Kostenlose Glasfaser: Angebot mit Haken

Gigafiber bietet einen kostenlosen Glasfaseranschluss. Im Gegenzug sollen die Kunden Miete, Strom, Versicherungen und Tilgungen über das Unternehmen bezahlen.​

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Leerrohr für Glasfaser

(Bild: dpa, Sina Schuldt/dpa)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Urs Mansmann

Das Angebot klingt zu gut, um wahr zu sein: Einen Glasfaseranschluss mit 250 Mbit/s im Downstream für null Euro bietet das neu gegründete Unternehmen Gigafiber an. Das Unternehmen schaltet Fernsehwerbung beim ZDF, ist als TK-Anbieter lizenziert und Mitglied in den Branchenverbänden VATM und Breko, auf den ersten Blick also seriös.

Allerdings hat dieses Angebot mehr als nur einen Haken. Der erste ist die Verfügbarkeit: Offenbar hat das Unternehmen noch keinen einzigen Anschluss gelegt, sammelt aber fleißig Daten von Interessenten. 1,3 Millionen zeigt der Zähler auf der Webseite an. Die App, mit der man als potenzieller Kunde sein Interesse bekunden kann, wurde bei Google Play aber nach Angaben des Stores lediglich mehr als 5000 Mal heruntergeladen – mit 1,6 Sternen ist die Bewertung verheerend schlecht. Die App besteht aus einem Formular, das man ausfüllen und abschicken kann, mehr bietet sie nicht. Eine Verfügbarkeitsprüfung, Standard bei jedem Internetanbieter, ist nicht enthalten. Der Antrag lässt sich in der gegenwärtigen Version der App nicht zurückziehen, man kann lediglich die erfassten Daten neu übermitteln.

Die Gigafiber-App erlaubt derzeit nur die Eingabe von Adressdaten.

Anschlüsse in der von Gigafiber angepeilten Leistungsklasse kosten für den Kunden üblicherweise 40 Euro pro Monat aufwärts und die Margen in der Branche sind knapp bemessen. Wie will das Unternehmen diese Kosten wieder einspielen, wenn das für den Kunden kostenlos ist? Ein Blick in die AGB gibt Antwort: Der Kunde verpflichtet sich, nächster Haken, „für die Dauer der Vertragslaufzeit für bestimmte Transaktionen einen von uns benannten Zahlungsdienstleister in Anspruch zu nehmen“, was den Anschluss letztlich finanzieren soll. Dazu müsste man dann einen weiteren Vertrag mit einem anderen Unternehmen abschließen – sobald es zum Vertragsschluss kommt. Regelmäßige Zahlungen, also beispielsweise die Miete, Zahlungen an Versorgungsunternehmen, für Kredite oder Versicherungen sollen also gebündelt über einen noch nicht genannten Payment-Anbieter im Auftrag des Internetanbieters laufen.

Der Vertrag liegt, noch ein Haken, irgendwann in der Zukunft: „In einem ersten Schritt hast Du als Interessent die Möglichkeit, Dein Interesse an unserem Glasfaserangebot zu bekunden“, heißt es in den AGB. Und mehr als dieser erste Schritt ist derzeit auch nicht möglich. Die Abgabe eines Angebots erfolgt erst, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind, wann immer das sein wird. Da Gigafiber ein Kabel aufs Grundstück verlegt, muss man, Haken, entweder der Alleineigentümer der Immobilie sein oder eine Erklärung des Grundstückseigentümers oder der Eigentümergemeinschaft vorlegen, die dem zustimmt. Die meisten Mieter bleiben also außen vor.

Üblicherweise kostet die Herstellung eines Glasfaseranschlusses 1000 bis 2000 Euro. Wir fragten bei Gigafiber, wie das Unternehmen diese Kosten wieder einspielen will. Laut dem Pressesprecher Hartmut Müller-Gerbes, gehe man „mit solventen und erfahrenen Investoren“ in die Finanzierung. Der Null-Euro-Anschluss werde sich durch Kooperationen und Verträge mit Partnerunternehmen „sicher refinanzieren“. Datenschutz und Datenintegrität des Kunden blieben dabei gewahrt. Derzeit werden in Deutschland viele Glasfaseranschlüsse, die verlegt und technisch betriebsbereit sind, vom Kunden nicht gebucht. Diese nimmt Gigafiber mit dem Null-Euro-Anschluss in den Blick. Die Rate der Glasfasernutzer soll erhöht werden, was wiederum den Ausbau für „bisher unattraktive Gebiete bis tief in den ländlichen Raum“ ermögliche. Durch die hohe Zahl der Kunden werde sich das Geschäftsmodell dauerhaft tragen, man will also nicht weniger als den Markt aufrollen.

Die Rechnung kann aber nur aufgehen, wenn der Kunde tatsächlich seine Zahlungen über den von Gigafiber beauftragten Payment-Dienstleister abwickelt. Wer das versäumt, wird dann doch zur Kasse gebeten. In den AGB wird dem Kunden für einen Verstoß während der Mindestvertragslaufzeit in Aussicht gestellt, in einem solchen Fall die Kosten für die Einrichtung des Hausanschlusses anteilig erstatten zu müssen Im Widerspruch dazu sichert der Pressesprecher zu, dass „in keinem Falle“ Kosten für die Erstellung des Internetanschlusses in Rechnung gestellt würden. Man werde das in den AGB noch präzisieren. Den Ausbau will Gigafiber selbst vornehmen, den Schwerpunkt aber auf den Ausbau durch Subunternehmen und Partner legen. Das Unternehmen will darüber hinaus auch „bestehende Netze integrieren und Synergien nutzen“, also bestehende Anschlüsse anderer Anbieter weiterverkaufen. Die eingetragenen Gesellschafter der Giga Fiber GmbH sitzen in Dubai. Auf unsere Frage, wer dahinterstehe, antwortete Müller-Gerbes ausweichend. Ein „Family Office“ mit Investoren mit langjährigen Erfahrungen im Infrastrukturaufbau möchte „aus Diskretionsgründen“ nicht im Vordergrund stehen; das übernimmt der Unternehmensgründer Lars Diebold.

Kurz zusammengefasst hat Gigafiber zwar ein großes Versprechen abgegeben, aber bislang noch keinen einzigen Anschluss geliefert. Das Unternehmen sammelt zwar massenhaft Anträge, aber hat bislang offenbar noch keinen Vertrag geschlossen. Wann und wie der Ausbau erfolgen soll, steht noch in den Sternen. Zwar spricht der Pressesprecher auf Anfrage von „räumlichen Clustern“, beschleunigtem und entbürokratisiertem Ausbau, räumlichen Einheiten, Nachverdichtung und Interessenten, aber von keinem einzigen konkreten Projekt. Selbst wenn alles wie geplant läuft, wird Gigafiber für den Ausbau der Fläche Zeit brauchen – einstweilen kann man seinen Anschluss besser dort bestellen, wo er geliefert wird. (uma)