Mehr Nutzer, weniger Geld: Entwicklung des Krypto-Messengers Matrix gefährdet

Das Open-Source-Netzwerk rund um den Matrix-Messenger konnte 2022 seine Nutzerzahlen zwar verdoppeln, die finanziellen Beiträge halten aber nicht Schritt.

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(Bild: tee262 / Shutterstock.com)

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"2022 war für Matrix ein Wechselbad der Gefühle", so beginnt Matthew Hodgson, Mitgründer des Open-Source-Projekts mit einem verschlüsselten Messenger-Dienst im Zentrum, seinen an Weihnachten veröffentlichten Jahresrückblick. Einerseits habe sich die Größe des Netzwerks während der vergangenen zwölf Monate von 44,1 Millionen auf 80,3 Millionen sichtbare Matrix-Kennungen fast verdoppelt. Andererseits schlage sich diese Entwicklung nicht in hinreichender finanzieller Unterstützung nieder. Hodgson schlägt daher Alarm: "Dies gefährdet unmittelbar die Kernentwicklung von Matrix."

"Dank der Situation bei Twitter ist die Welt auf die Bedeutung der Dezentralisierung aufmerksam geworden", führt der Programmierer aus, der neben der nicht auf Profit ausgerichteten Matrix-Organisation auch die Entwicklung des auf dem gleichnamigen Protokoll basierenden Open-Source-Basisclients Element leitet. Bestehende Akteure wie das Systemhaus der Bundeswehr, die BWI, hätten den einschlägigen BWMessenger erweitert und böten mittlerweile Matrix als Kommunikationsdienst "für den gesamten deutschen Staat" an. Die Gematik habe zudem ihre TI-Messenger-Initiative für interoperable Nachrichtenübermittlung im deutschen Gesundheitswesen vorangetrieben.

Parallel freut sich Hodgson über "eine erstaunliche Anzahl neuer Akteure", die in das Matrix-Ökosystem eingetreten seien. Reddit etwa arbeite offenbar an einer neuen Chat-Funktion auf Basis des Protokolls. TeamSpeak habe einen Matrix-basierten Chat in TS5 angekündigt. Thunderbird unterstütze den Messenger bereits, Discourse sitze noch daran. "Regierungen von Luxemburg bis zur Ukraine haben ihre eigene Matrix-basierte Chat-Infrastruktur eingeführt", ist dem Bericht zu entnehmen. Hunderte anderer Organisationen – von Start-ups bis zu großen privaten und öffentlichen Einrichtungen – setzten auf das Protokoll. Die virtuelle Abwicklung der "größten Open-Source-Konferenz der Welt", der Fosdem, sei 2022 "reibungslos" über den Dienst gelaufen.

Indes "haben nur eine Handvoll dieser Initiativen dazu geführt, dass das Matrix-Kernteam Mittel erhalten hat", beklagt sich der Entwickler. "Wir sind Zeugen einer klassischen Tragödie der Allmende", befürchtet er. "Wir haben den gesamten grundlegenden Quelltext von Matrix als freizügig lizenzierten Open-Source-Code veröffentlicht und ihn so weit entwickelt, dass jeder ihn selbst erfolgreich in großem Maßstab einsetzen kann". Die große Mehrheit dieser kommerziellen Implementierungen leiste jedoch keinen finanziellen Beitrag zur Matrix Foundation – weder durch direkte Spenden noch durch indirekte Unterstützung in Form von Zusammenarbeit mit dem Ableger Element, über den aktuell Matrix maßgeblich vorangetrieben werde.

Die Leute liebten "die fantastische dezentralisierte, verschlüsselte" Kommunikationswelt von Matrix", bringt Hodgson die Lage auf den Punkt. Dies liege aber auch mit daran, dass sie die Lösung nutzen könnten, "ohne jemanden für die Entwicklung oder Wartung bezahlen zu müssen. Das ist völlig untragbar." Element sei jetzt buchstäblich nicht mehr in der Lage, "die gesamte Matrix Foundation im Namen aller anderen zu unterhalten". Man habe deshalb bereits "einige der Mitarbeiter des Kernteams entlassen" müssen.

Die einzige praktikable Lösung besteht für den Techniker darin, dass Organisationen, die auf Matrix aufbauen, sich an den Kosten der Kernprojekte beteiligen. Dafür gebe es bereits einen Vorschlag, der im neuen Jahr ausgebaut werden solle. Bis dahin könnten sich Interessierte über funding@matrix.org an der Debatte beteiligen. Der Entwickler gibt zudem einen Überblick über erreichte und angestrebte technische Ziele wie eine neue Implementierung für die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, das Vorantreiben der offenen Metaverse-Alternative Third Room, VoIP-Unterstützung sowie die schlanken Web-Clients Hydrogen und Chatterbox.

(tiw)