Länger wach bleiben: Forscher aktivierten Gehirnzellen von Mäusen

Einem Team der Washington State University ist es gelungen, Labormäuse länger wachzuhalten, ohne dass die Tiere typische Anzeichen von Schlafmangel zeigten.

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(Bild: TheVisualsYouNeed/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christina Mikalo

Wer erst spät in der Nacht ein Auge zubekommt, ist am nächsten Tag meist müde. Früh wieder ins Bett zu kommen, wirkt dann umso verlockender. Einem Forschungsteam der Washington State University (WSU) ist es nun gelungen, Labormäuse sechs Stunden länger wachzuhalten, ohne dabei auffällige Anzeichen eines Schlafmangels an den Tieren festzustellen.

Die Forschungsergebnisse sind in der Fachzeitschrift "The Journal of Neuroscience" erschienen. Das Team um den Neurowissenschaftler Marcos Frank aktivierte bei den Mäusen Astrozyten im basalen Vorderhirn, eine Gehirnregion, die mit Schlaf-Wach-Phasen und dem Schlafbedarf in Verbindung steht. Astrozyten sind Zellen, die in ihrer Form Sternen ähneln. Sie zählen zu den Gliazellen, die zusammen mit den Neuronen das Nervensystem bilden. Früher nahmen Fachleute an, dass Gliazellen die Nervenzellen nur wie eine Art "Klebstoff" stützen. Im Laufe der Zeit sind aber immer mehr wissenschaftliche Arbeiten über Astrozyten erschienen, die gezeigt haben, dass diese aktiv mit Neuronen interagieren und viele Funktionen haben: Zum Beispiel versorgen sie die Nervenzellen mit Nährstoffen und sind an der Signalübertragung im Gehirn beteiligt.

Auch die Forscherinnen und Forscher der WSU haben in der Vergangenheit Studien über Astrozyten veröffentlicht, darunter eine über ihre Rolle in Schlaf- und Wachphasen. Für seine neue Studie setzte das Team auf die sogenannte Chemogenetik, um die Signalwege innerhalb der Gehirnzellen der Labormäuse zu manipulieren und zu untersuchen.

Bemerkenswert an seinen Ergebnissen fand das Forschungsteam vor allem, dass die wachgehaltenen Tiere keine typischen Anzeichen von Schlafmangel wie etwa Brain Fog – "Gehirnnebel", der sich unter anderem durch Konzentrationsprobleme äußern kann – und körperliche Trägheit gezeigt hätten. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die aus gut ausgeruhten Mäusen bestand, hätten die Versuchstiere im Anschluss an die Wachphasen auch nicht länger und tiefer geschlafen, sagte Neurowissenschaftler Frank der Wissenschaftswebsite New Atlas.

"Unsere Ergebnisse legen nahe, dass unser Bedürfnis nach Schlaf nicht nur von den Phasen abhängt, in denen wir wach sind, sondern auch von diesen lange übersehenen nicht-neuronalen Zellen gelenkt wird", wird Ashley Ingiosi, Neurowissenschaftlerin von der Ohio State University und Erstautorin der Studie, in einer Pressemitteilung der WSU zitiert. "Wir können jetzt auch anfangen, genau zu erforschen, wie Astrozyten mit Neuronen interagieren, damit diese Reaktion ausgelöst wird und wie sie die Ausprägung und Regulierung des Schlafes in verschiedenen Teilen des Gehirns lenken."

Frank zufolge eröffnen die Forschungsergebnisse die Aussicht, dass man eines Tages vielleicht in der Lage sein wird, mit Eingriffen in Astrozyten negative Folgen verlängerter Wachphasen bei bestimmten Berufsgruppen abzuschwächen. Er bezieht sich dabei auf Schichtarbeiter und andere, die viele Stunden hintereinander oder zu ungewöhnlichen Uhrzeiten arbeiten: Ersthelfer oder Angehörige des Militärs etwa.

Als nächstes wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Verhaltenstests an Mäusen erforschen, ob die Aktivierung von Astrozyten im basalen Vorderhirn mit dem Ziel, Wachphasen zu verlängern, womöglich auch Einfluss auf andere Prozesse wie Aufmerksamkeit, Lernverhalten, Gedächtnis, Stoffwechsel und Immunfunktion nimmt.

(jle)