Illegaler Staatstrojaner-Export: Staatsanwaltschaft klagt FinFisher-Manager an

Nach dreieinhalbjährigen Ermittlungen sieht es die Staatsanwaltschaft als erwiesen an, dass FinFisher rechtswidrig Spähsoftware an die Türkei ausgeführt hat.

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(Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

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Die Staatsanwaltschaft München I hat Anfang Mai Anklage gegen vier Manager des insolventen Unternehmens FinFisher alias Gamma Group erhoben, wie sie am Montag mitteilte. Die Strafverfolgungsbehörde sieht es nach gut dreieinhalbjährigen Ermittlungen zusammen mit dem Zollkriminalamt als erwiesen an, dass die Münchner Firma vorsätzlich illegal Spionagesoftware an die türkische Regierung ausgeführt hat. Schon 2018 hatte es Medienberichte gegeben, wonach türkische Oppositionelle zuvor offenbar mit Trojanern deutschen Ursprungs ausgespäht worden waren. Dabei soll die als FinSpy beziehungsweise FinFisher bekannte Spyware der Münchner genutzt worden sein.

Die EU habe mit der bereits mehrfach verschärften "Dual-Use-Verordnung" die Ausfuhr von Überwachungstechnologien der Genehmigungspflichtigkeit unterstellt, schreibt die Staatsanwaltschaft. Dies habe für die FinFisher-Gruppe "eine existenzielle Gefährdung" bedeutet. Durch eine global verzweigte Firmenstruktur wollte sie daher den Anklägern zufolge den Anschein erwecken, "dass auch nach Inkrafttreten der gesetzlichen Beschränkungen zum 01.01.2015 der Vertrieb der Überwachungssoftware in Ländern außerhalb der EU rechtskonform fortgeführt werde". Tatsächlich seien alle geschäftlichen Aktivitäten der verschiedenen Firmen "fortwährend von München aus gesteuert, geleitet und koordiniert" worden.

Auslöser der Ermittlungen war eine Strafanzeige von Juli 2019, die das Portal Netzpolitik.org gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), Reporter ohne Grenzen und dem European Center for Constitutional and Human Rights stellte. Informatiker der zivilgesellschaftlichen Organisation Access Now fanden zuvor anhand forensischer Analysen des gegen die türkische Protestbewegung eingesetzten Spähprogramms und Vergleichen mit älteren bekannten Versionen von FinSpy heraus, dass es sich "aufgrund eklatanter Ähnlichkeiten im Quellcode und in den Metadaten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" um ein FinFisher-Produkt handeln müsse.

Mit FinSpy sei es möglich gewesen, "die volle Kontrolle über PCs und Smartphones zu erlangen und dabei auch die laufende Kommunikation zu überwachen", erklären die Münchner Strafverfolger. Nach den Exporten sei es "ab dem 01.03.2015 zu drei Tathandlungen durch die jeweilige Übermittlung eines Links für den Download an den türkischen Geheimdienst MIT" gekommen. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens und über einen möglichen Termin der Verhandlung muss nun die zuständige Große Strafkammer des Landgerichtes München I entscheiden. Den zuständigen Mitarbeitern droht bei Verurteilung eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. FinFisher war im Herbst 2019 zunächst wegen "Verdachtsberichterstattung" gegen Netzpolitik.org mit einer Abmahnung vorgegangen.

(olb)