EU-Parlament streitet über Softwarepatente

Die Abgeordneten wollen deutlichere Abgrenzungen zu amerikanischen Patentverhältnissen, doch just die Berichterstatterin des federführenden Rechtsausschusses sorgt nicht gerade für Klarstellungen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 80 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Das Europäische Parlament ist inhaltlich noch weit entfernt von einer Einigung im Streit über die zukünftige rechtliche Stellung von Softwarepatenten. Das zeigte sich während einer Sitzung des federführenden Rechtsausschusses zu diesem Thema in Brüssel. "Es besteht noch viel Diskussionsbedarf", erklärte Evelyne Gebhardt von der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) im Anschluss an die wenig besuchte Debatte gegenüber heise online. Die Meinungen zum rechtlichen Monopolschutz immaterieller Güter wie Software würden noch weit auseinander laufen.

Einig sind sich die Europa-Abgeordneten bislang nur darin, dass sie "amerikanische Verhältnisse" einer schier grenzenlosen Patentierbarkeit von "One-Click"-Geschäftsprozessen und Programmalgorithmen auf dem alten Kontinent vermeiden wollen. Es müsse "klare Abgrenzungen" geben, was patentierbar sein solle und was nicht, hört man von allen Seiten im Parlament. Die allgemeine Unzufriedenheit mit den schwammigen Vorgaben der Kommission und des Rats ist groß.

Doch in der Kernfrage, wie weit die Definition der von der Kommission begrifflich ins Spiel gebrachten "Computer-implementierten Erfindungen" und damit die Patentierbarkeit von Software gehen soll, sind sich die Parteien noch keineswegs einig. Hier stehen sich zwei Lager und die dahinter stehenden Lobbygruppierungen gegenüber: Die eine Seite lehnt Definitionen zentraler Begriffe wie "technischer Beitrag" ab und möchte sich auch nicht darauf festlegen lassen, welche "Computer-implementierten" Ideen denn nun nicht der Technik zuzurechnen sein sollen. Andere wollen einzelne Bereiche ausschließen oder bringen die "Beherrschung von Naturkräften" als positives Definitionsmerkmal für den "technischen Beitrag" ins Spiel.

Die britische Berichterstatterin des Rechtsausschusses, Arlene McCarthy, scheint sich nun in ihrem vorgelegten "Kompromisspapier" selbst noch nicht sicher zu sein, wohin die Reise gehen soll. Sie plädiert einerseits für die Streichung des Artikels 3 des Kommissionsvorschlags, in dem "Computer-implementierte Erfindungen" als dem technologischen Feld zugehörig beschrieben werden. Die Formulierung sei "unnötig" und könnte den Bereich des Patentschutzes sogar ausweiten, argumentiert McCarthy. In ihrer Überarbeitung des weniger wichtigen Erwägungsgrunds 12 der Richtlinie bezieht sie sich aber dann doch wieder genau auf das vorher verschmähte "Gebiet der Technik". In der Brüsseler Sitzung selbst verteidigte McCarthy diesen Weg mit der Begründung, dass sie durch die Zurückstellung der Technikfrage die von Artikel 3 ausgehende Verwirrungsgefahr habe verringern wollen.

Einen Teil der wenigen an der Thematik interessierten Abgeordneten schien McCarthy damit überzeugen zu können. Der schottische Grüne Neil MacCormick zeigte sich von den vermeintlichen Abgrenzungen der Labour-Abgesandten zu den USA dagegen nicht überzeugt und forderte ähnlich wie der deutsche Unionspolitiker Joachim Würmeling Klarstellungen zu den technischen Anforderungen und eine bessere Unterscheidung zwischen Urheber- und Patentschutz im Softwarebereich. Gebhardt kündigte an, noch eine "Reihe von Änderungsanträgen" bis zum Ablauf der Frist für Stellungnahmen am 8. April einbringen zu wollen.

Scharfe Kritik an McCarthys vermeintlichem Vermittlungsvorstoß übt auch Hartmut Pilch vom Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII): "Bei dem Papier handelt es sich um rechtsdogmatischen Pfusch aus Sicht amerikanischer Vielpatentierer, der der europäischen Softwarebranche schweren Schaden zufügen würde", erklärte der Advokat der Eurolinux-Allianz.

Angesichts der großen Meinungsdifferenzen sieht Evelyne Gebhardt den ursprünglichen Fahrplan zur Verabschiedung der verbesserten Richtlinie nun außer Takt geraten. Ursprünglich war vorgesehen, im Rechtsausschuss Ende April über das McCarthy-Papier und die noch zu erwartenden Änderungsvorschläge abzustimmen. Mitte Mai sollte das Plenum des Parlaments dann sein Votum finden. "Das könnte sich verzögern", sagt Gebhardt. "Aber uns ist eine gute Entscheidung wichtiger als eine schnelle." (Stefan Krempl) / (jk)