Zerrissene Stasi-Akten: IT-Rekonstruktion laut Rechnungshof völlig gescheitert

Sogar händisch sind deutlich mehr Stasi-Dokumente rekonstruiert worden, als mit IT-Hilfe. Trotzdem gebe es keine Neuausrichtung, kritisiert der Rechnungshof.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 66 Kommentare lesen

Zerissene Stasi-Unterlagen

(Bild: BArch)

Lesezeit: 3 Min.

Das Projekt zur virtuellen Rekonstruktion zerstörter Stasi-Akten ist dem Bundesrechnungshof zufolge "vollständig gescheitert". Sogar die zeitaufwendige Rekonstruktion der Papierschnipsel per Hand sei schneller als das IT-Verfahren, schreibt die Bundesbehörde in einem aktuellen Bericht. Demnach wurden seit Beginn der Arbeiten 1995 die Papierstücke aus 500 von insgesamt 16.000 Säcken manuell zusammengesetzt – 3,1 Prozent des Gesamtbestands. Mit dem 2007 begonnenen IT-Verfahren seien dagegen lediglich 23 Säcke erfolgreich bearbeitet worden, also 0,1 Prozent des Bestands – bei Gesamtkosten von 17 Millionen Euro allein dafür. Insgesamt würde es bei dem aktuellen Tempo noch 847 Jahre dauern, alle Dokument wieder herzustellen, schreibt das Finanzkontrollorgan.

Bei den Rekonstruktionsbemühungen geht es um Stasi-Unterlagen, die im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) im Herbst 1989 zerrissen wurden, bis Bürgerrechtler dem Einhalt gebieten konnten. Fünf Jahre nach der Wiedervereinigung war dann damit begonnen worden, die Schnipsel händisch wieder zusammenzusetzen, um den Betroffenen die Dokumente der DDR-Geheimpolizei zugänglich zu machen. Das zeitraubende Vorgehen sollte dann nach der Jahrtausendwende mit IT beschleunigt werden. Das hat aber überhaupt nicht funktioniert und seit 2014 werden laut Bundesrechnungshof keine Dokumente mehr eingescannt. Seitdem laufen demnach nur noch wenig ergiebige Verhandlungen über eine Neuausrichtung des Projekts.

Die Papierschnipsel lagen bis 2021 in der Verantwortung des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Inzwischen wurden die Bestände in das Bundesarchiv überführt, die Wiederherstellung der Dokumente ist dessen gesetzliche Aufgabe. Während sie aber seit fast zehn Jahren nicht vorankommt, sieht die dafür zuständige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien das Projekt der virtuellen Rekonstruktion nicht als gescheitert an. Lediglich das Pilotprojekt sei "zu einem negativen Ergebnis gekommen", ein immanentes Risiko bei Forschungsaufträgen. Seit 2017 wolle man erreichen, dass das beauftragte Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik die Scan-Technik und die Puzzle-Software anpassen. Weil es darauf nicht eingehe, sollen die Verträge nun gekündigt werden. Danach soll die virtuelle Wiederherstellung neu angegangen werden.

Der Bundesrechnungshof ist von der Stellungnahme der Bundesregierung nicht überzeugt und weist darauf hin, dass man nicht 10 Jahre lang annehmen könne, dass es kein alternatives Verfahren gebe, ohne das zu prüfen. Spätestens 2013 habe man das Forschungsprojekt evaluieren und gegebenenfalls beenden müssen. Moniert werden nicht nur die Ausgaben in Höhe von 17 Millionen Euro, für die es im Gegenzug quasi nichts gegeben hat. Die Behörde weist darauf hin, dass es nicht nur darum gehe, einem gesetzlichen Auftrag nachzukommen, sondern auch darum, "dass die Auskunftsberechtigten die Unterlagen noch zu Lebzeiten einsehen können".

(mho)