EU-Kommission will zum Stromsparen verpflichten und Übergewinne abschöpfen

Die EU-Mitgliedsstaaten sollen sich verpflichten, den Stromverbrauch in Spitzenzeiten zu senken. Außerdem will sie Übergewinne von Stromerzeugern abschöpfen.

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Umspannwerk in Bremen

(Bild: heise online / anw)

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Die EU-Kommission schlägt erstmals eine Verpflichtung zum Stromsparen vor. Die EU-Mitgliedsstaaten sollen sich verpflichten, den Stromverbrauch während Spitzenpreiszeiten um mindestens 5 Prozent zu senken. Die Kommission rechnet vor, dass auf die Weise Verstromung durch Erdgas über den Winter um 4 Prozent zurückgeht, was 1,2 Milliarden m³ entsprechen würde.

Die Mitgliedstaaten sollten nach den Vorstellungen der EU-Kommission zwischen dem 1. Dezember 2022 und 31. März 2023 die 10 Prozent Stunden mit dem höchsten erwarteten Strompreis ermitteln und die Nachfrage während dieser Spitzenzeiten verringern. Zudem sollen sich die Mitgliedstaaten darum bemühen, die Gesamtnachfrage nach Strom bis zum 31. März 2023 um mindestens 10 Prozent zu senken.

Es könnten durchschnittlich drei bis vier Stunden pro Wochentag ausgewählt werden, die normalerweise den Spitzenlastzeiten entsprechen. Sie könnten auch Stunden umfassen können, in denen die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien voraussichtlich gering und die Erzeugung aus marginalen Anlagen erforderlich ist, um die Nachfrage zu decken, erläutert die Kommission. "Alle Verbraucher können dazu beitragen, auch diejenigen, die noch nicht mit intelligenten Zählern oder Geräten ausgestattet sind, die es ihnen ermöglichen, ihren Verbrauch im Tagesverlauf anzupassen."

Im Juli hatte die EU-Kommission zunächst einmal eine freiwillige Verpflichtung der EU-Staaten vorgeschlagen, von August 2022 bis Ende März 2023 15 Prozent des Erdgases einzusparen. Darauf haben sich die Mitgliedsstaaten eingelassen. Die Hürden dafür, verbindliche Einsparziele einzuführen, erhöhten die EU-Staaten allerdings.

Aus der Rede der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diese Woche vor dem EU-Parlament in Straßburg war bereits bekannt geworden, dass die Kommission eine Obergrenze für die Einnahmen von Unternehmen anstrebt, die Strom zu niedrigen Kosten erzeugen. In ihrem Vorschlag heißt es nun, dass für Unternehmen, die Strom mit geringeren Kosten erzeugen, weil sie erneuerbare Energien, Atomkraft und Braunkohle einsetzen, eine Erlösobergrenze von 180 Euro/MWh eingeführt werden soll. Bis Ende März 2023 sollen die EU-Länder Gewinne oberhalb der Obergrenze – es könnten jährlich 117 Milliarden Euro sein – an die Verbraucher weiterreichen, damit diese ihre Energiekosten senken können.

Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Stromerzeuger auch mit dieser Obergrenze ihre Betriebs- und Investitionskosten tragen können und dabei die Energie- und Klimaziele nicht gefährdet werden. Mitgliedstaaten, die mit Strom handeln, könnten bilaterale Vereinbarungen zu schließen, nach denen ein Teil der im Erzeugerstaat abgeschöpften Erlöse an die Endverbraucher in dem Mitgliedstaat mit geringer Stromerzeugung weitergegeben wird.

Unternehmen, die im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätig sind und für die Erlösobergrenze nicht gilt, könnten nach den Vorstellungen der EU-Kommission aus ihren Überschussgewinnen vorübergehen einen Solidaritätsbeitrag leisten. Dieser würde von den Mitgliedstaaten auf Gewinne im Jahr 2022 erhoben, die um mehr als 20 Prozent über den durchschnittlichen Gewinnen der vorangegangenen drei Jahre liegen und könnte sich auf 25 Milliarden Euro summieren. Diese Einnahmen könnten insbesondere an schutzbedürftige Haushalte, stark betroffene Unternehmen und energieintensive Branchen weitergegeben werden.

Die Gasspeicher in Deutschland sind momentan zu knapp 88 Prozent gefüllt, europaweit zu knapp 85 Prozent. Die EU-Kommission zielt nun darauf ab, auf den Strommarkt einzuwirken, weil "der dramatische Anstieg der Strompreise Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie die Industrie in der EU unter Druck setzt". Schutzbedürftige Kunden und von Energiearmut betroffene Verbraucher seien am stärksten betroffen, "doch immer mehr Haushalte mit mittlerem Einkommen und KMU laufen Gefahr, ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen zu können", heißt es in der Begründung der Kommission.

Der Vorschlag muss im EU-Rat mit qualifizierter Mehrheit angenommen werden, das heißt 55 Prozent der Mitgliedsstaaten (15 von 27) müssen mindestens dafür stimmen. Der Rat habe bereits zugesagt, sich schnell um den Vorschlag kümmern zu wollen, teilt die Kommission mit.

(anw)