Zahlen, bitte! Metropolis: 43 Jahre zwischen Public Domain und Copyright

Metropolis gilt als Meisterwerk der Filmgeschichte. Auf dem Weg zu der Erkenntnis erlebte er viel Ablehnung, Änderungen und Kämpfe ums Copyright. Ein Rückblick.

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(Bild: Bildausschnitt Statue: CC BY-SA 2.0, Jiuguang Wang, Bearbeitung: heise online)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Heute vor 96 Jahren feierte der Stummfilm Metropolis seine Premiere in Berlin. Er gilt als der einflussreichste Science-Fiction-Film aller Zeiten. Filme wie Blade Runner und Roboter wie C-3PO in Star Wars beziehen sich direkt auf ihn, in Musikvideos von Queen und Madonna wird er in Ausschnitten zitiert. Das Berliner Publikum war indes von der Aufführung wenig begeistert. Die Originalfassung wurde bereits im Mai 1927 abgesetzt und durch eine um 30 Minuten gekürzte Fassung ersetzt.

Noch schlimmer erging es dem von der deutsch-amerikanischen Firma Parufamet produzierten Film in den USA. Dort begann bereits 1926 der Theaterautor Channing Pollock damit, den Film zu verstümmeln. Ausgerechnet aus den USA kommt nun frohe Kunde: dort ist Metropolis seit dem 1. Januar 2023 in der Public Domain und damit bereit, wieder viele Künstler zu inspirieren. Das war er schon einmal – 43 Jahre lang – zwischen 1953 und 1996 möglich.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Metropolis wurde von dem Firmenzusammenschluss Parufamet in den USA im Jahre 1925 registriert, als die Dimension des Megaprojektes klar wurde. Das damalige amerikanische Urheberrecht sah eine Schutzfrist von 28 Jahren vor. Als diese Frist 1953 endete, weigerte sich der 1933 in die USA emigrierte Regisseur Fritz Lang, den Schutz zu verlängern, weil die Verstümmelung nicht mehr sein Film war. Somit war Metropolis bis zum 1. Januar 1996 gemeinfrei, als die USA dem internationalen Uruguay Round Agreements Act beitrat, der einen retrospektiven Copyright-Schutz verlangte.

Zuvor war die USA zwar der Berner Urheberrechtskonvention von 1989 beigetreten, doch diese verlangte keinen rückwirkenden Bestandsschutz. 43 Jahre lang konnten sich Künstler aus dem Fundus von Metropolis bedienen und wichtige Impulse setzen. Das ist nun wieder möglich, natürlich bis auf Deutschland: nach unserem Urheberrecht ist Metropolis bis zum Jahr 2047 geschützt. Doch damit nicht genug: Innerhalb von Metropolis gibt es einen speziellen Kunstschutz für die Figur der Roboterfrau Eva, die vom Kostümbildner und Bildhauer Walter Schulze-Middendorf erschaffen wurde. Ein weiteres Detail der verzwickten Urheberrechtsgeschichte lieferte die Begleitmusik, die ebenso wie die Untertitel eines Stummfilms eigenen Urheberrechtsansprüchen unterliegt.

Szene aus Metropolis: Videotelefonie - Heute Normalität, vor fast 100 Jahren mehr als Science Fiction.

Anfang der Achtzigerjahre lieferten sich der Komponist Giorgio Moroder und der Musiker David Bowie bei der Münchener Murnau-Stiftung ein hartes Bietergefecht um die Musikaufführungsrechte zu Metropolis, bei dem sich Moroder durchsetzte. In der hohen Summe waren die Kosten für eine restaurierte Metropolis-Fassung enthalten, die als "Münchener Version von 1987" bis 2001 den Stand des zerschnipselten Films darstellte. Moroders Fassung wurde 1984 mit seiner Musikbegleitung als monumentaler Videoclip auf den Filmfestspielen von Cannes gezeigt und sorgte mit Songs von zeitgenössischen Superstars wie Adam Ant, Freddie Mercury, Bonnie Tyler und Pat Benatar dafür, dass Metropolis ein Kultfilm der Popkultur wurde. Mit der technisch erneut verbesserten Version von 2001 wurde Metropolis sogar Teil des Weltdokumentenerbes der UNESCO.

Metropolis spielt im Jahre 2026. Eine Oberklasse lebt in einer Megacity in Saus und Braus, in "Ewigen Gärten" und in einem Amüsierviertel. Die Arbeiter der Unterschicht sind bleiche, ausgemergelte Wesen, die unter der Oberfläche eine Maschinerie in Schuss halten müssen, die die gesamte Stadt versorgt. Die Stadt gehört einem Joh. Fredersen und der haust in einem Turm Babel, von dem aus alles überwacht werden kann. Technologisch zeigt der Film die elektronische Echtzeitübertragung von Daten der Maschinerie in den Turm, die Zutrittskontrolle durch von Sensoren gesteuerten Türen und Videokonferenzen, die Fredersen mit den mächtigen Vorarbeitern hat. Computer kommen aber nicht vor. Wie eine Denkmaschine aussehen könnte, illustrierte damals der österreichisch-amerikanische Zeichner Frank Rudolph Paul 1927 so:

Zwischen der Oberschicht und den Arbeitern gibt es keinen Kontakt. Das ändert sich in dem Moment, als Fredersens Sohn Freder Maria trifft, die versehentlich mit einem Haufen Kinder bei den Gärten vorbeikommt. Während Freder nach der zauberhaften Erscheinung sucht, macht sich Rotwang, ein durchgeknallter Wissenschaftler (der die Maschinerie von Metropolis mit entwickelt hat) daran, eine Roboterin namens Maria zu kreieren. Sie soll seiner Traumfrau Hel gleichkommen, die die Seiten wechselte, Joh. Fredersen dem Sohn Freder gebar und dann starb. Besagter Freder erlebt nun kurz das Arbeiterdasein, verwechselt auch mal die Marias, weil die Roboterin (!) zum Aufstand gegen die Maschinen aufruft, bis alles zu einem guten Ende kommt. Die Oberen und die Unteren versöhnen sich schließlich, getreu dem eingeblendeten Motto "Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein." Der linke Filmkritiker Siegfried Kracauer ätzte, dass dies auch ein Spruch von Goebbels hätte sein könnte.

Tatsächlich blieb Langs damalige Ehefrau Thea von Harbou als Drehbuchautorin von Metropolis in Deutschland, während der Jude Fritz Lang in die USA auswanderte. Sie trat in die NSDAP ein und schrieb eine Reihe von Propaganda-Drehbüchern für Veit Harlan.

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Technisch gesehen war der Film eine Pioniertat, angefangen von der riesigen Halle, die eigens für ihn gebaut wurde, heute Marlene-Dietrich -Halle genannt. Alle Szenen wurden gleichzeitig von drei Kameras für die drei beteiligten Film-Gesellschaften aufgenommen. Rund 580 Kilometer Film kamen so zusammen, konnten aber bis heute nie zu dem zusammengestellt werden, was den Produzenten und vor allem dem penibel arbeitenden Regisseur Fritz Lang vorschwebte. Die letzte Langfassung beruht auf einer Kopie, die erst 2008 in Argentinien gefunden wurde.

Eine etwa zehn Sekunden lange Filmsequenz des Autoverkehrs der Zukunft anno 2026 benötigte im Stop-Motion-Verfahren eine Produktionszeit von einer Woche. Das in dem Film benutzte Spiegeltrick-Verfahren wurde sofort von Alfred Hitchcock ihm in seinem Film "Erpressung" benutzt, einer außergewöhnlichen Mischung aus Stummfilm und Tonfilm. Mit dem Ende des Copyrights werden neue Auseinandersetzungen von zeitgenössischen Künstlern mit dem Thema erwartet.

(mawi)