Neuer Anlauf und ein Flop für digitales Polizeifunksystem

Bund und Länder einigten sich über die Einführung des digitalen Polizeifunks in Deutschland; der Zoff um das entsprechende Projekt in Österreich könnte Vorentscheidungen für die Projektvergabe beinhalten.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
  • Thomas Jäkle

Bund und Länder haben sich gestern auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin über die Einführung eines flächendeckenden, bundesweit einheitlichen Standards für den digitalen Polizeifunk geeinigt. Es soll ein veraltetes analoges System ersetzen. Allerdings wollen die Länder das neue System nicht gleichzeitig einführen. Unter anderem wollen Hamburg, Nordrhein-Westfalen und der Bund schon jetzt anfangen, sagte Sprecherin Eva Henkel von der Hamburger Senatskanzlei gegenüber heise online.

Die Arbeitsgruppe BOS Digitalfunk, die von den Finanz- und Innenministerkonferenzen eingesetzt wurde, soll eine Ausschreibung auf den Weg bringen. Davor wollen sich Bund und Länder noch über die Finanzierung einigen. Die Länder forderten bislang vom Bund, die Hälfte der Kosten zu übernehmen. Der Bund wollte jedoch nur für Ausstattung des Bundesgrenzschutzes aufkommen, was nur 10 Prozent der Gesamtkosten ausmachen würde.

16 mögliche Anbieter, darunter die Deutsche Telekom, EADS Telecom, Vodafone, Motorola und Nokia stehen bereits in den Startlöchern. Fraglich ist jedoch, ob das System wie ursprünglich geplant zur Fußballweltmeisterschaft 2006 fertig ist. Der britische Mobilfunkanbieter Vodafone erklärte gestern jedenfalls, bis 2006 fertig sein zu können. Mit 2,3 Milliarden Euro bietet Vodafone das bislang günstigste System.

Auch die EADS Telecom rechnet sich gute Chancen aus, weil sie bereits zahlreiche Sicherheitsnetze für Behörden stellt, so rüstete sie jüngst die Ulmer Feuerwehr mit einem digitalen Sprech- und Datenfunknetz Tetrapol aus. Motorola kann mit seinem Tetra-System unter anderem ein Pilotprojekt in Aachen vorweisen.

Derweil entwickelt sich die Einführung des digitalen Behördenfunks in Österreich zum Flop, der Vorentscheidungen für die Einführung Technik in Deutschland mit sich bringen könnte: Noch bevor die Polizei, das Rote Kreuz oder der Zoll über Adonis im Echtbetrieb den ersten Funkspruch übermitteln konnten, ist das 310 Millionen Euro teure Projekt gestoppt. "Die Zusammenarbeit ist beendet", erklärte der österreichische Bundesinnenminister Ernst Strasser (ÖVP). Der Vertrag der Republik Österreich, vertreten durch das Innenministerium mit dem Betreiber Master-talk sei gekündigt. Wochenlange Streitereien haben Anfang Juni in einem Schlichtungsverfahren gemündet, weil der Probebetrieb und das Projektmanagement zuletzt gravierende Mängel offenbarten. Die Master-talk Gesellschafter Siemens, Wiener Stadtwerke, Raiffeisen sowie der Energieversorger Verbund hatten bisher rund 100 Millionen Euro investiert.

Die Unstimmigkeiten der beiden Parteien waren eskaliert, weil Master-talk nach Ansicht des BMI im Zeitplan und was die technische Ausstattung anbetrifft, säumig sei. Das BMI wollte ursprünglich 24.500 Funkgeräte bestellen. Zudem war damit gerechnet worden, dass Rettungsorganisationen und Feuerwehren Master-talk weitere 55.000 Geräte abnehmen. Dadurch hätten sich die Kosten für das Ministerium pro Gerät und Jahr mit knapp 1000 Euro niedergeschlagen. Da vorerst keine Hilfsorganisationen einstiegen, müsste das BMI derzeit 3276 Euro pro Gerät bezahlen. Ein zu hoher Preis, heißt es im Ministerium.

Master-talk-Chef Hansjörg Tengg spricht hingegen von einer "1000-Euro-Lüge" des Ministers. Man hätte im Innenministerium zu jeder Zeit gewusst, dass dieser Betrag nicht ausreiche. Außerdem wollte das Innenministerium zusätzliche Leistungen geliefert haben, die nicht Gegenstand des Vertrags sind. Motorola, das aus den technischen Problemen Profit schlagen will, hatte Ende März dem BMI ein Angebot in Höhe von durchschnittlich 820 Euro unterbreitet. Der deutsche Rüstungskonzern EADS hatte zuletzt ebenso Interesse als Ausrüster gezeigt. Höchste Brisanz hat das Projekt für Siemens, das über Adonis seine Kompetenz im Tetrafunk beweisen will, Siemens hatte deshalb zu dem Schlichtungsverfahren zuletzt sogar den Chef der Handy-und Netzwerksparte, der für den Bereich Zentral- und Osteuropa zuständig ist, an Master-talk abgestellt. Siemens-Österreich-Chef Albert Hochleitner hatte noch am Donnerstagvormittag in einem Vier-Augen-Gespräch mit Strasser einen letzten Versuch unternommen, um das Projekt doch noch zu retten.

Strasser habe das Projekt zu Fall gebracht, weil er für Adonis nicht genügend Geld budgetiert hatte, meint Hochleitner nun. Die Empfindlichkeit des Managers ist leicht verständlich, sollte Adonis doch für Siemens vor allem Vorzeigebeispiel für das nun beschlossene deutsche Behördenfunknetz sein. (Christiane Schulzki-Haddouti, Thomas Jäkle) / (jk)