Gnome 2.28: Vorbote einer neuen Ära

Mit Gnome 2.28 nimmt die Desktop-Umgebung für Linux und Unix Anlauf auf die für März 2010 geplante Version 3.0. Das jetzt erschienene Release setzt die Tradition der vielen Detailverbesserungen fort, an machen Ecken weht jedoch schon ein frischer Wind.

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Von
  • Alexandra Kleijn

Gnome 2.28 ist fertig. Das neue Release des Linux- und Unix-Desktops, wahrscheinlich die letzte Version der Zweier-Serie, wartet mit den üblichen Bugfixes und Verbesserungen bei den diversen Komponenten auf, gibt aber auch – allerdings in erster Linie unter der Haube – einen Vorgeschmack auf Gnome 3.0, das, wenn alles nach Plan läuft, im März 2010 fertig sein soll. Eine Reihe von inzwischen überholten Bibliotheken haben die Entwickler mit Gnome 2.28 zwar noch nicht aussortiert, aber schon als veraltet gekennzeichnet.

Suchen mit der neuen Gnome Shell unter Fedora 12 ("Rawhide")

Eine der offensichtlichsten Änderungen in Gnome 3.0, die Gnome Shell, ist in diesem Release bereits als Vorabversion erhalten. Sie wird ab dem kommenden Frühjahr für eine frische Optik von Gnome sorgen – die erste grundlegende Änderung an dem Desktop seit Jahren. Durch ihre aufgabenorientierte Funktionsweise soll sie ein organischeres und intuitiveres Arbeiten möglich machen.

Über das Dialogfenster Desktop-Effekte oder mit dem Aufruf gnome-shell --replace in einem Terminal-Fenster ersetzt die Gnome Shell den Standard-Window-Manager Metacity. Die bereits recht brauchbare Preview lässt die Möglichkeiten der Shell schon gut erahnen.

Kleine Verbesserungen, die der Bedienbarkeit zugute kommen, gibt es in Gnome 2.28 unter anderem bei IM-Client Empathy, dessen Kontaktliste die Entwickler überarbeitet haben. Auch ist nun möglich, mit Hilfe des Remote Desktop Viewers Vino Empathy-Kontakten den Zugriff auf den eigenen Desktop zu gestatten, praktisch zum Beispiel für Computerhilfe aus der Ferne. Durch ein neues Geolocation-Feature auf der Basis von Geoclue lässt sich für XMPP-Kontakte (Jabber und GoogleTalk) jetzt deren Aufenthaltsort anzeigen.

Die Gnome Shell mit mehreren virtuellen Desktops unter der Entwicklerversion von OpenSuse 11.2

Der Webbrowser Epiphany hat endlich den Umstieg von Gecko auf die Rendering-Engine WebKit geschafft. In Planung war der Austausch bereits seit Gnome 2.22. Benutzer von Bluetooth-fähigen Geräten dürften sich über das neue Bluetooth-Modul freuen. Zwei nette Features sind die Möglichkeit, ein Mobiltelefon per Bluetooth als Internet-Modem zu nutzen, und die Integration von PulseAudio für Headsets und Kopfhörer.

Das Time Tracker Applet, das in Gnome 2.24 Einzug hielt, kann Aufgaben jetzt auch farblich kennzeichnen und sorgt damit für einen besseren Überblick. Detailverbesserungen nennt das Gnome-Team auch beim Media Player und beim PDF-Betrachter Evince. Die Webcam-Anwendung Cheese beherrscht nun einen sogenannten Burst-Modus, in dem sich viele Bilder in (schneller) Abfolge schießen lassen. Speziell für den Einsatz auf Netbooks gibt es die neue Darstellungsoption Wide. Der Gnome Power Manager hat Unterstützung für Laptops mit mehr als einem Akku bekommen.

Ein Feature, das im Vorfeld für einige Unmut in der Community sorgte, haben die Entwickler jetzt umgesetzt. Die Menüs und Knöpfe zeigen in Gnome 2.28 in einigen Fällen keine Icons, sondern nur noch Text an. Der Gedankengang dahinter: eine einheitlichere und damit sauberere Oberfläche. Da es jedoch eine beachtliche Reihe von Ausnahmen gibt (unter anderem für Anwendungen, Geräte und Dateien oder Bookmarks), macht sich die Änderung in der Praxis nicht auf Anhieb bemerkbar.

Fortschritte gibt es auch im Bereich Usability, einem Thema, das bei Gnome seit jeher eine wichtige Rolle spielt. So wartet der Screenreader Orca mit vielen neuen Funktionen auf, darunter Support für Mouse-Over-Interaktionen und die Meldung von Rechtschreibfehlern beim Editieren von Texten. Die Sprach- und Braille-Generatoren haben die Entwickler für dieses Release komplett überarbeitet. So lassen sich jetzt in dem Sprachgenerator auch Klänge abspielen.

Zur Vorbereitung auf die nächste Version Gnome 2.30, die im März 2010, wenn nichts dazwischenkommt, als Gnome 3.0 erscheinen wird, haben die Entwickler begonnen, inzwischen veraltete Komponenten zum Rausschmiss vorzumerken. Das betrifft eine Reihe von Bibliotheken wie libart_lgpl, libbonobo, libbonoboui, libglade, libgnome, libgnomecanvas, libgnomeprint, libgnomeprintui, libgnomeui sowie libgnomevfs. Entwicklern von Gnome-Anwendungen, die nicht offiziell Bestandteil der Desktop-Umgebung sind, legt das Release-Team nahe, ebenfalls auf diese Altlasten zu verzichten. Der Abschnitt "What's New for Developers" in den Release Notes zu Gnome 2.28 legt genau dar, welche Komponenten betroffen sind.

Im Inneren von Gnome 2.28 steckt das GUI-Toolkit GTK+ in Version 2.18. Hier machen sich – für Entwickler – schon die ersten Anzeichen von GTK+ 3.0 bemerkbar, das allerdings noch in recht weiter Ferne steht. Die Netzwerkbibliothek GNIO ist in das GIO-API aufgegangen.

Gnome 2.28 wird Bestandteil der kommenden Versionen von Ubuntu, OpenSuse, Fedora, Mandriva und einer Reihe kleinerer Linux-Distributionen sein. Wer so lange nicht warten mag, greift entweder zum Werkzeug JHBuild und kompiliert das neue Gnome aus den SVN-Quelltexten oder – der einfachere Weg – wirft einen Blick auf Gnome 2.28 mit den diversen Live-Images, die das Projekt, auch für virtuelle Maschinen, in wenigen Tagen bereitstellen will. (akl)

Zu Gnome 3.0 siehe auch: (akl)