"Lt. Uhura" aus Star Trek: Nichelle Nichols im Alter von 89 Jahren gestorben

Ihre Rolle als Lieutenant Nyota Uhura in der TV-Serie "Star Trek" seit den sechziger Jahren macht sie weltberühmt. Nun ist Nichelle Nichols gestorben.

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Scenenbild Nichelle Nichols als Offizier Uhura

Nichols als Lieutenant Uhura

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • René Meyer
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Die aus der Kultserie "Raumschiff Enterprise" bekannte US-Schauspielerin Grace Dell "Nichelle" Nichols ist mit 89 Jahren gestorben. "Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ein großes Licht am Firmament nicht mehr so für uns leuchtet, wie es so viele Jahre lang der Fall war", hat ihr Sohn Kyle Johnson mitgeteilt. 1966 hat Nichelle Nichols die Rolle der Offizierin Uhura in der wegweisenden TV-Serie "Star Trek" von Gene Roddenberry übernommen, die sie schließlich über viele Folgen und sechs Spielfilme spielt. Ihre Rolle scheint nicht groß; aber weil sie neben Kirk und Spock auf der Brücke arbeitet, ist sie oft im Bild.

Eine Schwarze Frau in einem Science-Fiction-Abenteuer. Eine Schwarze Frau, die keine Hilfsarbeiten verrichtet, sondern die gleichberechtigte Wissenschaftlerin in einer der ansonsten männlichen (überwiegend Weißen) Mannschaft ist. Und die zum ersten Mal im US-Fernsehen als Schwarze Frau einen Weißen Mann küsst. Sie wird ein Symbol für das Schwarze Selbstbewusstsein, vor dem Hintergrund der Unruhen Ende der sechziger Jahre, die mit der Ermordung des Bürgerrechtlers Martin Luther King einen Höhepunkt nehmen. Wenn die Menschheit ins All fliegt, dann werden es Weiße und Schwarze Menschen gemeinsam tun.

Grace Dell "Nichelle" Nichols wird 1932 in einer Kleinstadt bei Chicago geboren. Sie startet als Sängerin in Jazzbands und in Nachtclubs. Eine Mini-Rolle als Tänzerin hat sie in der Opern-Verfilmung "Porgy und Bess" von 1959 mit Sidney Poitier; durch eine Musical-Rolle auf dem Broadway bekommt sie mehr und mehr kleine Rollen. Eine von ihnen ist in der kurzlebigen TV-Serie "The Lieutenant" von Gene Roddenberry. Die Serie ist heute vergessen, doch viele der Schauspieler treten später in "Star Trek" auf. Nichols hat gerade ein Engagement als Sängerin in London, als ihr Agent ihr eine Science-Fiction-Rolle anbietet. Sie würde lieber weiterhin ihren ersten Besuch in Europa genießen; aber ihr Agent bezahlt das Flugticket. So kommt es zum Vorsprechen.

Ursprünglich soll sie den Rollennamen tragen, den dann George Takei bekommt: Lieutenant Sulu. Doch das klingt zu sehr nach der Volksgruppe Zulu und damit zu offensichtlich. Den Namen Uhura trägt Nichols bereits beim Vorsprechen mit sich, ohne es zu ahnen. Denn das Buch, das sie gerade verschlingt, nimmt kurzerhand mit in den Raum; und so kommt es, dass sie dem Auditorium zunächst lang und breit darüber erzählt. "Uhuru", eine Beschreibung der Geschichte Afrikas von Robert Ruark. Der Titel bedeutet Freiheit in der ostafrikanischen Sprache Swahili. Nicht viel dagegen weiß sie über "Star Trek": Das Team muss ihr erst die geplante Serie erklären.

Ihre Rolle steht noch nicht im Drehbuch; also spricht sie eine längere Passage, die für Spock geschrieben ist. Als sie damit fertig ist, meint Mitproduzent Bob Justman: Schaut mal nach, ob Nimoy schon seinen Vertrag unterschrieben hat.

Für Nichols umfasst das Wort "Uhuru" die gesamte Geschichte des afrikanischen Kontinents und damit die ihrer Wurzeln. Roddenberry mag den Namen, doch er klingt ihm etwas zu hart. Nichols schlägt ihm Uhura vor.

Insider glauben, dass Uhura einen Vornamen hat: Nyota (Stern). Doch er wird in der Serie nie genannt und erst nachträglich für ein Buch mit Biographien der Mannschaft "erfunden", wo er sich weiter verbreitet. Im Reboot-Spielfilm von 2009 fällt er zum ersten Mal auf dem Bildschirm.

Am Ende der ersten Staffel hat Nichols genug von "Star Trek". Im Wesentlichen hat sie Knöpfe zu drücken und Zeilen wie "Grußfrequenzen geöffnet, Captain" zu sagen. Sie kündigt. Zumal sie ein tolles Angebot für ein Broadway-Musical hat, wofür ihr Herz eigentlich schlägt.

Roddenberry ist entsetzt, und bittet sie, es sich über das Wochenende zu überlegen. Doch das Schicksal meint es anders. Sie wird auf eine Wohltätigkeitsveranstaltung eingeladen, wo man sie ersucht, ihren größten Fan zu begrüßen. In der Erwartung eines jugendlichen Star-Trek-Nerds dreht sie sich um – und blickt in das Gesicht Martin Luther Kings. Ihres Idols. Und denkt sich: Wer immer der Fan ist, er muss jetzt warten.

Doch King sagt: Ich bin Ihr größter Fan. Unsere Familie sind Ihre größten Fans. "Star Trek" ist die einzige Serie, bei der unsere jüngeren Kinder aufbleiben dürfen (weil sie zur Schlafenszeit läuft), um sie zu sehen. Nichols will ihm gestehen, dass sie die Serie verlässt, doch King lässt sie nicht ausreden. Zum ersten Mal würden Schwarze auf dem Bildschirm so gesehen, wie man sie sehen sollte. Intelligent, qualifiziert, schön. Gene Roddenberry hätte eine Tür geöffnet, wie die Welt Schwarze sehen soll. Ihre Rolle sei keine Schwarze Rolle, keine weibliche Rolle. Jede Person könne sie ausfüllen.

Nichols ist erst verärgert, dass sie dieses Symbol sein soll, aber sie fügt sich in ihr Schicksal. Am Anfang der kommenden Woche erzählt sie Roddenberry von der Begegnung. Er gibt ihr die Kündigung zurück mit den Worten: Gott segne Dr. Martin Luther King.

Nichols hat diesen Schritt nie bereut, auch wenn die Serie zunächst nicht viele Zuschauer hat. Schon nach der ersten Staffel droht das Aus. Fans und Schriftsteller starten eine Protestkampagne. Doch in der zweiten Staffel verbessern sich die Quoten nicht. So kommt die dritte und letzte nur zustande, indem man das Budget kürzt und die Serie ins Spätprogramm verschiebt. Dass die Serie als eine der ersten in Farbe gedreht wird, mag ihre Lebensdauer verlängert haben, denn Farbsendungen sind damals noch rar.

Am Ende der ersten Staffel ist jener berühmte Kuss zwischen Uhura und Captain Kirk zu sehen. Auch wenn die Kamera ihn nur andeutet, man sieht die Münder nicht, gilt er als erster Kuss zwischen einer Schwarzen Frau und einem Weißen Mann im US-Fernsehen.

Erst nach dem Ende der Original-Serie beginnt der Siegeszug von "Star Trek". Die Serie kann in immer mehr Länder verkauft werden. In der Bundesrepublik wird sie unter dem Titel "Raumschiff Enterprise" ausgestrahlt, mit sechs Jahren Verspätung, ab 1972. Wie bei ARD und ZDF damals üblich, unvollständig und pro Folge teilweise um mehrere Minuten geschnitten. Die Zahl der Fans wächst, und so kommt es zehn Jahre nach der Einstellung, 1979, zum ersten Kino-Spielfilm mit der alten Crew. Und ab 1987 zur Nachfolge-Serie "Das nächste Jahrhundert" mit Captain Picard.

Dort erhält einer der größten Fans von Nichelle Nichols eine Gastrolle: Whoopi Goldberg. Sie ist erst zehn Jahre alt, als sie Lt. Uhura zum ersten Mal im Fernsehen sieht. Eine Schwarze Frau, die in der Zukunft spielt. Sie läuft aufgeregt durch's Haus und ruft: Kommt schnell, da ist eine Schwarze Frau im Fernseher; und sie ist kein Dienstmädchen. Ab diesem Zeitpunkt weiß Goldberg, dass sie als Schwarze alles erreichen kann. Und als sie viele Jahre später mit Roddenberry sprechen kann, sagt sie: Es ist alles Nichelle Nichols Schuld. Ihre und seine Schuld.

Nach der Originalserie, die von Liebhabern nur kurz als TOS bezeichnet wird, spielt Nichols mit dem Rest der Mannschaft in den ersten sechs Kino-Filmen. (Der erste Spielfilm läuft als einer von wenigen Weltraum-Filmen auch im Kino der DDR.)

Im siebten Teil "Treffen der Generationen" von 1994 wird die Crew der bereits seit 1987 laufenden Nachfolge-Serie "Das nächste Jahrhundert" eingeführt. Kirk trifft auf Picard. Von der alten Crew sind aber nur drei Darsteller zu sehen, neben dem Captain noch Technikchef Scotty und Steuermann Chekov. Wissenschaftler Spock und Schiffsarzt "Pille" sind vorgesehen, lehnen aber ab. Vom Fehlen Uhuras ist Whoopi Goldberg am meisten enttäuscht. Ihr hätte es natürlich gefallen, zusammen mit Nichols in einem Film aufzutreten.

Nach "Star Trek" tritt Nichols nur noch gelegentlich auf dem Bildschirm auf, etwa in fünf Folgen von "Heroes". Meistens sind es Gastauftritte. Sie widmet sich der Musik, veröffentlicht einige Alben. Und arbeitet für die NASA als Botschafterin, wirbt um Frauen und Schwarze als NASA-Mitarbeiter. Mit Erfolg. Astronauten und andere Angestellte würden sie als einen der Gründe angeben, bei der Agency arbeiten zu wollen, schreibt die NASA auf ihrer Website.

Mit dem Tod Uhuras dünnt die Stammbesatzung von "Star Trek" weiter aus. DeForest Kelly, der den Schiffsarzt "Pille" spielt, ist bereits 1999 gestorben, James Doohan alias Scotty dann 2005. Leonard Nimoy alias Spock ist 2015 gestorben. Ebenfalls bereits verschieden sind Grace Lee Whitney alias Kirks Assistentin (und Freundin) Janice, Majel Barrett (die Ehefrau des 1991 verstorbenen Gene Roddenberry), die Krankenschwester und Stimme des Bordcomputers – und John Winston alias Lt. Kyle.

Doch der Tod von Nichelle Nichols ist nicht der Tod von Uhurua. In der Kino-Reihe, die seit 2009 produziert wird, wird die Wissenschaftlerin von Zoe Saldana gespielt. In der nagelneuen Serie "Star Trek – Strange New Worlds" schlüpft die Newcomerin Celia Rose Gooding in die berühmte Rolle.

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Artikel wurde vollständig überarbeitet.

(mho)