Gesundheitsdatenraum: "EHDS-Infrastruktur muss sich Vertrauen erst verdienen"

Für Patientenrechte beim Europäischen Gesundheitsdatenraum treten Datenschutzorganisationen und Berufsverbände ein. Aktuell berät das EU-Parlament.

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Eine Frauenhand greift nach einem im Raum schwebenden Gebilde aus leuchtenden Linien und Punkten, das ein menschliches Gehirn darstellt

(Bild: Shutterstock)

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Der Vorschlag für einen europäischen Gesundheitsdatenraum wird aktuell im EU-Parlament diskutiert. In einem offenen Brief fordern Organisationen, die Patienten, Arbeitnehmer, medizinisches Fachpersonal und Menschen mit Behinderungen vertreten, die Mitglieder des EU-Parlaments zur Wahrung der Patientenrechte auf. Der derzeitige Vorschlag zur eHealth-Verordnung sieht nicht vor, dass Patienten der Weitergabe bestimmter Daten widersprechen können. Ebenso erfahren sie nicht, wer die Daten nutzt. Unter anderem Datenschützer und Juristen haben diese heimliche Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten heftig kritisiert.

Primärnutzung und Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten

Bei der Primärnutzung geht es darum, dass etwa eine Klinik einer anderen Klinik für die Behandlung die Patientendaten mit Klarnamen zur Verfügung stellt. Dafür müssen die Daten, Formate und Anwendungen standardisiert werden. Zu den Datenkategorien gehören zum Beispiel elektronische Patientenakten, bildgebendes Material, Laborbefunde oder Verschreibungen.

In der Sekundärnutzung geht es um Daten, die dem öffentlichen Gesundheitsdienst nützen, um die Entwicklung von Medizinprodukten und Gesundheitsdienstleistungen. Geliefert werden diese Daten von Kliniken, Forschungseinrichtungen, Medizinprodukte-Herstellern und allen, die Gesundheitsdaten im großen Stil sammeln. Diese sollen gesetzlich dazu verpflichtet werden, ein Register ihrer Datensätze zu erstellen und dieses den geplanten nationalen Zugangsstellen für Gesundheitsdaten zur Verfügung zu stellen.

Die derzeit geplante "Opt-out"-Regelung ist für die Unterzeichner keine angemessene Alternative. "Wenn es beim European Health Data Space wirklich darum geht, den Menschen die Kontrolle über ihre medizinischen Daten zu geben und Vertrauen in Europas neue digitale Gesundheitsinfrastruktur aufzubauen", müsse diese neue digitale Infrastruktur sich das Vertrauen erst verdienen. Darum fordern die Verfasser des offenen Briefs (PDF) eine Opt-in-Möglichkeit für die Weitergabe der Daten.

Auszug aus dem offenen Brief, in dem unter anderem die Zustimmung für die Weitergabe der Daten bei der Sekundärnutzung gefordert wird

Zwar behaupte der EHDS-Vorschlag, Einzelpersonen mehr Kontrolle über ihre Daten zu geben, allerdings bewirke er genau das Gegenteil. Demnach hätten Patienten bei der Sekundärnutzung der Daten kein Mitspracherecht. Der aktuelle Vorschlag zwinge Ärzte und Krankenhäuser dazu, sich über das Arzt-Patientengeheimnis hinwegzusetzen und "sensible medizinische Informationen" an staatliche Einrichtungen, die Daten verarbeiten, aber auch an Unternehmen der Medizinbranche weiterzugeben. Unterzeichnet haben den Brief unter anderem der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, die freie Ärzteschaft und die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi).

Das Ziel des EHDS, die digitalen Gesundheitssysteme interoperabel und modern zu gestalten, unterstützen die Unterzeichner. Allerdings schütze der "Vorschlag der Europäischen Kommission die Patienten leider nicht, wenn es um die Weitergabe und Nutzung ihrer persönlichen medizinischen Daten durch Dritte geht". Der Vorschlag für den EHDS setze das "seit langem etablierte Prinzip der ärztlichen Patientenvertraulichkeit außer Kraft". Damit werde die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) untergraben, wie bereits Datenschützer und Juristen mehrfach kritisiert haben. Bei der Erhebung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten ist laut DSGVO die Zustimmung der betroffenen Person erforderlich.

"Der Europäische Gesundheitsdatenraum darf nicht die ärztliche Schweigepflicht gefährden", sagte Dr. Hofmeister, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der die Opt-in-Option ebenfalls befürwortet. Nach seiner Einschätzung sind neben Fragen zur konkreten technischen Umsetzung – die möglicherweise mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist – noch weitere Fragen offen, etwa wie die Daten interoperabel werden. Die Daten solle je gerade auch in anderen Ländern gelesen werden können.

Die Datensicherheit müsse ebenfalls sichergestellt werden. Er sprach sich daher dafür aus, Daten nur mit Erlaubnis der Patienten an weitere Institutionen weiterzugegeben. Ebenso sei wichtig, dass unbefugte Dritte keinen Zugriff erhalten. "Wenn aber jetzt von 80 Millionen Bundesbürgern digital die Daten irgendwo liegen, dann ist das ein solcher Datenschatz, dass es vermutlich Interessen Dritter geben wird, auf diese Daten zuzugreifen", sagt Hofmeister. Er sieht es als unmöglich an, diese Daten angemessen zu sichern.

Bezüglich der Sekundärnutzung der Patientendaten sind in den vergangenen Wochen viele Änderungsanträge eingegangen. Insgesamt will das EU-Parlament die Patientenrechte, insbesondere in Hinblick auf deren Mitsprache, bei der Sekundärnutzung stärken. So könnten die Patienten künftig den Zugang zu allen oder zu Teilen ihrer personenbezogenen Daten für einen Teil der Sekundärnutzung einschränken. Dazu gehört auch, dass das Opt-Out-Verfahren leicht verständlich sein soll.

(mack)