Trauerspiel: Wie in Deutschland ein Megaprojekt für Erneuerbare verhindert wird

Musterknabe Deutschland: Ein Blick auf ein bis heute währendes Trauerspiel. Viele Worte, wenig Taten. Bild: Mester / Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV)

Nach der Flutkatastrophe wird in Rheinland-Pfalz die zerstörte Infrastruktur wieder auf Kohle, Gas und Öl gepolt. Die SolAhrtal-Initiative kämpft um die Energiewende beim Wiederaufbau. Kann sie sich durchsetzen?

In der Nacht des 14. Juli 2021 durchzog das Ahrtal eine nie für möglich gehaltene, gigantisch kräftige Flutkatastrophe. Die Folgen sind: 134 Todesopfer, 766 verletzte Personen und sehr viele traumatisierte Menschen. Psychologische Betreuung wird voraussichtlich noch Jahre vonnöten sein.

Einen Eindruck von den dramatischen Ausmaßen der größten Klimakatastrophe Deutschlands bekam ich am späten Nachmittag des 15. Juli 2021. Von der B 266 aus sah ich überall Wasser und unendlich viel Müll in unserem deutschlandweit einzigartigen Naturschutz- und Flora-Fauna-Habitat-Gebiet im Ahrmündungsbereich.

Rainer Doemen ist Vorstandsmitglied des Solarenergie-Förderverein Deutschland e. V. und Impulsgeber des Runden Tisch Erneuerbare Energien

Ab dem Wochenende reinigten wir mit dreißig bis über hundert ehrenamtlich Helfenden dreimal wöchentlich und drei Monate lang unser total vermülltes Naturschutz-Gebiet von rund ein Quadratkilometer Größe. Alle waren zu Fuß unterwegs, ausgestattet mit Big-Bags und verausgabten sich bei Schweiß treibenden Temperaturen in dem glitschigen, nach Öl riechenden Boden.

"Bauch, Beine, Po" sei ein Klacks dagegen, sagten Teilnehmende. Traktoren unterstützten uns auf wenigen, von ihnen gebildeten Fahrspuren beim Abtransport des Mülls zur Mülldeponie. Neben unseren regelmäßigen Aktionen war ich beschäftigt mit Logistik, Getränke- und Essenslieferungen, Absprachen mit Naturschutz-Behörden, Abfallwirtschaftsbetrieb und so weiter. Wir sammelten guten Mutes mehr als 108 Container à vierzig Kubikmeter Müll.

Die bleibende Erinnerung für mich ist: Alle Helfenden lebten durchweg eine mir bis dahin nicht bekannte Kultur zwischenmenschlicher Werte wie Achtsamkeit, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und freundliche Kommunikation. Wir haben dafür einen Begriff im Ahrtal geprägt: "SolidAHRität".

Mir zeigt diese SolidAHRität, dass das Leben eines zielorientierten Wir-Gefühls sicherlich auch stark genug ist, ein Maximum an Bürger-Engagement und -Investment sowie Bürger-Energie für den zwingend gebotenen Umbau des Energiesystems auf 100 Prozent Erneuerbare Energien regional zu generieren.

Nichts gelernt: Wiederanschluss an Kohle, Gas und Öl

Nach einiger Zeit wurde auch die Arbeit von Verwaltungen öffentlich sichtbar. Schon im September 2021 freuten sie sich im vertrauten Gleichklang mit dem regional aktiven Erdgas-Unternehmen, regionalen Medien sowie das für den Wiederaufbau zuständige Innenministerium darüber, dass fossile Energien wieder die Wärmeversorgung übernehmen. Weitere Erfolgsmeldungen lieferten Medien auch über den Wechsel von Öltanks, als gäbe es keine Treibhausgas-armen Alternativen bzw. andere Übergangslösungen.

Es mangelte

  • in den Kommunen an der Berücksichtigung dessen, was das Bundesverfassungsgericht angesichts von vier Klimaklagen gegen die Bundesregierung entschieden hatte, nämlich das Paris-Ziel von 1,5-Grad-Celsius als Obergrenze der Erdüberhitzung einzuhalten;
  • an der Erlaubnis beim Wiederaufbaufonds in Milliarden-Höhe, Entschädigungsleistungen für eine möglichst fossil-freie Erneuerung der Energieinfrastruktur einzusetzen;
  • am politischen Mut, die seit Jahrzehnten wissenschaftlich feststehenden Ursachen von Klimakatastrophen wie im Ahrtal für das Handeln konsequent einzubeziehen. Danach hätten fossile Energieträger keine Zukunft mehr erhalten dürfen, höchstens in begründeten Ausnahmefällen in Form einer Übergangslösung.

Energie-Fachzeitschriften bemängelten das ewig gestrige Verhalten von Entscheider:innen. Die Energieagentur Rheinland-Pfalz (RLP) gab sich größte Mühe, bei zum Beispiel Erneuerbaren-Energien-Wärmenetzen fachlich zu beraten, für die geeignete Förder-Instrumente aber fehlen bzw. zu niedrig sind.