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Deutsche Bahn sorgt für schnelle Züge – in Indien

Just gestern moserte ein ehemaliger taz-Chefredakteur mehr als ein Rohrspatz über die Deutsche Bahn. Heute bekommt er die Bestätigung für seine Schimpfe.

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(Bild: NCRTC)

Lesezeit: 3 Min.

Die DB IO, die der DB E.C.O. gehört, die wiederum der Deutschen Bahn gehört, soll in der indischen Stadt Delhi ein Schnellbahnsystem betreiben und instand halten. Mit viel Drum und Dran: Die Strecken sollen mit "ETCS Level 2/Hybrid Level 3 Technologie in Kombination mit einer automatischen Zugsteuerung (ATO)" ausgestattet werden; die Züge mit LTE kommunizieren. Der Betrieb soll ab 2023 starten. Dafür hat sie nun von der National Capital Region Transport Corporation (NCRTC) den Auftrag bekommen. Vertragslaufzeit: zwölf Jahre.

Wie viel Geld DB IO dadurch für den Mutterkonzern generiert, wird in der dazugehörigen Mitteilung nicht erwähnt. Die Reinvestition der Gewinne soll aber der "starken Schiene" in Deutschland zugutekommen – und auch der "Technologie- und Wissenstransfer".

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Das Internet ist voll von heißen IT-News und abgestandenem Pr0n. Dazwischen finden sich auch immer wieder Perlen, die zu schade sind für /dev/null.

Wie die Erkenntnisse aus Indien, wo es um 82 Kilometer mit 25 Bahnhöfen und täglich gut 800.000 Passagiere geht, die zwischen Delhi, Ghaziabad und Meerut schnell befördert werden sollen, in das deutsche Schienennetz einfließen können, ist unklar. Auf jeden Fall aber – so will uns die Deutsche Bahn vermitteln – komme der Ausbau der indischen Verkehrsinfrastruktur irgendwie der deutschen zugute.

Das wird Arno Luik, den ehemaligen Chefredakteur der taz, wohl nicht besänftigen. Just dieser Tage führt er in einem Essay für besagte Tageszeitung aus, warum er nach 15 Jahren seine Bahncard abbestellt hat. Darin schreibt er: "In 140 Ländern ist die Deutsche Bahn AG mit Bussen, Flugzeugen, Schiffen, Lkw, Krankenwagen, Elektroautos unterwegs. Mit rund 800 Gesellschaften, Firmen und Firmenbeteiligungen agiert sie rund um den Globus. Für wen? Wozu?" Angesichts dessen, dass hierzulande Bahnhöfe und Brücken vor sich hin bröckeln.

Die staatseigene Deutsche Bahn AG sei seit 20 Jahren, seit dem "unheilvollen Agieren" des damaligen Bahnchefs Hartmut Mehdorn, keine Deutsche Bahn mehr. "Sie ist nur noch ein Anhängsel in einem Reich, über dem die Sonne nie untergeht." Die aktuelle Pressemitteilung der Deutschen Bahn liefert Luik also prompt die Bestätigung für seinen Brass auf die Bahnpolitik der jüngsten Jahrzehnte.

Niko Warbanoff, Vorsitzender der Geschäftsleitung der DB E.C.O. Group, zu der die DB IO gehört, hat aber noch ein Ass im Ärmel: "Wir exportieren erfolgreich deutsches Klimaschutz-Know-how." Doch auch hierauf wird Luik nicht gut zu sprechen sein, denn in Deutschland würden Zigmilliarden in unökologische Großbetonprojekte gesteckt: Stuttgart 21, zweite Stammstrecke in München, Fernbahntunnel Frankfurt am Main, Verlegung des Bahnhofs Hamburg-Altona nach Diebsteich, Neubaustrecke von Dresden nach Prag samt riesigem Tunnel.

Zudem ist noch fraglich, ob die Inder wissen, worauf sie sich eingelassen haben, wie ein Redaktionskollege soeben anmerkte. "Die DB kann doch nicht mal ein Langsambahnsystem managen."

(anw)