Webportale verabschieden sich von Gratismentalität im Netz

Bei den Webportalen suchen die Überlebenden des Internet-Booms nun mit veränderten Modellen ihren Weg aus der Krise.

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Von
  • Miriam Tang
  • dpa

Kaum ein Geschäftskonzept im Internet stand zur Zeit des Booms der New Economy so in der Öffentlichkeit wie Webportale. Fast jeder Online-Neuling nutzte Yahoo, Web.de oder Freenet, um auf dem unbekannten Terrain der Internet-Welt erste Schritte zu machen. Börsenanleger -- berauscht durch rasant wachsende Nutzerzahlen -- entfachten ein Kursfeuerwerk. Kaum eine Stimme hinterfragte, ob Online-Werbung die kostenlosen Suchdienste, Auskunfteien oder E-Mail-Konten tatsächlich finanzierte. Sie tat es nicht. Die Überlebenden suchen nun mit veränderten Modellen ihren Weg aus der Krise.

Hieß es in Zeiten des Internet-Booms, alles ist möglich, so lange die Nutzerzahlen steigen, stehen die jetzigen Aktivitäten unter ständigem Finanzierungsvorbehalt. Unternehmen haben unprofitable Bereiche geschlossen, Partnerschaften geknüpft oder mit anderen Marktteilnehmern fusioniert. Der Portalbetreiber und Internetprovider T-Online zum Beispiel kooperiert unter anderem mit der Fonds-Tochter der Deutschen Bank, DWS, die sich eine weitere Vertriebsplattform erhofft. Das Microsoft Internet Portal MSN arbeitet mit dem fusionierten Internet-Unternehmen Tomorrow Focus AG zusammen. Die Internet-Seite www.fitforfun.msn.de ist ein Beispiel für die gemeinsame Vermarktung von Werbeplätzen und die Erstellung redaktioneller Inhalte.

Deutschlands größter Medienkonzern Bertelsmann stieß zwar den Internet-Buchhändler BOL ab, hält aber weiter am bislang ebenfalls defizitären Internet-Portal Lycos Europe fest. "Das Internet wird sich durchsetzen", sagt Bertelsmann-Konzernchef Gunter Thielen. Es werde dem Konzern helfen, sein Geschäft voranzutreiben. Lycos setzt jetzt auf eine Kooperation mit dem Online-Versandhändler Amazon, um die Verluste durch die wegfallenden Werbeeinnahmen von BOL auszugleichen. Nach umfangreichen Restrukturierungsmaßnahmen und massivem Stellenabbau verzeichnete das Portal im vergangenen Jahr erstmals einen operativen Gewinn.

Größte Herausforderung der Webportale ist es nach Meinung von Marktforschern, die Gratismentalität im Internet zu beenden und die verwöhnten Nutzer zum Zahlen zu animieren. Anbieter von Erotikseiten und exklusiven Wirtschaftsnachrichten haben es bereits erfolgreich vorgemacht. Wie rasant der Umstieg von kostenlosen auf kostenpflichtige Angebote gehen kann, zeigt das Beispiel der Kurznachrichten (SMS). Als Anfang vergangenen Jahres die Mobilfunkanbieter die Preise für Großabnehmer mehr als verdoppelten, stellten die Portale ihre kostenlosen SMS-Versendedienste ein.

"Die Schnupperphase mit vielen bunten Seiten der mannigfachsten Anbieter ist vorbei", sagt Yahoo-Sprecherin Patricia Rohde. Die Nutzer wollten nicht mehr auf die schnelle Informationsbeschaffung verzichten. "Aber man will sich nicht mehr mit einer Fülle verschiedener Anbieter herumschlagen", sagt Rohde. Jetzt breche die Zeit der großen Internet-Namen an. Als bekannte Marke setzt Yahoo auf die Treue seiner Besucher und hofft unter anderem Wirtschaftsnachrichten oder Videos zu verkaufen. Konkurrent Web.de versucht sich mit verschiedenen Telekommunikations-Dienstleistungen rund um Internet, Fax und Telefon zu etablieren.

Um das Geschäft mit den Bezahlinhalten anzukurbeln, hofft die Branche auf Breitbandanschlüsse wie DSL. Kunden mit einem breitbandigen Internet-Zugang sollen zum Beispiel künftig bei Yahoo Computerspiele über das Internet mieten können. Besondere Marktchancen sehen Analysten für T-Online -- aus einem speziellen Grund: Der Internetprovider und Portalbetreiber kann die Gebühren für Online-Dienstleistungen gleich mit der monatlichen Telefonrechnung des Mutterkonzerns Deutsche Telekom einziehen und spart sich dadurch komplizierte Online-Bezahlverfahren.

Für manchen Anbieter scheint die veränderte Strategie aufzugehen. Das Online-Portal Web.de schrieb im letzten Quartal 2002 erstmals schwarze Zahlen. Konkurrent Yahoo verbuchte dank höherer Umsätze mit gebührenpflichtigen Online-Diensten sogar für das gesamte Geschäftsjahr 2002 Gewinne. (Miriam Tang, dpa) / (jk)