BGH: Auch unvorteilhafte Fotomontagen zulässig

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshof überwiegt das Recht auf freie Meinungsäußerung das Recht des Betroffenen an einer vorteilhaften Darstellung seiner Person.

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Von
  • Joerg Heidrich

Eine Fotomontage, die das Gesicht der abgebildeten Person in einer unvorteilhaften Pose erscheinen lässt, ist als eine in satirische Darstellung gekleidete Meinungsäußerung gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes von dem Betroffenen hinzunehmen. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 30. September 2003 (Az VI ZR 89/02). Die Karlsruher Richter hoben die Vorentscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg auf und wiesen die Klage insgesamt ab.

Das Magazin Wirtschaftswoche hatte den Kläger des Verfahrens -- seinerzeit noch Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG -- auf einem von Rissen durchzogenen, bröckelnden "T" sitzend dargestellt. Dabei wurde der Kopf des Klägers auf einen fremden Körper montiert. Der Betroffene sah hierin einen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, da die Montage ihn seiner Ansicht nach in unvorteilhafter Art und Weise darstelle. Das Bild zeige ihn mit insgesamt länger erscheinendem Gesicht, die Wangen wären "fleischiger und breiter", der Kinnbereich fülliger, der Hals "kürzer und dicker" und die Hautfarbe blasser.

Die beiden Gerichte der Vorinstanz sahen in der Veröffentlichung der Montage durch die Wirtschaftwoche einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und gaben der Klage statt. Dieser Argumentation folgte der BGH jedoch nicht. Die Richter führten vielmehr aus, dass auch für den Fall einer möglicherweise unvorteilhaften Darstellung der abgebildeten Person deren Rechte gegenüber dem öffentlichen Interesse und der Meinungsfreiheit zurückstehen müssten. Es sei bereits zweifelhaft, ob eine geringfügige Veränderung des Gesichts des Klägers diesen überhaupt in seinen Rechten verletze. Ohnehin dürfe eine Fotomontage wie eine Wortsatire nicht in Einzelteile zerlegt werden sondern müsse im Gesamtzusammenhang bewertet werden. Eine derart "sezierende Betrachtungsweise" würde den Gestaltungsspielraum des Äußernden in grundrechtswidriger Weise verengen.

Rechtsanwalt Roger Mann, Vertreter der Beklagten, zeigte sich gegenüber heise online mit dem Urteil sehr zufrieden. Dieses sei insbesondere deshalb erfreulich, weil bei einem Bestand des Urteils des OLG Hamburg die Verwendung von Fotomontagen insbesondere durch die Presse mit einem unkalkulierbaren Risiko verbunden gewesen wäre. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs schaffe damit bei Fotomontagen, die insgesamt als solche erkennbar seien, erfreuliche Klarheit. Dem Urteil käme damit Grundsatzcharakter zu, so Mann. (Joerg Heidrich) / (anw)