Recht auf analog? 3,4 Millionen Deutsche sind noch immer offline

Knapp 6 Prozent der Bundesbürger im Alter zwischen 16 und 74 Jahren haben das Internet noch nie genutzt. Mit "Digital First" bei Behörden wird es für sie eng.

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(Bild: Pixelvario/Shutterstock.com)

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Der harte Kern der Offliner liegt aktuell in Deutschland bei rund 6 Prozent der 16- bis 74-Jährigen. Dies hat das Statistische Bundesamt am Dienstag unter Verweis auf eine Erhebung zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in privaten Haushalten im vorigen Jahr mitgeteilt. Demnach waren 2022 knapp 3,4 Millionen Bundesbürger noch nie im Internet. Am größten war der Anteil der Nonliner in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen mit 17 Prozent. Unter den 45- bis 64-Jährigen haben 5 Prozent das Internet noch nie genutzt. Bei den unter 45-Jährigen gab es noch 2 Prozent Offliner.

Die Zahlen decken sich in etwa mit den Ergebnissen des aktuellen Digital-Index der Initiative D21, wonach die Internetnutzung 2022 bei 93 Prozent lag – gegenüber 91 Prozent im Vorjahr. 44 Prozent der Bundesbürger sprachen sich bei dieser Umfrage zwingend für analoge Alternativen neben digitalen Angeboten aus. 20 Prozent monierten, es werde zu viel digitalisiert. Oft entscheiden sich Bürger laut dem E-Government-Monitor bewusst für den Offline-Weg, obwohl ihnen die Online-Alternative bekannt ist. Dies liege vor allem daran, dass "die Zufriedenheit mit der Bedienbarkeit vergleichsweise verhalten ausfällt" oder die digitalen Dienste nicht bekannt oder nicht medienbruchfrei durchführbar seien.

In der Regel lautet die Kritik freilich, dass es vor allem bei der Verwaltung zu wenig Fortschritte bei der Digitalisierung gibt. Eigentlich sollten mit dem 2017 verabschiedeten Online-Zugangsgesetz (OZG) 575 Leistungsbündel rund ums E-Government bis Ende 2022 flächendeckend online bereitgestellt werden. Daraus wurden letztlich nur 33. Die Bundesregierung arbeitet daher an einem OZG 2.0, während die Länder und die Wirtschaft Druck machen. Doch der verbleibende Anteil an Internetverweigerern wirft auch die Frage auf, welche Dienstleistungen diesen künftig noch offenstehen. Das Statistikamt schreibt dazu: "Ob digitales Deutschlandticket, Terminbuchungen oder Überweisungen – viele Dienstleistungen werden (fast) nur noch online angeboten. Für Menschen ohne Internet wird der Alltag zunehmend schwieriger zu bewältigen."

"Wie halte ich Kontakt zu Behörden und Ämter, wenn sich nur noch digital mit ihnen kommunizieren lässt, ich aber nicht im Internet unterwegs bin?", will Peter Neher, Präsident des Caritasverbandes, wissen. "Das ist gerade für Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, eine drängende Frage." Jonas Botta, Referent am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer, erläuterte dazu jüngst gegenüber dem Fachportal Kommune 21: "Ein 'Recht auf analog' schwindet in dem Maße, wie die Verbreitung von IT-Kompetenz und technischem Zugang zunimmt." Es gebe nur noch eine kleine Minderheit in Deutschland, die nicht teilhaben könne. Bayern gehe daher schon von der Vorrangigkeit des Internets aus, handele nach dem Prinzip "Digital First". Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz und das Rechtsstaatsprinzip verpflichteten den Staat aber dazu, auch digital abgehängten Bürgern effektive Verwaltungszugänge zu ermöglichen – etwa durch digitale Service-Terminals in Bürgerämtern.

In den EU-Staaten gibt es nach wie vor deutliche Unterschiede beim Online-Zugang: In den skandinavischen Staaten, Luxemburg, den Niederlanden, Belgien und Irland haben jeweils weniger als 4 Prozent der 16- bis 74-Jährigen noch nie das Internet genutzt. Die höchsten Anteile verzeichnen Griechenland und Portugal (jeweils 14 Prozent) sowie Kroatien und Bulgarien (je 13 Prozent). Im EU-Durchschnitt lag der Anteil der Offliner laut Eurostat 2022 bei 7 Prozent, also nur ein klein wenig höher als in Deutschland. Laut Schätzungen der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) waren im vorigen Jahr rund 34 Prozent der Weltbevölkerung offline. Das entspricht 2,7 Milliarden Menschen weltweit.

(mki)