MSG Sphere: Die Technik der neuen LED-Leuchtkugel in Las Vegas

Auf der Außenhülle des 2,3 Milliarden US-Dollar teuren Veranstaltungszentrums projizieren 57,6 Millionen Leuchtdioden Videoanimationen in den Wüstenhimmel.

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(Bild: Sphere Entertainment)

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Inhaltsverzeichnis

Auch wenn es in Las Vegas schon lange an allen Ecken und Enden leuchtet und blinkt, dürfte das neue Veranstaltungszentrum MSG Sphere die Skyline der Wüstenstadt künftig dominieren. Das 111 Meter hohe und 157 Meter breite kugelförmige Gebäude ist mit 1,2 Millionen einzeln ansteuerbaren LED-Elementen bestückt und steht hinter den Luxushotels Venetian und Wynn. Zum US-amerikanischen Unabhängigkeitstag am 4. Juli wurde die Leuchtkuppel erstmals in Betrieb genommen und beeindruckte mit ihren Videoanimationen das Internet.

Im Innern der Sphäre gewährt ein zwei Fußballfelder großes LED-Display den Besuchern auch auf den hinteren Sitzplätzen den Blick auf die Bühne. Die gebogene LED-Leinwand ist etwa 195 Meter breit und 76 Meter hoch, schmiegt sich hinter der Bühne an die innere Hülle der Kuppel und löst laut Betreiber Bilder mit 16K auf.

Noch steht das Veranstaltungszentrum in einer großen Baustelle, doch bis zum U2-Konzert soll alles fertig sein.

(Bild: xCave)

Die Madison Square Garden Company (MSG) belässt es nicht bei visuellen Effekten, sondern bespielt 10.000 Sitzplätze zusätzlich mit sensorischen Signalen in Form von Wind, Geruch und Wärme und installierte in der Innenkuppel 156.000 Lautsprecher für Rundum-Audio. Der Zuschauerraum ähnelt im Aufbau einem klassischen Amphitheater, in dem die Bühne etwa ein Drittel des Innenraums einnimmt. Es gibt insgesamt 18.600 Sitzplätze beziehungsweise 20.000 Stehplätze für Konzerte und Sportveranstaltungen. Am 29. September wird der Innenraum mit einem Konzert der irischen Rockband U2 eingeweiht.

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Für den Bau der Sphäre holte MSG im Februar 2020 einen speziellen Kran aus Belgien nach Las Vegas, der schwere Lasten in 180 Metern Höhe heben kann. Ein zweiter Kran musste das Monstrum aufbauen. Viele Strukturen der Konstruktion wurden laut MSG zunächst in VR erstellt und getestet, um die Stabilität und technische Machbarkeit vor dem Bau sicherzustellen.

Die Anlage besteht aus zwei Schalen: Zuerst wurde die innere Kuppel errichtet, in der sich die Arena mit der Bühne befindet. Sie besteht aus einem 3000 Tonnen schweren Stahlskelett mit einem 25 Zentimeter dicken Betonüberzug, der wiederum 10.000 Tonnen wiegt. Während des Innenausbaus wurde außen ein weiteres Stahlgerüst in einigem Abstand über die Kuppel gesetzt, das die LEDs trägt.

Für die LED-Displays zeichnet neben den eigens gegründeten Sphere Studios die kanadische Firma Saco Technologies verantwortlich, Videoinhalte produziert die Firma 7th Sense. Die Kugel hat neun Ebenen und außer der Arena einen VIP-Club im Untergeschoss und 23 private Räume im dritten und fünften Stockwerk, sie beherbergt ein Museum und diverse Restaurrants.

Der Innenraum der Arena ähnelt einem Amphitheater und bietet Platz für 20.000 Menschen.

(Bild: Sphere Entertainment)

Jeder Bildpunkt auf der leuchtenden Kugel besteht aus 48 LEDs, die gemeinsam angesteuert werden, damit auch im Sonnenlicht etwas zu sehen ist. Vermutlich wurden diese 48 LEDs vergossen, um einen mechanisch und elektrisch stabilen, bezahlbaren Puck zu erzeugen. Der Name kommt daher, weil die Elemente ungefähr die Größe eines Eishockey-Pucks haben, also knapp acht Zentimeter Durchmesser.

Die Pucks sitzen in einem Abstand von 21 Zentimeter zueinander auf der Kuppel, was einer Pixeldichte von 0,12 dpi entspricht. Zum Vergleich: Ein aktueller 27-Zoll-Monitor mit WQHD-Auflösung hat 109 dpi, also fast das Tausendfache. Allerdings betrachtet man Monitore üblicherweise aus etwa 60 Zentimetern Abstand, während man die Leuchtkuppel meist aus einigen hundert Metern Entfernung bestaunen wird. Das relativiert die geringe Auflösung.

Die LED-Pucks sind im Abstand von 21 cm auf Metallstreben auf der Außenhülle der Sphere befestigt.

(Bild: xCave)

Wir sprachen mit Steffen Hergert über die Dimensionierung von LED-Wänden und die Herausforderungen, die diese sehr spezielle LED-Kuppel mit sich bringt. Hergert ist Vorstandsmitglied des Deutschen Flachdisplay Forums (DFF) und entwickelt in seiner Firma xCave Technology LED-Displays für Multiview-Anwendungen. Bei diesen 3D-Leinwänden handelt es sich um eine platzsparende Weiterentwicklung von begehbaren 3D-CAVEs aus Projektoren.

Profis wie Hergert nutzen für die erste Abschätzung bei der Dimensionierung von LED-Leinwänden eine Faustformel für den minimalen Betrachtungsabstand: Multipliziert man den Pixelpitch mit dem Faktor 1000, ergibt sich ein ordentliches Bild, beim Faktor 2000 bereits ein schönes (Pixelpitch × Faktor = Abstand). Ab dem Faktor 3000 kann das Auge aus dem jeweiligen Betrachtungsabstand die einzelnen Pixel nicht mehr erkennen. Bei der Sphere beträgt der Pixelpitch 200 Millimeter, aus 600 Metern Distanz wird man dessen Pixelstruktur also nicht mehr wahrnehmen. Wer sehr nah an der Kugel steht, sieht nur Bildausschnitte, weshalb die meisten der im Internet gezeigten Videos mit Drohnen aufgenommen wurden, die aus ausreichendem Abstand einen Gesamteindruck des Gebäudes geben.

Die Umrechnung der Inhalte auf die gekrümmte Kuppeloberfläche übernimmt eine Software. So berechnet man beispielsweise mit Unity ein 3D-Modell und mappt dies auf die LED-Leinwand auf der Kuppel. Solche Tools nebst der passenden Ansteuersoftware für kugelförmige Leuchtobjekte gibt es seit 15 Jahren. Die benötigte Rechenleistung wird angesichts der vergleichsweise niedrigen Auflösung eher gering sein, meint Hergert. So entsprechen die 1,2 Millionen Bildpunkte (Pucks) auf der Kuppel grob einem Display mit 1280 x 960 Pixeln, nur eben in riesig. Deshalb schätzt der LED-Spezialist auch den logistischen und mechanischen Aufwand beim Bau der Sphere deutlich höher ein als den technischen für die LEDs und deren Ansteuerung.

Außerdem sind die auf der Kugel abgebildeten Inhalte längst nicht so anspruchsvoll wie die auf einem herkömmlichen Display. Man vermeidet etwa feine Schriften und nutzt vor allem bekannte Symbole und Farben oder besonders ausdrucksstarke Inhalte wie ein Feuerwerk.

Die Anpassung des auf der Kuppel abgebildeten Content hat weitere Vorteile, erklärt Hergert. In solchen Bildern fällt es weniger auf, wenn einzelne Pixel oder auch kleine Leuchtflächen ausfallen. In der Wartungsfreundlichkeit sieht er einen wichtigen Punkt der Gesamtkonstruktion. In der Praxis sind bei Veranstaltungen stets Fachleute vor Ort, die bei Störungen eingreifen können. Bei The Sphere tippt Hergert auf ein Team, das in einer begehbaren Unterkonstruktion schnell an jeden einzelnen LED-Puck kommt.

LEDs werden normalerweise gemultiplext, also mit einem gepulsten Strom in einer X-Y-Matrix angetrieben. Doch weil die Leuchtkugel auch im hellen Sonnenlicht zu sehen sein soll, werden die Sphere-Dioden wahrscheinlich direkt angesteuert, vermutet der Spezialist. Um die Lebensdauer der Dioden dennoch über die üblichen 30.000 Stunden zu hieven, wird man sie auch tagsüber nicht an ihre Grenzen treiben, sondern beispielsweise nur 50 Prozent der maximal möglichen Leuchtdichte abfordern. Nachts werde die Sphere-Kugel ohnehin gedimmt, andernfalls würde sie überstrahlen, prognostiziert Hergert. Hinzu kommt die drohende Lichtverschmutzung und mögliche Blendungen von Passanten.

Tagsüber hebt sich die leuchtende Kugel nicht so stark ab, hier ist sie eine Art langsam drehender Wasserball.

(Bild: xCave)

Bei den 48 LEDs in jedem Puck handelt es sich um relativ große rote, grüne und blaue Dioden. Mehrere LED-Treiber versorgen jeweils 16 Farb-LEDs im Puck mit 16-Bit-Steuersignalen, um Mischfarben zu erzeugen. Anders als LCDs besitzen LEDs eine lineare Gammakurve, weshalb man für akzeptable Farbverläufe mehr Helligkeitsstufen benötigt. Geht man beispielsweise von 5000 Candela pro Quadratmeter (cd/m2) maximaler Leuchtdichte aus und teilt diese in 256 Stufen (8 Bit), ergeben sich in einem gleichmäßigen Farbverlauf Helligkeitssprünge von knapp 20 cd/m2 (5000 cd/m2 / 256). Solche großen Helligkeitssprünge würde man besonders in den unteren Farbstufen sehr deutlich wahrnehmen. Mit 14 Bit lassen sich 16.384 Stufen mit je 0,3 cd/m2 erzeugen, was für eine ordentliche Darstellung auf der Kuppel ausreichen sollte. Mit 16 Bit sind es nur noch 0,076 cd/m2 pro Stufe.

Die Treiber werden an ein serielles Bussystem angeschlossen, wobei jeder Puck als Empfänger und Sender arbeitet: Er nimmt das Telegramm für die Gruppe entgegen, liest die Daten für seine 48 LEDs aus und reicht das Paket an die folgenden Pucks weiter. Fällt einer aus, hat das im besseren Fall keine Konsequenzen für die anderen Pucks am Bus. Falls doch, würde wie bei alten Weihnachtsbaumketten der komplette Strang dunkel, sobald ein LED-Element ausfällt. Im Fall der Sphere scheinen die Pucks in jedem Strang stattdessen weiß zu leuchten, wenn sie kein Steuersignal mehr erhalten.

In der leuchtenden Sphere zeigen sich bereits Fehlerstellen, in diesem aktuellen Foto beispielsweise zwei verschiedene: ein komplett ausgefallenes Feld mit 120 dunklen Pucks und rechts daneben ein Strang mit teilweise ausgefallenem Steuersignal (weiße Pucks). Wer die Videos im Internet genau betrachtet, wird weitere defekte Stellen finden.

(Bild: xCave)

Die Stränge werden normalerweise von einem FPGA-Board verwaltet. Die in der Videotechnik üblichen Receiver-Boards können laut Hergert bis zu 64 serielle Stränge unabhängig voneinander steuern. Jedes FPGA-Board wird per Ethernetkabel respektive Lichtwellenleiter mit einem Sending-Board im Videoserver verbunden. Das kann bis zu 650.000 Bildpunkte ansteuern, bei 64 Strängen wären dies 10.156 Pucks pro Strang. Für die gesamte Kuppel mit ihren 1,2 Millionen Bildpunkten respektive Pucks bräuchte man also nur zwei Sending-Boards. Auch um die Ausfallwahrscheinlichkeit zu verringern, wird MSG deutlich mehr Receiver-Karten spendieren, glaubt Hergert. Erste Fotos bestätigen dies: Es hängen 120 Pucks an einer Busleitung, jeder Strang deckt demnach 5,4 Quadratmeter auf der Kugel ab und man benötigt 156 Receiver-Karten für die 10.000 Strängen der gesamten Kugel; bei der Sphere ist nicht die Datenmenge das Problem, sondern die riesige LED-Fläche.

Die Energieversorgung erfolgt unabhängig von den Daten. Da LEDs im Außenbereich üblicherweise mit 5 Volt/20 Milliampere betrieben werden, benötigt jeder Puck 4,8 Watt und knapp 1 Ampere. Bis zu 20 Ampere kann man über die in der LED-Technik üblichen Stecker übertragen. Wenn ein Stern aus 120 Pucks besteht, benötigt man also sechs Leitungen und entsprechende Netzteile pro Feld. Grob gerechnet braucht jeder Stern bei Vollansteuerung 600 Watt und die gesamte äußere Leuchtkuppel bis zu 6 Megawatt. Auch wenn man hier nie die maximale LED-Helligkeit nutzen wird und die gezeigten Bilder nur sehr selten komplett weiß leuchten werden, ist der Energiebedarf der Sphere trotz LED-Technik enorm.

Die Kabel über die gesamte Kuppel zu verteilen, ist weniger eine technische als eine logistische Herausforderung. Kritisch sind vor allem die Steckverbinder an den Pucks. Fällt ein Element aus, zeigen die Server-Boards an, welcher Bildpunkt und damit welcher Puck defekt ist, was die Wartung vereinfacht. Defekte Pucks werden nicht repariert, sondern direkt ausgewechselt, vermutet Hergert. MSG muss also ausreichend Ersatzpucks in petto haben.

Für LED-Videowände und LEDs im LCD-Backlight wird mit dem sogenannten Binning üblicherweise sichergestellt, dass alle Dioden im System dieselben optoelektrischen Eigenschaften haben. Sie müssen bei einem definierten Stromdurchfluss gleich hell und in der gleichen Farbe leuchten. Ganz so streng wird man bei den LEDs der Sphere nicht vorgehen müssen, zumal die Streuung der einzelnen LED durch den 48er-Verbund in den Pucks nivelliert wird.

Der Bau eines derart großen Displays ist nicht unumstritten, es werden beispielsweise mehr Unfälle erwartet, weil vorbeifahrende Autofahrer abgelenkt werden.

(Bild: Sphere Entertainment)

Allerdings werden die einzelnen Pucks am Ende der Produktion kalibriert, erklärt Hergert. Dazu steuert man sie Weiß an und beaufschlagt sie mit einem definierten Strom, misst ihre Leuchtdichte und vergleicht diese mit den anderen Pucks: Liegt der Wert höher, merkt sich der kalibrierte Puck dies und passt sein Ausgangssignal in der Folge automatisch an das der anderen an. Die Erstkalibrierung aller LEDs wird bei beispielsweise 50 Prozent der Maximalhelligkeit durchgeführt, um Reserven zu haben und die Lebensdauer der LEDs zu erhöhen. Und da man die einzelnen LEDs nicht beliebig heller regeln kann, bestimmt anschließend der dunkelste Puck den Zielwert, auf den sich alle anderen einpegeln müssen.

Wie gut die Qualität der genutzten LEDs ist, wird sich erst in einigen Jahren zeigen, erklärt Hergert. Wenn die Kuppel dann nur noch fleckige Bilder ausgibt – wovon er bei einem professionellen Hersteller wie Saco nicht ausgeht --, hätte MSG zwar viel Geld für The Sphere ausgegeben, aber am falschen Ende gespart: Von den 2,3 Milliarden US-Dollar teuren Baukosten entfallen nach Einschätzung des Experten kaum mehr als ein geringer zweistelliger Millionenbetrag auf die LED-Panels der prestigeträchtigen Kuppel.

The Sphere in Zahlen
The Sphere

(Bild: Sphere Entertainment)

  • 111 m hoch, 157 m breit
  • 53.883 m2 große, mit 57,6 Millionen LEDs bestückte Außenhülle
  • 14.864 m2 große, gekrümmte 16K-LED-Videowand innen
  • 156.000 Lautsprecher plus sensorische Reize (Wind, Geruch, Temperatur)
  • 18.600 Sitzplätze respektive 20.000 Stehplätze
  • 9 Ebenen mit Arena, Museum, Restaurants, Suiten und VIP-Club
  • Bauzeit: September 2019 bis September 2023
  • Baukosten: 2,3 Milliarden US-Dollar
  • Betreiber: Madison Square Garden Company (MSG)

(uk)