Zum 30. Geburtstag von Slackware: Happy Birthday, Youngtimer!

Slackware Linux feiert dieser Tage seinen 30. Geburtstag, wirkt in der aktuellen Version 15 aber keinesfalls aus der Zeit gefallen. Eine Würdigung zum Jubiläum.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 27 Kommentare lesen
Linux Kernel 5.1

(Bild: Charles Bergman / shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Martin Gerhard Loschwitz

"Hello everybody out there using Minix" – so beginnt eine Mail, deren Inhalt in der F/LOSS-Szene den allermeisten wohlbekannt sein dürfte. Denn so verkündete Linus Torvalds am 25. August 1991, dass er mit den Arbeiten an einem Minix-Klon angefangen hatte, der später als Linux Weltgeschichte schreiben sollte und aus der IT der Gegenwart nicht mehr wegzudenken ist. Weit weniger Menschen kennen hingegen die Mail eines gewissen Patrick J. Volkerding, die dieser knappe zwei Jahre später am 16. Juli an die Usenet-Gruppe "comp.os.linux" schickte: "The Slackware Linux distribution (v. 1.00) is now available for anonymous FTP."

Zwar gilt der historische Einfluss von Slackware auf die Open-Source-Szene heute als nicht ganz so dramatisch wie jener des Linux-Kernels selbst. Dass Slackware von großer Bedeutung für die Entwicklung von Linux war, stellt jedoch niemand ernsthaft in Zweifel. Heute gilt Slackware als die älteste noch regelmäßig gepflegte Linux-Distribution der Welt, mit einem knappen halben Jahr Vorsprung vor Debian GNU/Linux. Mancher Slackware-Fan freut sich darüber auch deshalb bis heute diebisch, weil Slackware und Debian in den Flegeljahren der Linux-Entwicklung als die Linux-Distributionen für die Profis galten. SUSE Linux und Red Hat hingegen setzten früh auf GUIs zur Konfiguration, grafische Oberflächen und viele Automatismen, was ihnen bei selbsternannten Experten abschätzige Blicke und den Ruf als "Klickibunti-System" einbrachte.

Debian hat seine Berührungsängste mit GUIs und Konfigurationswerkzeugen mittlerweile weitgehend abgelegt. Seit Jahren existiert etwa für Debians Installationsroutine eine grafische Oberfläche. Die ist in der Lage, ein Debian-System mit vorinstalliertem und vorkonfiguriertem Xorg und einer grafischen Desktop-Umgebung nutzerfreundlich zu installieren. In der Slackware-Welt möchte man von diesem Hokuspokus weiterhin nichts wissen.

Zu den Gründen dafür haben Kommentatoren in den vergangenen Jahren in unzähligen Würdigungen und Glückwünschen alles gesagt – auch ich selbst anlässlich des Erscheinens von Slackware 15. Die Kurzfassung geht in etwa so: Patrick J. Volkerding war mit der damals einzigen Linux-Distribution SLS unzufrieden. Er begann mit den Arbeiten an dem, was man heute einen Fork nennen würde, und taufte diesen bald auf den Namen Slackware. Der Name war Programm, denn "slack" bedeutet nachlässig. Genau so wollte Volkerding seine Distribution und vor allem seine Arbeit an derselben verstanden wissen: Nutzern musste klar sein, dass sie bei Slackware nur ein Grundgerüst bekommen, auf dessen Basis sie sich ihr Wunschsystem konfigurieren konnten. Das hat sich bis heute nicht geändert. Noch immer ist das Konfigurationswerkzeug der Wahl bei Slackware ein Texteditor für die jeweilige Konfigurationsdatei.

Wer daraus allerdings den Rückschluss zieht, Slackware sei aus der Zeit gefallen und ein Konzept der Vergangenheit, irrt sich gewaltig. Selbst hartnäckige Gerüchte, wonach das Projekt eigentlich bereits tot sei, konnten den Glauben der Fans an "ihre" Distribution über Jahre hinweg nicht erschüttern. Und durch die Veröffentlichung von Slackware 15 letztes Jahr stellte Volkerding selber klar, dass es ich nur um eine – zugegebenermaßen recht ausgedehnte – Entwicklungspause gehandelt hatte. Diese hatte sich, auch das gehört zur Wahrheit, auf die Slackware-Nutzer aber ohnehin nicht so dramatisch ausgewirkt, wie es bei anderen Distributionen möglicherweise der Fall gewesen wäre. Denn wer ein System mit Slackware betreibt, ist es gewohnt, viele Dinge selbst zu erledigen. Dazu gehört auch die Installation aktueller Programme und eines aktuellen Kernels. Notfalls eben "zu Fuß".

Hinzu kommt, dass Slackware heute gar nicht mehr so puristisch ist, wie die Fans des Systems es gern behaupten. Denn die meisten Annehmlichkeiten moderner Linux-Distributionen finden sich in der einen oder anderen Form durchaus auch bei Slackware. Ein Paketmanagement etwa mit Online-Verzeichnissen sowie der automatischen Auflösung von Abhängigkeiten besitzt Slackware wie jede andere Distribution. Auch sonderlich schlank kommt ein aktuelles Slackware nicht mehr daher. Das hemdsärmelige Image der Distribution speist sich, so der Eindruck, vor allem aus der noch recht rustikal wirkenden Installationsroutine und dem Fehlen grafischer Einrichtungswerkzeuge. Außerdem rechnen ihre Befürworter der Distribution hoch an, dass sie weiterhin ohne Systemd daherkommt. Dieses ist mit zentralen Slackware-Prinzipien allerdings auch völlig unvereinbar. Denn gerade Tools wie Systemd, das große Teile der Kontrolle über Systeme an sich reißen und automatisiert umsetzen möchte, lassen Slackware-Verfechtern kalte Schauer den Rücken runterlaufen.

Ausgerechnet den Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit hat Slackware es zudem zu verdanken, dass die Distribution heute mancherorts sogar wieder als quasi-moderne Alternative im Serverraum gilt. Der Trend geht bekanntlich zu Containern. Und die lassen sich auf einem System betreiben, sobald eine Laufzeitumgebung für sie zur Verfügung steht, ganz gleich, ob Podman oder Docker zum Einsatz kommen. Red Hat und SUSE arbeiten längst an basalen Linux-Distributionen, deren Haupteinsatzzweck darin besteht, Container abzuspielen. Die Idee: ein Kernel, ein schlankes Userland sowie die Container-Umgebung. Um den Rest kümmern sich jene, die die Container zur Verfügung stellen. Den Pfad, den die großen kommerziellen Anbieter nun beschreiten, beschreitet Slackware seit jeher.

Zwar ist nicht damit zu rechnen, dass Slackware absehbar Red Hat oder SUSE ernsthaft kommerzielle Konkurrenz machen wird. Wer ein stabiles Grundsystem sucht, zieht dabei künftig aber möglicherweise auch Slackware wieder in die Betrachtungen ein. Das gilt umso mehr, weil über die Grundinstallation hinaus heute Werkzeuge wie Ansible per Automation den Ton angeben. Und die funktionieren auch auf Slackware. Bei der eigenen Fangemeinde gilt Slackware zudem ohnehin als gesetzt – diese Nische wird das System weiterhin besetzen.

Es darf fast als Treppenwitz der Geschichte gelten, dass Slackwares Zukunft heute deutlich rosiger aussieht als zu manch anderem Zeitpunkt während der Slackware-Existenz. Patrick J. Volkerding indes hat das 30. Jubiläum "seiner" Distribution womöglich mit einer Flasche Bier zelebriert. Er gilt im Hinblick auf Hopfen, Malz und manch andere damit verbundene Ingredienzien (die das deutsche Reinheitsgebot in Bier freilich untersagt) nämlich als angesehener Connaisseur. Fragten Anwender ihn in der Anfangszeit der Slackware-Entwicklung, wie sie sich bei ihm für seine Arbeit revanchieren könnten, bat er sie nicht selten um die Zusendung lokaler Biersorten, um das eigene Wissen über Bier zu vergrößern. Es sei ihm jedenfalls vergönnt.

Insofern: Prost, Herr Volkerding! Und natürlich: Happy Birthday, Slackware! Auf die nächsten 30 Jahre! (syt)