Online-Werbung: Telcos bringen eigene Plattform gegen Google & Co in Stellung​

Die vier großen europäischen Telcos stellen sich Big Tech entgegen. Mit einer eigenen Plattform wollen sie sich ein Stück des großen Werbekuchens sichern.​

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Junge Frau hält ein Smartphone in den Händen, um sie herum werden Datenfluss und Vernetzungen grafisch visualisiert.

(Bild: Trismegist san/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.

Die großen europäischen Netzbetreiber wollen Internetriesen wie Google oder Meta mit einer gemeinsamen Werbeplattform ein Stück vom Anzeigenkuchen streitig machen. Bei den Wettbewerbshütern der EU-Kommission haben die Deutsche Telekom, Orange, Telefónica und Vodafone die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens angezeigt, das die technische Plattform für eine Identifizierung der Netznutzer zu Werbezwecken betreiben soll.

Dem Vernehmen nach wird die EU-Kommission noch in dieser Woche über das Joint Venture der vier Telcos entscheiden. Laut Informationen der Nachrichtenagentur Reuters können die Netzbetreiber, denen das Gemeinschaftsunternehmen zu gleichen Teilen gehören soll, mit einer Freigabe durch die Kommission rechnen. Die Entscheidung wird für Freitag, den 10. Februar erwartet.

Laut der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission werde das neu zu gründende Unternehmen "eine datenschutzorientierte, digitale Identifikationslösung anbieten, um digitales Marketing und Werbeaktivitäten von Marken und Verlagen zu unterstützen". Grundlage sei ein "sicheres und pseudonymisiertes Token, das von einer gehashten und verschlüsselten pseudonymen internen ID abgeleitet wird, die mit dem Vertrag der Kunden verknüpft ist".

Das Token versetze Werbekunden oder Medienpartner in die Lage, einzelne Nutzer zu erkennen, ohne identifizierbare Daten über sie zu kennen, heißt es weiter. Die Teilnahme an der Werbeplattform setze das explizite Einverständnis der Telekommuninikationskunden voraus, das sie auf einer einfach zugänglichen Website auch widerrufen können. Auf diesem Portal sollen die Kundinnen und Kunden auch einzeln einstellen, für welche Werbe- oder Medienpartner das Einverständnis gilt.

Die Technik, auf der die gemeinsame Werbeplattform aufsetzen soll, gibt es bereits: "TrustPid". Bei TrustPid wird der Traffic eines Kundenkontos mit einem Token markiert, das zum Beispiel mit der SIM-Kartennummer oder der Mobilfunknummer verknüpft werden kann. Der so vom Netzbetreiber markierte Datenverkehr wird dann zur Bildung eines persönlichen Profils genutzt, auf das dann Werbekunden und Websitebetreiber zugreifen können sollen.

"Das geplante Joint Venture ist das erste Ergebnis eines Machbarkeitstests der Deutschen Telekom AG und anderer Telekommunikations-Partner in Europa", bestätigte ein Telekom-Sprecher. Auch Vodafone bestätigt das auf Anfrage von heise online. Telefónica Deutschland verweist auf die Partner. Wie weit die Vorbereitungen für das Joint Venture bereits gediehen sind, verraten die Unternehmen nicht. Dem Vernehmen nach darf man mit einem Start noch in diesem Jahr rechnen.

Hierzulande haben die Deutsche Telekom und Vodafone das System im Sommer 2022 zusammen mit dem Axel-Springer-Verlag getestet. Wie aus Branchenkreisen verlautet, haben auch die anderen Netzbetreiber das System bereits getestet. Telefónica hat das Verfahren demnach in Spanien getestet, auch Orange konnte erste Erfahrungen damit sammeln.

Es gehe "im Kern um eine technische Plattform für digitale Werbung in Europa", von der alle Beteiligten profitieren könnten, erklärt der Telekom-Sprecher. Insbesondere hätten Verbraucher dabei "mehr Kontrolle und Transparenz", wie ihre "persönlichen Daten im Online-Werbe-Ökosystem genutzt werden und ihre Privatsphäre geschützt wird".

Die Netzbetreiber wollen mit ihrer europaweit funktionierenden Plattform den großen US-Anbietern Konkurrenz machen, im Unterschied zu diesen verweisen sie auf einen explizit datenschutzfreundlichen Ansatz. "Die Antwort auf die Frage, was technisch gesehen auf den Cookie folgt, kann und darf nicht ein neuer Cookie sein. Es geht um einen Gegenentwurf", sagt der Telekom-Sprecher.

Europäische Verbraucherschützer sind da skeptischer. In einem Schreiben an die für den Wettbewerb zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager mahnt der Dachverband der europäischen Verbraucherschutzorganisationen (BEUC), dass die Zusammenarbeit der Telcos nicht andere Anbieter datenschutzfreundlicher Lösungen behindern dürfe. Die großen Netzbetreiber dürften ihre Reichweite nicht dazu nutzen. Die Kommission müsse sicherstellen, dass das angemeldete Joint Venture den Datenschutz- und E-Privacy-Regeln in der Union genüge, fordert BEUC.

Es sei unklar, wie die Daten in allen Instanzen rechtmäßig erhoben würden und wie eine DSGVO-konforme Einwilligung erfolge, schreibt BEUC. Auch zweifeln die Verbraucherschützer, dass die Verwaltung der Einwilligung wie versprochen funktioniert und verweisen auf Medienberichte über Probleme, die beim Test von Trust PID aufgetreten seien.

Nachdem die europäischen Telcos mit solchen Wünschen bei der EU-Kommission in der Vergangenheit eher abgeblitzt sind, scheint die Kommission unter Ursula von der Leyen aufgeschlossener zu sein. Das liegt zum einen an dem Bemühen der EU, den Einfluss und die Macht der großen US-Tech-Konzerne insgesamt zurückzudrängen.

Auf der anderen Seite spielt wohl auch eine Rolle, dass Binnenmarktkommissar Thierry Breton als ehemaliger CEO von France Telecom (heute Orange) eine besondere Affinität für die Bedürfnisse der Branche hat. Breton zeigte sich wiederholt offen für den seit Jahren gehegten Wunsch der Netzbetreiber, die großen Tech-Unternehmen für den verursachten Traffic zur Kasse zu bitten, und befürwortet auch die kartellrechtliche Genehmigung weiterer grenzüberschreitender Übernahmen im Sektor.

(vbr)