Spiros Simitis: Spiritus Rector des deutschen Datenschutzrechts ist tot

Mit Spiros Simitis ist einer der Väter des modernen Datenschutzes in Deutschland und Europa gestorben. Er warnte früh vor präventiver Vorratsdatenspeicherung.

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(Bild: Fahroni/Shutterstock.com)

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Er war ein prägender Kopf der gesetzlichen Absicherung der Privatsphäre und der Freiheit des Individuums in Deutschland und Europa. Spiros Simitis, Spiritus Rector des modernen Datenschutzrechts, ist am Samstag, 18. März, in Königstein im Taunus nach langer, schwerer Krankheit verstorben. Dies teilte der Hessische Datenschutzbeauftragte, Alexander Roßnagel, am Montag mit. Er bedauerte zugleich den Verlust eines "bedeutenden Pioniers des Datenschutzes".

Prof. Spiros Simitis

(Bild: Universität Frankfurt)

Der 88-jährige Deutsch-Grieche habe das Grundverständnis des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung "in Hessen, Deutschland und Europa entscheidend geprägt", unterstrich Roßnagel. Frühzeitig und klarsichtig habe er immer wieder Gefährdungen von Grundrechten durch die künftige Nutzung der Informationstechnik erkannt und den rechtzeitigen Schutz der Grundrechte vehement angemahnt. Simitis stieß seit 1969 als Professor für Arbeitsrecht, Bürgerliches Recht und Rechtsinformatik in Frankfurt am Main die ersten Diskussionen zum Datenschutz in Deutschland an. Zugleich unterstützte er die Konzeption und Formulierung des Hessischen Datenschutzgesetzes von 1970, das als erstes Normenwerk dieser Art Geschichte schrieb.

Von 1975 bis 1991 fungierte er als der zweite Hessische Datenschutzbeauftragte. Seine wissenschaftlichen Arbeiten bereiteten die Anerkennung des Datenschutzes als Grundrecht durch das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil von 1983 vor. Im Anschluss entwickelte er weithin anerkannte Grundsätze zur Um- und Durchsetzung rund ums Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Zwischen 1982 und 1986 leitete der Rechtswissenschaftler die Expertenkommission für Datenschutzfragen des Europarats, seit 1988 beriet er die EU-Kommission in diesem Bereich. In dieser Funktion half er bei der Geburt der EU-Datenschutzrichtlinie von 1995, dem Vorgänger der heutigen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Die Worte des Vordenkers hatten weit über die Gemeinde von Juristen und Netzpolitikern hinaus Gewicht, seine Vorhersagen erweisen sich meist als zutreffend. "Demokratie zeichnet sich durch Informationsverzicht aus", betonte er etwa bei einer Feierstunde zum 30. Jubiläum der Berliner Datenschutzbehörde 2009. Wann immer Staat und Wirtschaft im großen Stil personenbezogene Daten sammelten, "streuen sie". Präventionspolitik führe zu einer "Steuerbarkeit" der Betroffenen. Wenn der Bürger Informationen über sich preisgebe, dürften diese in einer Demokratie nicht in jedem Fall verwendet werden. Schon früh machte er auf die Gefahren auch der biometrischen Massenüberwachung aufmerksam, die bis heute die Debatte etwa über ein Verbot automatisierter Gesichtserkennung im öffentlichen Raum kennzeichnen.

"Mit ihm verliert der Datenschutz einen eloquenten Fürsprecher und zugleich einen feinsinnigen und klugen Verteidiger", trauert die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern (DSK) in einem Nachruf. Neugierig und versiert habe der Pionier neue Entwicklungen aufgriffen und konstruktiv weitergedacht. Simitis sei "Grieche von Geburt, Europäer aus Überzeugung und Datenschützer aus Leidenschaft" gewesen. "Mit ihm endet eine Ära des Neuaufbaus des Datenschutzrechts mit dem Schaffen von Grundlagen", schreibt die DSK. Sie sehe sich seinem Vermächtnis verpflichtet: Im Geiste von Simitis werde sie die Rechte und Freiheiten und insbesondere die informationelle Selbstbestimmung der Bürger "schützen, verteidigen und weiterentwickeln".

(mack)