IT-Sicherheit: Das Böse und die Guten

Zur Eröffnung des Horst Görtz Institut für IT-Sicherheit konterkarierte das von der Uni Bochum gezeichnete schrille Bild zur Cyberspace-Sicherheit nachdenkliche Vorträge von Phil Zimmermann und David Chaum.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit Fachvorträgen von PGP-Erfinder Phil Zimmermann und eCash-Entwickler David Chaum wurde heute das Horst Görtz Institut für IT-Sicherheit (HGI) an der Universität Bochum eröffnet. Das Institut soll sich allgemein mit Verschlüsselungssystemen und Angriffen auf IT-Systeme beschäftigen und im Hauptstudiengang ein 10-semestriges Studium anbieten, das zum Titel des "Dipl.-Ing IT-Sicherheit" führt. Daneben ist ein 4-semestriger "Masters Studiengang" als Postgraduiertenstudium in Planung. Pro Semester werden 50 bis 60 Studenten aufgenommen, sodass das Institut im Vollausbau etwa 200 bis 300 Studenten unterrichten dürfte. Dem Institut sind drei Lehrstühle direkt zugeordnet, Informationssicherheit und Kryptologie (Prof. Hans Dobbertin), Kommunikationssicherheit (Prof. Christof Paar) und Netzwerk- und Datensicherheit, der noch nicht besetzt ist. Weitere Studieninhalte werden von 7 Professoren zugeliefert, die am Bochumer "Institut für Sicherheit im E-Business" lehren.

Der Einrichtung des Institutes wurde durch eine Spende der Horst-Görtz-Stiftung möglich gemacht. In diese Stiftung hat Horst Görtz, der Gründer der Firma Utimaco, nach dem Börsengang seiner Firma 70 Millionen Mark eingebracht mit dem Ziel, die Forschung über IT-Sicherheit am Standort Deutschland zu fördern. "Wir brauchen in Deutschland eine starke Sicherheitskultur in der Informationstechnologie, das ist eine nationale Aufgabe", erklärte Horst Görtz zur Eröffnung des Institutes vor etwa 300 geladenen Gästen. Dabei appellierte er an die Industrie, sich mit Zustiftungen am HGIS zu beteiligen, das Geld seiner Stiftung reiche bei weitem nicht aus, um weitere Lehrstühle einzurichten.

In seinem aus dem Stegreif gehaltenen Festvortrag "The Acceleration of Big Brother" beschäftigte sich PGP-Erfinder Phil Zimmermann mit dem Zustand der Welt. "Ich bin besorgt über die Gesundheit der Demokratie. Computer gehorchen Moore's Law. Verschlüsselung ist für moderne Prozessoren kein Thema mehr, sie können inzwischen Gesichter entschlüsseln. Ich bin nach dem 11. September besorgt über die Überwachungswelle bei uns in den USA, über überall auftauchenden Videokameras oder besser über die Computer, die hinter die Videokameras geschaltet sind und Gesichtserkennung betreiben. Man kann heute komfortabel seine Kommunikation verschlüsseln, man kann aber nicht sein Gesicht vor einer Videokamera verschlüsseln," warnte Zimmermann.

Auch David Chaum, der Erfinder des eCash-Systems und Gründer der Firma Digicash, beschäftigte sich in seinem Vortrag mit den Prozessoren. Ausgehend von der Annahme, dass spätestens Anfang Jahre 2004 Prozessoren so leistungsfähig sind, dass jeglicher I/O verschlüsselt werden kann, freute sich Chaum auf eine Welt, die er "sign everything PKI world" nannte und als "durch Kryptographie abgesicherte ehrliche Welt" schilderte. Als Beispiel, was diese neue Welt leisten kann, trug Chaum Ergebnisse aus seiner aktuellen Arbeit an elektronischen Wahlsystemen vor. Dabei läuft die Abgabe des digitalen Stimmzettels über drei anonymisierende Mix-Mailer, die dennoch die Integrität des digitalen Stimmzettels garantieren. Entsprechend dem allgemeinen und geheimen Wahlrecht forderte Chaum die Politik auf, das Recht auf starke Kryptographie als Menschenrecht zu verankern.

In starken Gegensatz zu diesen nachdenklichen Vorträgen zeichnete die übrige Rahmenveranstaltung ein anderes Bild der IT-Sicherheit. Unter dem schrillen Slogan "Das Böse ist immer und überall" skizzierte die offizielle Pressemeldung der Universität ein Bild des Cyberspace, in dem es von datenknackenden Betrügern, Pornographen und Hackern nur so wimmelt. "Den Codeknackern immer einen Schritt voraus", so soll das Motto des HGIS lauten. Professor Hans Dobbertin als erster geschäftsführender Direktor des HGIS hatte sichtlich Mühe, das reißerische Bild vom Kampf der Guten gegen die Bösen zu korrigieren. "Bei uns werden keine Duelle ausgetragen, wir betreiben Grundlagenforschung", erklärte er. (Detlef Borchers) / (jk)