Justizministerin will Websperren vom Tisch haben

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat nach der Unterzeichnung des heftig umkämpften Zugangserschwerungsgesetzes angekündigt, rasch eine rechtliche Regelung auf den Weg bringen zu wollen, um die Netzblockaden definitiv zu Fall zu bringen.

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Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat nach der Unterzeichnung des heftig umkämpften Zugangserschwerungsgesetzes durch Bundespräsident Horst Köhler (CDU) angekündigt, rasch eine rechtliche Regelung auf den Weg zu bringen, um Websperren als Mittel im Kampf gegen Kinderpornographie definitiv zu Fall zu bringen. Die schwarz-gelbe Regierung habe sich auf das "endgültige Aus für Netzsperren" verständigt, sagte die FDP-Politikerin am heutigen Aschermittwoch. Nun gehe es darum, den vereinbarten Grundsatz "Löschen statt Sperren" tatsächlich zur Geltung zu bringen.

Das Justizministerium und das Innenressort hatten kürzlich eine Stellungnahme an das Staatsoberhaupt übermitteln lassen, wonach die Regierung "eine Gesetzesinitiative zur Löschung kinderpornographischer Inhalte im Internet beabsichtigt". Bis zum Inkrafttreten dieser Bestimmung werde sich Berlin "auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes ausschließlich und intensiv für die Löschung derartiger Seiten einsetzen", heißt es in dem heise online vorliegenden Papier. Zugangssperren würden nicht vorgenommen, betonen die beiden Ministerien.

Zugleich versuchen sie, die aufgeworfenen formellen Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität des Gesetzes zu zerstreuen. So seien die Änderungen an dem vom Parlament im Sommer beschlossenen Vorhaben und dem ursprünglichen Regierungsentwurf und der darauf basierenden Initiative der damaligen schwarz-roten Koalition nicht so gravierend gewesen, dass von einem gänzlich anderen Gesetzgebungsverfahren die Rede sein könne. Auch die Zuständigkeit des Bundes sehen die beiden Ressorts im Gegensatz zu Experten gegeben, die diese primär bei den Ländern sehen.

Union und FDP hatten sich in der Koalitionsvereinbarung im Herbst darauf verständigt, das für die Erstellung der Sperrlisten zuständige Bundeskriminalamt (BKA) anzuweisen, dieser Aufgabe nicht nachzukommen. Vorgaben zum Filtern spezieller Webseiten sollten demnach nicht an die Provider weitergeleitet werden. Der Berliner Staatsrechtslehrer Ulrich Battis hatte diesen Plan aber als hochproblematisch bezeichnet. Seiner Ansicht nach kann die Bundesregierung das Gesetz nach seiner Ausfertigung höchstens noch für unanwendbar erklären, wenn sie es für verfassungswidrig hält.

Wie genau Berlin die Sperrverpflichtungen aus dem inzwischen ungeliebten normativen Text herausbringen will, ist derzeit nicht in Erfahrung zu bringen. Weder das federführende Bundeswirtschaftsministerium, noch das Justiz- oder Innenressort können oder wollen momentan Einzelheiten verraten. Sie wirken so, als habe sie die Unterschrift Köhlers überfahren, und sind auf der Suche zumindest nach geeigneten "Sprachregelungen" zur Darstellung der rechtlichen und technischen Situation.

Die Zeit drängt aber, eine rechtlich einwandfreie Lösung für die Beseitigung des Problems der Websperren zu finden. Bis zur Ausfertigung des Gesetzes und seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt vergehen üblicherweise drei Wochen. Einen Tag später treten die Regelungen in Kraft, sofern sie nicht bis dahin zum Teil ausgesetzt werden. Die Bundestagsfraktionen der Linken und der Grünen plädieren aber für einen sauberen Schnitt und die komplette Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes durch Parlament und Bundesrat.

Hannah Seiffert, Justiziarin beim Verband der deutschen Internetwirtschaft eco, forderte ganz in diesem Sinn die Verabschiedung eines Aufhebungsgesetzes durch den Bundestag im Schnellverfahren, um den Providern Rechtssicherheit zu verschaffen. Auch die bestehenden Sperrverträge mit fünf großen Zugangsanbietern einschließlich der Deutschen Telekom und Vodafone/Arcor müssten für nichtig erklärt werden. Die Provider wären sonst grundsätzlich verpflichtet, die für die Websperren benötigten Infrastrukturen bereit zu halten.

Das vom Innen- und Justizministerium ins Gespräch gebrachte "Löschgesetz" hält die Rechtsexpertin dagegen für "unnötig". Zugangsanbieter und das Strafverfolger könnten dem Löschauftrag zum Entfernen kinderpornographischer Materialien an der Quelle bereits auf Basis bestehender Rechtsgrundlage "vollumfänglich" nachkommen. Prinzipiell bedauerte Seiffert die Unterzeichnung des Gesetzes, da es dagegen nicht nur inhaltliche, sondern nach wie vor auch formelle verfassungsrechtliche Bedenken gebe.

Einwände gegen das Zugangserschwerungsgesetz auf Basis des Grundgesetzes "bleiben bestehen", erklärte auch Malte Spitz vom Bundesvorstand der Grünen gegenüber heise online. Dem BKA allein die Anwendung des Gesetzes so zu untersagen, würde neue verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen. Der beste Weg wäre es daher, "schnellstmöglich den Oppositionsanträgen auf Streichung der bisherigen Sperrpraxis zuzustimmen und dem Spuk damit schnell ein Ende zu bereiten". Spitze zeigte sich zugleich verwundert, dass von den Ankündigungen der Bundesregierung für ein Löschgesetz bislang ebenso wenig zu sehen sei, wie von der Einleitung einer Testphase des Löschens kinderpornographischer Inhalten im Netz. Der netzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, sieht Schwarz-Gelb gar "im Chaos versinken". Ähnlich äußerten sich Abgeordnete der Linken. (pmz)