Zahlen, bitte! 1.000.000.000.000 Euro für "Made in Germany"

Was als Warnung vor minderwertigen Produkten begann, ist bis heute ein Gütesiegel. Bis hin, natürlich, zur "IT Made in Germany".

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 19 Kommentare lesen

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Podcast (Podigee GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Podigee GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Am 23. August 1887 wurde das erste Verbraucherschutzgesetz verabschiedet: In Großbritannien trat der Merchandise Marks Act in Kraft. Alle importierten Waren mussten nach diesem Gesetz mit einer Herkunftsbezeichnung versehen werden. In erster Linie galt das Gesetz für deutsche Waren, denn es sollte vor billigen Messern und Werkzeugen "Made in Germany" gewarnt werden.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Es dauerte nicht lange, bis sich die Herkunftsbezeichnung ins Positive drehte. 1891 wurde das Madrider Markenabkommen geschlossen, das die Herkunftsbezeichnung unter Schutz stellte. "Made in Germany" wurde zum Zeichen bester Qualität. Noch heute ist Deutschland damit Weltspitze: 82 Prozent der Befragten einer weltweiten Umfrage vertrauen dieser Bezeichnung. Glaubt man dem Unternehmerhandbuch, so ist "Made in Germany" 1.000.000.000.000 Euro wert.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Podcast (Podigee GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Podigee GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Der gute Ruf von Made in Germany entstand mit Metallwaren aus Solingen und den Mikroskopen aus Jena noch vor dem 20. Jahrhundert. Auch unscheinbare Waren wie der Teebeutel, der Kaffeefilter, die Schwimmflügel und der Dübel gehören zu den Produkten, die "Made in Germany" bekannt und begehrt machten.

Unter anderem mit Produkten aus Stahl fing alles an.

(Bild: Wirestock Creators / Shutterstock.com)

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es vor allem die westdeutsche Automobilbranche, die "Made in Germany" prägte, ähnlich wie der Uhrenbau, der für "Made in Switzerland" stand, die Nummer 2 im Ranking. Auch in der DDR wurde das Qualitätsmerkmal gerne genutzt, bis der Staat im Zuge der schrittweisen internationalen Anerkennung sich von der BRD absetzen musste. Mit einer Ministerverordnung vom 7. Mai 1970 mussten alle Exportartikel mit der Herkunftsbezeichnung "Made in GDR" versehen werden.

Wieder vereinigt hat "Made in Germany" bis heute nichts von seiner Markenkraft verloren und fortlaufend an Markenwert zugenommen. 2018 soll dieser Wert die Billion überschritten haben. Somit hat "Made in Germany" auch dort eine Bedeutung, wo man es gar nicht vermutet. Klassisch ist das Logo von Schmuck Made in Germany, aber wer kommt schon auf den Gedanken, das deutsche Recht mit der Qualitätsbezeichnung Law – Made in Germany zu schmücken?

Es gibt die Dichtkunst Made in Germany und selbst die Windenergie wird als "Made in Germany" gefeiert, ausgerechnet vom Bundesverband der deutschen Arbeitgeber. Selbst der digitale Wandel wird von den Arbeitgebern mit dieser Herkunftsbezeichnung belegt, eine gewagte Aussage.

Noch gewagter dürfte die Aussage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sein, wonach die Zukunft Made in Germany ist. Ach, und wir? Werden sich unsere europäischen Nachbarn fragen. Sollten sie Berlin besuchen und typisch deutsches Essen genießen wollen, könnten sie ins "Museum europäischer Kulturen" gehen. Dort kann man lernen, dass der Döner "Made in Germany" ist.

Für "Made in Germany" gibt es zahlreiche Zertifikate und Urkunden, die nach vielen recht unterschiedlichen Kriterien vergeben werden. Die Bundesregierung hält sich hier auffallend zurück, ist aber zufrieden, solange man nur "Weltspitze" ist.

Allgemein gilt, dass die Herkunftsbezeichnung dann angebracht ist, wenn 50 Prozent der Produktion in Deutschland erfolgt. So gesehen gibt es ein Smartphone Made in Germany, weil sich Arbeiter und Cobots 50:50 die Arbeit teilen, aus Asien stammende Teile zusammenzusetzen. Aber man sollte nicht kleinlich sein: "Sicherheit Made in Germany" gilt auch für das Antivirus-Angebot von Seculution, auch wenn das dafür notwendige Betriebssystem BSD sicher nicht ein deutsches Produkt ist.

Überhaupt ist es interessant zu sehen, wie sehr sich die IT-Branche mit dem Qualitätsmerkmal identifiziert. Es gibt die E-Mail Made in Germany, gewissermaßen als Nachfolger der zu Tode gerittenen De-Mail. Es gibt die Cloud Services Made in Germany und natürlich die "IT-Security Made in Germany", die für das hübsche Logo eine Markenauszeichnung bekam. Denn das I in IT ist ein langgezogener schwarzrotgoldener Strich, wie originell.

Niemand wird es verwundern, dass es auch Software Made in Germany gibt, eine Initiative des Bundesverbandes IT-Mittelstand. Das entsprechende Siegel verspricht 100% Service, Qualität und Zukunft, alles aus deutscher Hand. Was jetzt noch fehlt, ist die "Digitale Souveränität Made in Germany". Doch keine Sorge, der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik arbeitet schon daran.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes Video (Kaltura Inc.) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Kaltura Inc.) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

()