Bundesnachrichtendienst: Kontrollrat winkt fast alle Überwachungsersuchen durch

Der neue Unabhängige Kontrollrat für den BND hat laut einem Bericht bislang erst einen von 121 Überwachungsanträgen beanstandet. Die Spione beklagen Mehrarbeit.

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(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)

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Der Anfang 2022 eingerichtete Unabhängige Kontrollrat (UKR) für den Bundesnachrichtendienst (BND), der Anordnungen der Spitze des Auslandsgeheimdienstes für Maßnahmen zur Überwachung vorab prüfen muss, hat nach WDR-Informationen einen ersten schriftlichen Bericht an das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestags übermittelt. Demnach soll das in seinen Kammern vor allem mit Richtern des Bundesgerichtshofs beziehungsweise des Bundesverwaltungsgerichts besetzte Gremium bislang nur einen von 121 Überwachungsanträgen beanstandet und so fast alle Ersuchen genehmigt haben.

Der Bundestag beschloss 2021 eine Reform des BND-Gesetzes, mit der die Spione eine breite Befugnis zum Hacken ausländischer Vermittlungsanlagen, Telekommunikationsinfrastruktur und IT-Systemen von Providern erhielten. Der BND darf demnach auch offiziell in Computer und Handys von Ausländern im Ausland mit technischen Mitteln wie dem Bundestrojaner eindringen und heimliche Online-Durchsuchungen durchführen. Zu den vom UKR begutachteten Fällen gehörten dem WDR-Bericht zufolge auch solche Hacking-Operationen, bei denen die Agenten in Chats über Messenger und andere Online-Kommunikation eindringe. Eingeschlossen gewesen seien ferner etwa Anträge zum klassischen Abhören von Telefonaten und Funksprüche oder zum Mitlesen von E-Mails.

54 Prozent der BND-Maßnahmen aus dem vergangenen Jahr sollen die seit Jahren umstrittene verdachtsunabhängige Massenüberwachung in Form der strategischen Fernmeldeaufklärung betreffen. Das Bundesverfassungsgericht hatte den dafür von dem Geheimdienst verwendeten Datenstaubsauger für verfassungswidrig erklärt. Der Bundestag hielt das Instrument aber prinzipiell für unverzichtbar. Nach wie vor dürfen die Spione so abgezogene Netzkommunikation anhand von Selektoren durchsuchen, obwohl die Ergebnisse trotz tausender eingesetzter Suchbegriffe oft mau sind.

Der UKR kann in Folge des Karlsruher Urteils nun aber unter anderem die ausgewählten Selektoren einsehen, um einen zweiten Gau wie nach dem ungeprüften Einsatz von NSA-Suchbegriffen zu verhindern. Der BND habe sich hier jederzeit kooperativ gezeigt, sollen die Kontrolleure laut dem WDR auf rund 60 Seiten schreiben. Der Geheimdienst habe umfangreich Zugang gewährt, und zwar zu Unterlagen, Daten und Technik. Auch die Selektoren ausländischer Partnerdienste, mit denen der BND die weltweite Kommunikation durchsucht, konnten die Prüfer offenbar einsehen. Insbesondere bei der Abteilung für die Technische Aufklärung, die in Pullach verblieben ist, sei der Frust über die zusätzliche Mehrarbeit bei der Beantragung von Überwachungsaktionen mit teils seitenlangen Begründungen aber groß.

40 Prozent der Spähersuchen sollen Einzelpersonen betroffen haben, die gezielt überwacht wurden. Die übrigen sechs Prozent seien "qualifizierte Aufklärungsmaßnahmen" gewesen sein, also besonders aufwendige Operationen etwa mithilfe von Staatstrojanern auf Computern oder Mobiltelefonen. Die einzige Beanstandung habe sich auf eine Überwachungsanordnung für eine "juristische Person" in Deutschland bezogen, also eine Firma, deren Verbindungen ins Ausland ausspioniert werden sollten. Dies sei nach Ansicht des Rats nicht vom BND-Gesetz gedeckt gewesen. Daher hätten für die beantragten Spähaktionen einzelne Zielpersonen benannt werden müssen.

(axk)