Vergessene Welt

Verschrien oder vergessen: Die Common Business Oriented Language gilt für viele ITler als ausgestorbene Programmiersprache – obwohl damit geschriebene Software nach wie vor Prozesse in der Wirtschaft steuert.

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Von
  • Nikolai Zotow
Inhaltsverzeichnis

Ein Jubiläum steht ins Haus: Cobol wird 50. Jüngeren nicht mehr vertraut, war sie lange Jahre eine der wichtigen Programmiersprachen in der Informationstechnik. Sie ist heute noch Gegenstand vieler Lehrveranstaltungen an Hochschulen, unter anderem an der Fernuniversität Hagen [a].

Die Common Business Oriented Language (Cobol) entstand, um plattformunabhängig eine Basis zur Entwicklung betriebswirtschaftlicher Anwendungen zu bieten. Obwohl nicht direkt an der Entwicklung beteiligt, gilt Grace Brewster Murray Hopper [b] als die „Großmutter“ von Cobol, denn sie hat die Entwicklung maßgeblich beeinflusst.

Im April 1959 fanden sich führende Informatiker zu einer Konferenz zusammen, um die Schaffung einer Sprache für wirtschaftliche Anwendungen zu beschließen. Die damals bereits existierende Programmiersprache Fortran (Formular Translator) war für den Bereich wenig geeignet. Zusammen mit ihrem Team wandte sich Grace Hopper an das Pentagon. Es entsprach ihrem Wunsch und rief das CODASYL ein, eine Konferenz für Datensystemsprachen (COnference on DAta SYstem Languages). Sie legte Grundsätzliches und den Namen Cobol für die neue Sprache fest. Im Jahr 1960, ein Jahr später, verabschiedete CODASYL die Spezifikationen für Cobol-60.

Einer der Entwickler der Programmiersprache kam direkt aus Grace Hoppers Team. Wenn man sie hinzuzählt, waren immerhin drei Frauen an der Schaffung von Cobol beteiligt – außergewöhnlich für die damalige Zeit, wenn nicht gar für die heutige. Bei den anderen beiden handelte es sich um Gertrude Tierney von IBM sowie Jean E. Sammet von Sylvania Electric Products, einem Hersteller von Leuchtmitteln und Vakuumröhren, Halbleitern und Mainframes.

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Cobol besitzt in seiner Grundstruktur viele über andere Programmiersprachen hinausgehende Formalismen. Jedes Cobol-Programm ist in vier Abschnitte gegliedert: Der erste ist die „Identification Division“ und dient der Identifizierung des Programmes sowie seines Autors und enthält Informationen darüber, wann es geschrieben und kompiliert wurde. Im zweiten Bereich, in der „Environment Division“, definiert der Programmierer, auf welche externen Ressourcen, beispielsweise Datenträger und Datenbanken, das Programm zugreifen soll. Die in der Routine definierten Variablen, Felder und Matrizen stehen ausschließlich in der „Data Division“. Das eigentliche Programm steht in der „Procedure Division“, unterteilt in Sektionen, Paragraphen, Sätzen und die eigentlichen Anweisungen. Die vier Divisionen sind streng voneinander getrennt.

Cobol entstand in einer Zeit, in der die Rechner Programme und Daten per Lochkarten eingelesen haben. Andere Eingabemethoden standen anfangs kaum zur Verfügung. Deshalb unterlag Cobol bis 2002 einer strikteren Schreibweise als andere Sprachen. Eine typische Programmzeile besteht aus 80 Zeichen, was einst der „Länge“ einer Lochkarte entsprach und deshalb später der maximal darstellbaren Zeichenzahl auf den ersten Terminals. Den ersten sechs Spalten bleibt die Zeilennummerierung vorbehalten. Im „A-Bereich“ (Spalte 8 bis 11) dürfen Überschriften und Stufenbezeichnungen beginnen. Die Kodierung selbst beginnt erst ab dem zwölften Zeichen einer Zeile.

Für Cobol-Programme gab es spezielle Kodierformulare, auf denen die Entwicklungsabteilung die Anwendungen vor der eigentlichen Eingabe in das System mit Bleistift vorformulieren musste. Die zeilenorientierte Festlegung ist ein großer Unterschied zu anderen Sprachen wie C, in der man alle Befehle hintereinander schreiben kann. Wie bei anderen prozeduralen Sprachen gibt es den GOTO-Befehl, der ein Hin- und Herspringen im Code erlaubt, was bei intensivem Gebrauch zu einem nicht mehr nachvollziehbaren Programmablauf führen kann.

Das Fossil unter den Programmiersprachen hat immer noch seine Existenzberechtigung. Gerade wegen seiner Verbreitung in Wirtschaft und Verwaltung gibt es bis heute aktive Cobol-Programme. Einerseits ist es zu teuer und riskant, gewachsene IT-Anwendungen auf einen Schlag auf eine andere Programmiersprache umzustellen, andererseits sind ältere Routinen manchmal derart mangelhaft dokumentiert, dass es kaum eine Chance zur Portierung gibt. Zudem hätten solche Maßnahmen weitreichende Konsequenzen für den reibungslosen Betrieb in Unternehmen.

Cobol hat sich weiterentwickelt: War im vorigen Jahrtausend der Standard COBOL-85 gültig, kam es 2002 zu einer weitreichende Aktualisierung. Ende 2007 kam OpenCobol hinzu. In dem kostenlosen Compiler finden sich Funktionen von COBOL-85, COBOL-2002, teilweise auch Varianten von IBM oder Microfocus und spezielle Intrinsics [c]. Ein weiterer Vertreter, Tiny Cobol, basiert auf COBOL-85. Im kommerziellen Bereich sind nach wie vor Softwareanbieter aktiv. Hierzu zählen die Compiler von Microfocus sowie die auf die jeweiligen proprietären Systeme zugeschnittenen Compiler von IBM, Unisys, Siemens, FTS, HP, Bull und anderen – alles Firmen, die teilweise heute noch Mainframes herstellen oder pflegen.

arbeitet als Freelancer in München und nimmt für iX Korrespondentenaufgaben wahr.

[1] Kersten Auel; Jubiläum; Der Admiralin; Zum 100. Geburtstag von Grace Hopper

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