Gläserner Bankkunde: Über eine Million behördlicher Kontenabfragen

Behörden und Gerichtsvollzieher haben 2021 über 1,14 Millionen Mal Einsicht in Kontodaten von Bankkunden genommen. Die CDU fragt nach der Verhältnismäßigkeit.

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(Bild: Pablo Wilson / Shutterstock.com)

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Staatliche Stellen fragen immer häufiger Stammdaten von Konteninhabern bei Banken und Sparkassen ab. Die Zahl der sogenannten Kontenabrufverfahren zur Ermittlung von Steuervergehen und anderen säumigen Zahlern durch Finanzämter, Sozialbehörden und Gerichtsvollzieher ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. 2021 waren es laut dem Bundesfinanzministerium 1,14 Millionen Kontenabrufverfahren.

Davon entfiel der größte Teil mit insgesamt 853.317 oder 85 Prozent der Abfragen auf Vollstreckungsverfahren. Die Finanzämter führten 146.344 Abrufe durch. Die Zahl der Anfragen durch Polizei- und Verfassungsschutzbehörden lag 2021 bei knapp 1000. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hervor. Demnach überschritt die Anzahl der Anfragen 2020 erstmals knapp die Millionengrenze, 2019 waren es 915.257 Fälle.

Die annähernde Vervierfachung der Abrufzahlen seit 2015 wecke "Fragen zur Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung" des gesamten Verfahrens, erklärt die Unionsfraktion in ihrer Anfrage. Unter ihrer Regierungsbeteiligung wurde das 2005 von Rot-Grün eingeführte Verfahren auf Gerichtsvollzieher ausgeweitet. Mittlerweile können diese Einblicke in die Stammdaten bei säumigen Gläubigern schon bei Summen unter 500 Euro beantragen.

Die Bundesregierung räumt ein, keine Erkenntnisse über die mit den Kontenabfragen erzielten Ergebnisse zu haben. Das Bundeszentralamt für Steuern führt die Kontenabfragen zentral durch und gibt die Daten an die legitimierten Behörden in den Bundesländern weiter. Diese teilen dem Bund ihre Ergebnisse dann nicht mehr mit. Daher könne die Bundesregierung "keine Aussage" zum Verhältnis der Abfragefallzahlen zum Ergebnis der Verfahren treffen.

Laut der Bundesregierung sind 2021 für Verfahrenspflege und Modernisierung Kosten von 993.331 Euro angefallen. Dafür habe das IT-Dienstleistungszentrum des Bundes zudem 909 interne Personentage verbucht, was weitere 334.893 Euro ausmache. Dazu kommen die Kosten für die mit den Verfahren beschäftigten Mitarbeiter. Informationen über die Höhe der Erträge, die sich aus eventuellen Ermittlungserfolgen aufgrund einer Kontenabfrage ergaben, lägen nicht vor.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sah die jährlich rasant wachsende Nachfrage schon 2020 kritisch: Jeder Kontenabruf stellt ihm zufolge einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Der Datenschützer bezweifelte, ob das Werkzeug noch verhältnismäßig eingesetzt werde, und forderte die Bundesregierung nachdrücklich auf, das Instrument zu evaluieren.

(vbr)