Upgrade-Projekt hat Intel bereits auf leisen Sohlen mit dem DX2 begonnen. Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, daß dieser Chip ein vom normalen 486DX abweichendes Pinout hat. Fünf Pins sind hinzugekommen: Vier dienen - wie schon beim 50-MHz-486 - als Testpins für den Boundary Scan (TCK, TDI, TDO und TMS), der fünfte ist neu. Mit diesem Upgrade Present Signal (UP) läßt sich der DX2 abschalten.

Wer sich bis ans Ende der Design-Empfehlungen für DX2-Systeme durchkämpft, entdeckt dort auch die Spezifikation des Upgrade-Sockels. Er besteht aus einer 240poligen PGA-Fassung, deren innere 169 Pins kompatibel zum 487SX/Overdrive-Sockel sind. Auf der neu hinzugekommenen äußeren Kontaktreihe befinden sich neben drei Orientierungs-Pins und Masse-Kontakten sieben mit RES 1 bis RES 7 bezeichnete zusätzliche Anschlüsse.

Intels Overdrive i486SX braucht einen Kühlköper, um in der 50-MHz-Version nicht den Hitzetod zu sterben.

Obwohl Intel keinerlei Informationen über diese neuen Signale preisgibt, erlaubt dieser Sockel doch schon einige Rückschlüsse auf den zu erwartenden neuen Prozessor - nennen wir ihn einmal 586-Overdrive. Wie der DX2 wird auch dieser Chip als Double-Clock-Prozessor arbeiten. Ein höheres Verhältnis zwischen internem und externem Takt erscheint mir aus heutiger Sicht wenig sinnvoll. Auch die Datenbusbreite wird - wie beim DX2 - zumindest extern bei 32 Bit bleiben. Intern ist eine Verbreiterung des Datenbus auf 64 Bit allerdings ohne weiteres möglich.

Der 586-Overdrive wird mit Sicherheit einen integrierten Cache besitzen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser deutlich größer als die bisher bei 486-Systemen üblichen 8 KByte wird. Die zusätzlichen Steuerleitungen legen darüber hinaus die Vermutung nahe, daß Intel auch an eine Modifikation der Cache-Strategie denkt. Der DX2 arbeitet wie alle 486er mit einem Write-Through-Cache. Moderne Motherboard-Designs ergänzen diesen meist durch einen externen Write-Buffer. Was liegt also näher, als einen solchen Buffer direkt in die neue CPU zu integrieren? Eine andere Möglichkeit bestünde darin, den integrierten Cache der Upgrade-CPU als Write-Back-System auszuführen.

Intel will nach eigener Aussage in Zukunft für jede Prozessorgeneration einen Upgrade-Sockel spezifizieren. Dieser soll dem Anwender einen Umstieg auf die neue Prozessorgeneration auch ohne Boardwechsel ermöglichen und so die einmal getätigten Investitionen schützen. Intel hat es in der Hand, ob auch der Anwender etwas von den neuen Upgrade-Möglichkeiten hat. Nur ein attraktiver Preis für die Overdrive-CPUs wird zur Akzeptanz der neuen Strategie führen.

Eins ist auf jeden Fall klar: Boardhersteller werden freiwillig keinen Upgrade-Sockel vorsehen. Sie verdienen schließlich nichts daran, wenn ein Kunde in einen Overdrive investiert, statt sich ein neues Board zu kaufen. Nur wenn es gelingt, die Upgrade-Möglichkeit als Qualitätskriterium zu etablieren, werden Hersteller diese auch vorsehen. Die Schlüssel dazu halten der Marktführer und König Kunde in der Hand. Es täte dem Markt gut, wenn Intel durch eine attraktive Preispolitik seinen Teil dazu beitragen würde. (gs)