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Interview zu "Monkey Island": "Die Kontroverse war unvermeidbar"

Warum sieht es so anders aus? Und wo sind alle Verben hin? Ron Gilbert, Dave Grossman und Rex Crowle sprechen mit heise online über "Return to Monkey Island".

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(Bild: Terrible Toybox)

Lesezeit: 11 Min.

Persönlich haben sie es nicht geschafft: Die "Monkey Island"-Schöpfer Ron Gilbert und Dave Grossmann sowie Art Director Rex Crowle haben sich zur Gamescom aus dem Homeoffice zuschalten lassen, um über "Return to Monkey Island" zu sprechen. Im Teams-Ferngespräch aus den Business-Hallen der Koelnmesse konnte heise online die drei Entwickler zum neuen Teil der legendären Adventure-Reihe befragen, der am 19. September für PC und Nintendo Switch erscheinen soll. Thema war dabei auch die große Grafik-Kontroverse: Erste Trailer zum modernisierten Point&Click-Adventure lösten nicht nur Vorfreude aus, sondern bescherten den Entwicklern sogar Hassnachrichten.

Herr Gilbert, Sie sind in den sozialen Medien aktiv und sprechen gerne direkt mit Ihren Fans. Auch über "Return to Monkey Island" haben Sie auf Ihren Kanälen viel geschrieben, bis Sie in Kommentaren persönlich angegriffen wurden und schließlich sogar ihren Blog abriegeln mussten. Ging Ihre Art der offenen Kommunikation nach hinten los?

Ron Gilbert: So weit würde ich nicht gehen. Ich mag es eigentlich, mit den Fans zu reden, ich höre mir gerne ihre Meinungen an. Diese Kontroverse um "Return to Monkey Island" war in unserer modernen Zeit wohl einfach unvermeidbar. Wir leben in einer Welt, in der jeder ein Megafon hat. Als ich ein Kind war, habe ich auch mit meinen Freunden über Comics, Filme oder Spiele abgelästert. Aber das ging nie über meine paar Kumpels hinaus. Mit dem Internet funktioniert das heute anders, damit muss man sich irgendwie abfinden.

Besonders der Grafikstil wird bei den Fans kontrovers diskutiert.

Ron Gilbert: Alles, was wir tun, wird die Fans polarisieren, auch die Puzzles, die Geschichte, das Nutzerinterface oder eben der Art Style. Ein Spiel wie "Monkey Island" hat sich so lange in den Erinnerungen der Leute festgesetzt, dass jeder eine sehr persönliche Vorstellung davon hat. Jede Änderung daran wird die Meinungen spalten, das wussten wir schon zu Beginn der Entwicklung.

Uns war daher vor allem wichtig, dass wir selbst an unser Spiel glauben. Und das tun wir, wir sind alle von "Return to Monkey Island" überzeugt. Wir lieben den Grafikstil, wir lieben das Interface und wir lieben die Story. Durch diese Überzeugung entsteht am Ende ein gutes Spiel, das hoffentlich auch anderen gefällt.

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Herr Crowle, wie haben Sie als Art Director das Feedback wahrgenommen?

Rex Crowle: Für mich war das von Anfang an einschüchternd, weil die "Monkey Island"-Spiele zu den Lieblingsgames aus meiner Kindheit gehören. Ich habe sie auf dem Amiga gespielt und dann versucht, davon inspiriert eigene Spiele zu entwickeln. Ich hatte also schon einen gewissen Ballast auf den Schultern, als wir loslegten. Dazu kommt, dass die vielen Nachfolger von "Monkey Island" sehr verschiedene Art Styles hatten, von Pixel Art über Zeichnungen bis hin zu 3D. Es gab also keinen vordefinierten Look für die Spiele.

Sie haben sich dann für etwas komplett Neues entschieden.

Rex Crowle: Los ging alles mit einer Fan-Zeichnung, die ich vor über einem Jahrzehnt ins Netz gestellt habe. Ron hat das gesehen und mich kontaktiert, so nahm der ganze Prozess seinen Lauf. Auf dieser ersten Zeichnung sah Guybrush sehr kastenförmig aus, fast wie eine Figur aus "Minecraft". Das war mein Versuch einer modernen Interpretation von Pixel Art, wäre aber wohl noch umstrittener gewesen.

Für die Entwicklung von "Return to Monkey Island" war es dann wichtig, klare und gut lesbare Silhouetten der verschiedenen Charaktere zu zeichnen, die man sowohl auf dem Computer als auch der Switch gut erkennen kann. Außerdem müssen die Animationen und die Mimik gut passen. So kamen wir auf diesen Stil, der ein wenig an ein Bilderbuch erinnert. Das passt auch gut zur Geschichte von "Return to Monkey Island".

Kickstarter-Spiele und Early-Access-Games setzen häufig das Feedback der aktiven Spielerschaft um. Wenn Sie die Vorlieben der Fan-Community für "Return to Monkey Island" so strikt befolgt hätten, würde das fertige Spiel wohl anders aussehen.

Ron Gilbert: Man sollte ein Spiel nicht von einem Community-Gremium entwickeln lassen, das kann nur schiefgehen. Jeder hat unterschiedliche Meinungen, verschiedene Fähigkeiten und seine eigene Auffassungsgabe. Von Communitys entworfene Spiele können nur in Durcheinander ausarten. Das heißt aber nicht, dass man die Leute ignorieren sollte. Auch für "Return to Monkey Island" haben wir viele Spieltests durchgeführt, also Leute eingeladen und uns ihre Rückmeldungen angehört. Auf deren Basis haben wir dann auch Design-Entscheidungen getroffen.

Es gibt eine wundervolle "Simpsons"-Folge, in der Homer ein Auto entwerfen soll. Die veranschaulicht hervorragend: Man braucht jemanden, der eine Vision hat. Aber diese Vision sollte man dann ausgehend von Feedback und Daten auch abwandeln können. Man kann ein Spiel sicher nicht im Vakuum entwickeln, aber man kann das Spieldesign auch nicht einfach in die Hände der Community legen und sagen: "macht mal!"

Screenshots aus "Return to Monkey Island" (5 Bilder)

(Bild: Terrible Toybox)

Für "Return to Monkey Island" haben Sie nicht nur einen neuen Grafikstil entworfen, sondern auch die altbekannten Aktionsverben abgeschafft. Was steckt hinter dieser Entscheidung?

Ron Gilbert: Nutzerinterfaces von Adventure-Spielen haben mich immer schon interessiert. Vor "Maniac Mansion" musste man bei Adventures noch Wörter in Textfelder tippen, um Rätsel zu lösen. Wir haben dieses System dann durch die neun Aktionsverben ersetzt. Und die Leute haben es damals gehasst! Sie dachten, dass dadurch Entscheidungsfreiheit verloren geht, obwohl es vorher auch nur eine kleine Anzahl an echten Optionen gab.

Mir ging es damals wie heute darum, die Spielerfahrung zu optimieren. Auch für "Return to Monkey Island" haben Dave und ich viel darüber gesprochen, wie Spieler mit Adventure-Interfaces interagieren. Wir haben uns überlegt, ob wir die Verben zurückbringen sollten. Sogar das Münzen-Interface von "Monkey Island 3" haben wir wieder in Erwägung gezogen.

Also das runde Pop-Up-Menü mit drei Icons, die weitgehend den Aktionsverben "benutzen", "sprechen" und "ansehen" entsprechen.

Ron Gilbert: Was uns bei diesem Münzenmenü am meisten gestört hat, war das Verb "benutzen". Man kombiniert das mit einem Objekt und hat keine Ahnung, was eigentlich passieren soll. Es ist ein reiner Schuss ins Blaue. Was passiert denn, wenn ich einen Schokoriegel "benutze"? Esse ich ihn, packe ich ihn aus, vermansche ich ihn? Wir haben für "Return to Monkey Island" in einem ersten Schritt versucht, der Aktion über den Mauszeiger-Text Kontext zu geben, also die Dinge beim Namen zu nennen – anstatt "benutzen" etwa "essen".

Dann hatten wir aber die Idee, dass der Text über dem Cursor die Gedanken von Guybrush widerspiegeln sollte. Wenn man den Schokoriegel essen möchte, sollte der Text also so etwas wie "das sieht lecker aus" oder "das ist widerlich" lauten, weil sich das so in Guybrushs Gedanken abspielt. Das hat uns eine ganz neue Welt an Möglichkeiten eröffnet, unsere Kreativität in diese Texte einzubringen und es Spielern humorvoll klarzumachen, was der Mausklick bewirken soll.

Herr Grossman, wie stellen Sie trotz aller Veränderungen sicher, dass die "Monkey Island"-Identität nicht verlorengeht?

Dave Grossman: Vieles hat sich in den vergangenen 30 Jahren gewandelt, aber unser Sinn für Humor ist gleich geblieben. Auch unsere Ideen über die Figuren und ihren Platz in der Welt ist derselbe. Das ist ein wichtiger Grund dafür, dass sich "Return to Monkey Island" immer noch nach "Monkey Island" anfühlt.

Der erste Teil ist damals aus unserer gemeinsamen Sicht auf die Welt hervorgegangen. Der Humor lag immer darin, sich über die Natur des Menschen lustig zu machen und neben Popkultur auch aktuelle Ereignisse aus unserem Leben unterzurühren. Für "Return to Monkey Island" mussten wir uns darauf besinnen und es einfach noch einmal probieren. Wir haben es meiner Meinung nach gut hinbekommen, unser früheres "Ich" wieder einzunehmen, ohne unsere aktuellen Erfahrungen zu vernachlässigen. Das Resultat ist nicht einfach "noch ein 'Monkey Island'-Spiel", sondern ein wirklich neues "Monkey Island"-Spiel.

Zeit genug, sich eine neue Story zu überlegen, hatten Sie ja. Haben Sie Ihre Ideen jetzt Jahrzehnte mit sich herumgeschleppt?

Ron Gilbert: Ich hatte immer mal wieder kleine Einfälle über die Jahre. Aber es ist nicht so, dass ich das 35 Jahre lang in meinem Kopf gewälzt habe. Bei jedem Kreativprozess, sei es ein Film, Musik oder Videospiele, liegt die eigentliche Kreativität im Erschaffungsakt, nicht davor. Als wir mit der Entwicklung angefangen haben, wussten wir eigentlich nur, dass es nach dem Ende von "Monkey Island 2" weitergehen soll. Dave und ich haben die Story dann während des Entwicklungsprozesses nach und nach ausgearbeitet.

Dave Grossman: "Return to Monkey Island" ist ein Spiel darüber, dass Guybrush etwas aus seiner Vergangenheit abschließen möchte, das bisher unerledigt blieb. So ist es auch bei uns: Wir kehren zu etwas zurück, das wir vor langer Zeit gemacht haben. Ich glaube nicht, dass wir "Return to Monkey Island" vor 10 oder 15 Jahren hätten machen können. Das Spiel, so wie es ist, war nur im Hier und Jetzt möglich.

Herr Gilbert, bei Ihrem vorherigen Spiel "Thimbleweed Park" haben Sie viel über Nostalgie gesprochen. Auch bei "Return to Monkey Island" ist der Diskurs vom rückwärtsgewandten Blick auf die Adventure-Blütezeit der Neunzigerjahre geprägt. Wie werden Point&Click-Adventures diesen Ballast los?

Ron Gilbert: Es gibt Adventure-Games wie "Firewatch", die so anders sind, dass sie nicht so sehr in den Nostalgie-Strudel gesaugt werden. Bei klassischen Point&Click-Adventures wird wohl immer der Vergleich gesucht, das ist schwer abzulegen.

Für "Thimbleweed Park" haben wir uns sogar ganz bewusst auf die Nostalgie eingelassen, das war die Pointe dieses Spiels. Aber mit "Return to Monkey Island" wollten Dave und ich ein modernes, interessantes Spiel entwickeln. Wir wollten das Genre wirklich vorantreiben, neue Dinge ausprobieren. Das war schon immer mein Ziel. Es gibt sicher eine gewisse Zahl an Fans, die sich wahnsinnig darüber gefreut hätten, wenn wir mit "Return to Monkey Island" einfach ein Retro-Pixel-Art-Spiel gemacht hätten. Aber eine viel größere Gruppe hätte das völlig kaltgelassen. (dahe)