Bundesregierung will mehr Videoverhandlungen vor Gerichten

Zivil- und Fachgerichte sollen Videoverhandlungen künftig anordnen können. Auslagenpauschalen für den Einsatz der Technik, die oft noch fehlt, sollen entfallen.

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(Bild: Zolnierek/Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung will Erfahrungen, die das Justizwesen während der Coronapandemie gemacht hat, verstetigen und ausbauen. Das Bundeskabinett hat dazu am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivil- und den Fachgerichtsbarkeiten auf den Weg gebracht. Gerichtsvorsitzende sollen eine Videoverhandlung demnach nicht mehr nur gestatten, sondern gegenüber den Verfahrensbeteiligten auch anordnen können. Die Betroffenen könnten innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen Einspruch einlegen. So soll sichergestellt werden, dass niemand gegen seinen Willen in eine Bild- und Tonübertragung gezwungen wird.

Paragraf 128a der Zivilprozessordnung (ZPO) soll dem Gesetzesvorschlag zufolge so aktualisiert werden, dass das Gericht eine Videoverhandlung in der Regel anordnet, wenn alle an dem Verfahren beteiligten Rechtsanwälte das beantragen. Lehnt das Gericht diese Vorgehensweise ab, muss es dies begründen. Die bisher für die Nutzung von Videokonferenztechnik nach den Gerichtskostengesetzen zu erhebende Auslagenpauschale soll zudem entfallen. Die Vorgaben zur Beweisaufnahme will die Regierung ebenfalls erweitern: Künftig soll auch eine Inaugenscheinnahme per Video möglich sein und der Einsatz der Technik durch das Gericht angeordnet werden können.

Die Dokumentationsmöglichkeiten will das Kabinett modernisieren. Neben der bereits zulässigen Tonaufzeichnung soll fürs vorläufige Protokoll eine Bild-Ton-Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme zulässig werden. Vorgesehen ist ferner eine "virtuelle Rechtsantragsstelle", um den Zugang zur Justiz zu vereinfachen: Anträge und Erklärungen rechtssuchender Bürger zu Protokoll der Geschäftsstelle sollen zukünftig auch per Video abgegeben werden können. Dies betrifft etwa Anträge auf Prozesskosten- oder Beratungshilfe sowie die Klageerhebung beim Amtsgericht. Eine Vermögensauskunft soll künftig ebenfalls virtuell möglich sein.

Die neuen Vorschriften kommen dem Plan nach, der noch Bundesrat und Bundestag passieren muss, grundsätzlich auch bei Verwaltungs- und Finanzgerichten zur Anwendung. Die Vorgaben der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit über Videoverhandlungen bleiben dagegen weitgehend unverändert. Bundesländer sollen zudem sogenannte vollvirtuelle Videoverhandlungen in der Zivilgerichtsbarkeit erproben können, bei denen sich auch die Teilnehmer des Gerichts nicht im Sitzungssaal aufhalten. Generell würde sich der Gestaltungsspielraum bei Planung, Anordnung und Durchführung von Terminen per Bild - und Tonübertragung deutlich vergrößern.

"Videokonferenzen sind in vielen Bereichen unseres Alltages eine Selbstverständlichkeit", begründete Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) das Vorhaben. "Die Justiz darf dabei keine Ausnahme sein", müsse "digitaler und moderner" werden. Verhandlungen ließen sich künftig einfacher in den Alltag einbauen. Rechtsstaatlichen Verfahren sollten der Lebenswirklichkeit der Bürger entsprechen. Die Neue Richtervereinigung begrüßte den vorausgegangenen Referentenentwurf Buschmanns prinzipiell. Sie gab aber zu bedenken, dass zunächst "die technischen Voraussetzungen in den Ländern geschaffen" werden müssten. Schon aktuell bestünden häufig Engpässe. Auch ein "zügiger Support" sei unerlässlich, "der derzeit vielerorts nicht zur Verfügung steht". Der Deutsche Richterbund mahnte, nicht "ohne Not seit Langem bewährte Grundprinzipien des Zivilprozesses und der anderen Verfahrensordnungen über Bord" zu werfen.

(mki)