ICANN trifft sich in Hamburg – Top Level Domains und die Frage nach Zensur

Die ICANN kehrt für ihr 25. Jubiläum nach Deutschland zurück. Unter anderem die dritte Runde neuer Top Level Domains steht auf der Tagesordnung.

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(Bild: Anterovium/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Zum ersten Mal seit 1999 gastiert die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) in Deutschland. Auf Einladung der Stadt Hamburg, des eco-Verbands und der Denic eG feiert sie in Hamburg dabei zugleich ihren 25. Geburtstag. Auf der Tagesordnung der privaten Netzverwaltung steht die dritte Runde neuer Top Level Domains und das ewige Thema Domaininhaberdaten und Domainmissbrauch. Zugleich wirft die ICANN auch einen Blick auf den Markt ganz neuer Identifier, etwa Blockchain Domains.

1999 fand das zweite offizielle Treffen der ICANN im Berliner Adlon statt. Der US-Monopolist Network Solutions verkaufte zu dieser Zeit .com-Domains für 35 Dollar im Jahr, unter Vertrag mit der US-Regierung. Nach 25 Jahren hat die private Netzverwaltung zwei Runden für die Einführung neuer Domains geöffnet. Zahlreiche neue TLDs sind eingeführt, auch wenn nur wenige echte Schlager sind. Die Verträge mit der US-Regierung, sowohl der mit der privaten Netzverwaltung als auch der zum Betrieb der zentralen Rootzone, sind Geschichte.

In einem Rückblick auf die vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte erläuterte Larry Strickling, ehemaliger Assistant Secretary for Communications and Information und Administrator der National Telecommunications and Information Administration (NTIA), warum die US-Regierung sich am Ende zurückzog. Das Bekenntnis zu einer vollständigen Liberalisierung und Selbstverwaltung des Domainmarktes, einschließlich des Betriebs der DNS Rootzone – eine Kerninfrastruktur für das Internet – habe man bereits bei der Gründung abgegeben, rekapitulierte Strickling in Hamburg. Dann sei es aber dazu nie gekommen, so der ehemalige Beamte.

Erst als die Rufe von Ländern des Südens immer lauter wurden, die Aufsicht von Namen und Nummern in die Hände von Regierungen zu legen oder eine multilaterale Organisation damit zu beauftragen, sah man sich gezwungen, zu reagieren. Ein Schlüsselereignis seien dabei die Kampfabstimmungen bei der World Conference on International Telecommunication (WCIT) gewesen, in denen der westlich-orientierte Block unterlag. "ICANN war da bereits gut etabliert, aber der Treiber für uns war vor allem die Notwendigkeit, andere Länder davon zu überzeugen, dass das Selbstverwaltungsmodell das beste für alle war, die das Internet aufbauen und davon profitieren wollten", so Strickling. "Welches bessere Bekenntnis zum Multi-Stakeholder Modell hätte es geben können?", schloss er mit einer rhetorischen Frage.

Umstritten bleibt das Multi-Stakeholder-Modell allerdings bis heute. Gleich mehrere Prozesse auf UN-Ebene beäugt die inzwischen auf Tausende von Teilnehmern angewachsene Community in Hamburg mit Sorge. Einerseits bereiten die Mitgliedsländer gerade ein Abschlussdokument für den "Global Digital Compact" vor, der in den von UN-Generalsekretär António Guterres initiierten Zukunftsgipfel 2024 einfließen soll. Andererseits steht 20 Jahre nach dem ersten Internet bezogenen UN-Gipfel von 2003/2005 ein neuer World Summit of the Information Society an (WSIS+20). Viele Regierungen hätten sich zwar angefreundet mit ICANNs eng begrenztem technischen Mandat, sagte ICANNs Vizepräsident für UN-Beziehungen, Veni Markovski, doch Begehrlichkeiten in der UN-Ländercommunity bleiben.

Zugleich erwägt Brasiliens Regierung eine Neuauflage ihrer im Zuge der Snowden-Enthüllungen veranstalteten Netmundial Konferenz. Brasiliens Internetpionier und nic.br-Chef Demi Getschko bestätigte gegenüber heise online, dass eine Konferenz zur Erneuerung der NetMundial-Roadmap diskutiert werde.

Er könne die Sorgen der Community in Bezug auf den UN Global Digital Compact durchaus verstehen, sagte Benjamin Brake, Abteilungsleiter Digital- und Datenpolitik im Bundesministerium für Digitales und Verkehr bei der Eröffnung in Hamburg. Die Bundesregierung unterstütze aber klar das Multi-Stakeholder-Modell, versicherte er, nachdem sein Chef die ICANN in einer Videobotschaft sogar als Vorzeigemodell beglückwünscht hatte.

Brake erlaubte sich vor insgesamt 2800 angemeldeten Teilnehmern auch den Seitenhieb auf die von der ICANN hochgehaltene Meinungsfreiheit. Auch im progressiven Lager gebe es mittlerweile Stimmen, die sich für wohlgemeinte Zensur aussprächen. Dagegen, etwa gegen die mit der CSA-Verordnung geplante Chatkontrolle, werde sich die Bundesregierung weiter positionieren, versicherte er auf Nachfrage.

(kbe)