Social Media: Steuerzahlerbund rügt Kampagnen-Dickicht der Regierung

Die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung sei "kommunikativer Wildwuchs", bei der die Grenzen zwischen Information und Eigenwerbung verschwimmen, meint der BdSt.

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Die Bundesregierung ist auch auf Instagram präsent.

(Bild: Screenshot des Bundesregierungsaccounts auf Instagram)

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In seinem neusten Schwarzbuch hat der Bund der Steuerzahler (BdSt) wieder einige Posten "öffentlicher Verschwendung" zusammengetragen. In einem eigenen Kapitel darin widmet er sich der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, allein sie betreibe 500 Social-Media-Accounts und rund 1000 Internet- und Kampagnenseiten. Kritikwürdig daran findet BdSt-Präsident Reiner Holznagel unter anderem, dass mitunter statt Informationsvermittlung Publicity-Kampagnen betrieben würden. "Die Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen muss ausschließlich der Aufklärung zwecks freier Willensbildung der Bürger dienen."

Recherchen des BdSt haben nach dessen Angaben ergeben, dass die Ausgaben der Bundesregierung für Werbe- oder Kommunikationsagenturen von 44,9 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 66,5 Millionen im Jahr 2020 und 67,2 Millionen im Jahr 2021 angestiegen sind. Die Kosten, um Informationskampagnen online, in Printmedien, im Rundfunk oder Außenwerbung zu schalten, seien in den gleichen Jahren von 69,1 Millionen auf 181,2 Millionen und 202,4 Millionen Euro angestiegen, im Jahr 2022 betrugen sie 194,6 Millionen.

Der sprunghafte Anstieg der Ausgaben sei vor allem mit der Öffentlichkeitsarbeit rund um die Coronavirus-Pandemie zu erklären, erläutert der BdSt. Dafür habe das Bundesgesundheitsministerium von 2020 bis 2023 über insgesamt maximal 634 Millionen Euro verfügt. "Obwohl die Corona-Maßnahmen 2022 aufgehoben wurden, lagen die Schaltkosten noch immer massiv über dem Vor-Corona-Niveau", kritisiert der Steuerzahlerbund. Inklusive weiterer, eher versteckter Posten, die er im Bundeshaushaltsplan zum Aspekt Öffentlichkeitsarbeit gefunden hat, summierten sich die Ausgaben in diesem Jahr auf 323,3 Millionen Euro.

Dabei kritisiert der BdSt, dass beispielsweise Social-Media-Accounts vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung verantwortet werden, daneben werden andere Accounts von den Ministerien sowie nachgeordneten Behörden betrieben. Über alle Ressorts hinweg gebe es 50 Stellen, die mit der Öffentlichkeitsarbeit in Sozialen Medien betraut sind.

"Die absolute Höhe der geplanten Ausgaben besitzt jedoch wenig Aussagekraft, wenn sie nicht mit den Zielen der Informationskampagne abgeglichen wird", weitet der BdSt seinen Blick. Ziele von Kampagnen würden nicht klar definiert oder seien nicht erkennbar, die vermittelten Inhalte würden strategisch bewusst verkürzt, mitunter manipulativ präsentiert. In manchen Kampagnen würden die Grenzen zwischen Information, die geboten, und Eigenwerbung, die hingegen zu vermeiden sei, verschwimmen.

Öffentlichkeitsarbeit dürfe durchaus unterhaltsam informieren, zitiert der BdSt den rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshof. Die Grenzen der Legitimität seien aber überschritten, wenn der Unterhaltungscharakter den Informationsaspekt eindeutig überwiegt.

Für Video-Kampagnen kooperiere die Bundesregierung immer häufiger mit professionellen Influencern, erläutert der BdSt weiter. Es sei kaum möglich, von der Bundesregierung Angaben zu Honoraren zu erhalten, sie berufe sich regelmäßig auf das Geschäftsgeheimnis. Hier wie auch anderer Stelle bemängelt der BdSt Intransparenz. Aus Antworten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen zieht er die Informationen, dass 2021 fünf beauftragte Influencer Honorare von insgesamt 245.000 Euro erhalten hätten, 2020 seien für die Bewerbung der Corona-Warn-App insgesamt 1,1 Millionen Euro angefallen.

Der BdSt kritisiert auch Kampagnen der Bundesregierung zu Gesetzesvorhaben, noch bevor diese den parlamentarischen Prozess passiert hatten. "Bei Gesetzen zu fairen Verbraucherverträgen, zur Transparenz im Online-Handel, zur Rechtssicherheit für Influencer, zu der Brückenteilzeit oder dem Plastiktütenverbot, für die die Bundesregierung in der Vergangenheit schon vor den parlamentarischen Beratungen geworben hat, ist ein solcher Bedarf der vorgelagerten Akzeptanzwerbung absolut fragwürdig".

Insgesamt handele es sich bei der Öffentlichkeitsarbeit um einen "kommunikativen Wildwuchs" ohne klare Zielrichtung und konsistente Strategie. Daraus könne nicht geschlossen werden, die Politik sei lediglich um Information und Aufklärung der Bevölkerung bemüht.

(anw)