"Wir wollen die fossilen Energien mit Software schlagen"

Einst einer der führenden New-Economy-Investoren, setzt Bill Gross nun mit eSolar auf Solarthermie. Technology Review sprach mit ihm über die Innovationen, mit denen eSolar den Energiesektor aufmischen will, und warum Photovoltaik chancenlos gegen Kohlestrom bleiben wird.

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Von
  • Jason Pontin

In New-Economy-Kreisen ist Bill Gross ist eine Legende. Über 75 Dotcom-Firmen verhalf der von ihm 1996 gegründete Inkubator Idealab zum Start. Seine bekannteste Investition war GoTo.com, ein Web-Marktplatz für Online-Anzeigen, die neben Suchergebnissen platziert werden. Heute ist das Verfahren als „Keyword Advertising“ Standard und hat den Branchenriesen Google reich gemacht. 2003 wurde GoTo.com, das inzwischen Overture hieß, für 1,6 Millarden Dollar an Yahoo verkauft.

Doch Gross hat sich nie auf seinen Lorbeeren ausgeruht. Eine seiner jüngsten Beteiligungen ist eSolar, wo er Aufsichtsratvorsitzender ist. Das Start-up hat sich vorgenommen, Energie aus Solarthermie so billig wie Kohlestrom zu machen. Technology Review sprach mit Gross über die Innovationen, mit denen eSolar den Energiesektor aufmischen will, und warum Photovoltaik chancenlos gegen Kohlestrom bleiben wird.


Technology Review: Warum setzt eSolar auf Solarthermie, die lange nicht so verbreitet ist wie Photovoltaik?

Bill Gross: Wir wollen der Kohle Konkurrenz machen. Als wir alle Erneuerbaren Energien durchgingen, die sich in richtig großem Stil umsetzen lassen, merkten wir, dass es eigentlich immer Varianten von Solarthermie waren. Die lässt sich deshalb so gut skalieren, weil alle Materialien reichlich vorhanden sind: Es gibt genug Stahl und Glas, um den gesamten Planeten solarthermisch mit Energie zu versorgen. In der Theorie hatte die Solarthermie schon länger ein großes Potenzial, aber wir wollen es in die Realität umsetzen.

TR: Was wollen sie anders machen als etablierte Firmen auf dem Gebiet, von denen einige schon 20 Jahre alt sind?

Gross: Abengoa aus Spanien zum Beispiel hat bereits viele Solartürme gebaut, und auch andere haben die Technik im größeren Maßstab installiert. Aber das hat die fossilen Energien nicht angekratzt. Das Problem ist, dass bisher der Bauaufwand zu hoch war. Wenn Sie den Energiemarkt aufmischen wollen, brauchen sie Komponenten, die wie beim Auto in Massenproduktion gefertigt werden.

Ein 200 Meter hoher Solarturm, auf den die Spiegel ausgerichtet sind, ist ein Wolkenkratzer. Es dauert ein Jahr, bis er fertig ist. Deshalb haben wir uns für kleine Türme und kleine Spiegel entschieden, die in einer Fabrik vorgefertigt werden können. Unser Turm besteht aus zwei Teilen und kann in einem Tag errichtet werden. Alle unsere Spiegel und Halterungen passen in Container – das bedeutet, dass wir sie in China herstellen lassen und verschiffen können. Wenn das Material in einen Container passt, verändert sich die gesamte Logistik. Statt ein paar riesiger Komponenten können Sie Hunderttausende bewegen. Das ist die disruptive Veränderung, die wir sehen. Und die hat neue Herausforderungen nach sich gezogen.

TR: Sie meinen die Software, die eSolar entwickelt hat, um Tausende von Spiegeln ganz präzise auf den Turm auszurichten?

Gross: Ja, die Software ist das Unterscheidungsmerkmal. Sie ist deshalb eine Herausforderung, weil sich nicht alle Spiegel in derselben Weise bewegen. Jeder schwenkt in einem anderen Winkel, um das Sonnenlicht den ganzen Tag auf die Turmspitze zu lenken.

Die anderen Solarthermie-Firmen müssen ihre Anlagen sehr genau überwachen. Sie justieren den richtigen Einfallswinkel an den Spiegeln mechanisch, in Abhängigkeit vom Sonnenstand. Wir hingegen sind bisher die einzigen, die die Ausrichtung anhand des vom Spiegel reflektierten Sonnenlichts vornehmen. Das mittels Software hinzubekommen, ist schwer genug, und wir haben unsere Lösung patentiert.

Aber der Aufwand hat sich gelohnt: Wir machen den Container auf und stellen einfach die Spiegel auf, ohne die Anordnung genau austüfteln zu müssen. Der Spielraum liegt bei plus minus 30 Zentimetern. Unsere Jungs könnten sogar betrunken sein, wenn sie die Spiegel aufbauen.

TR: Und damit machen Sie solarthermische Energie billiger, als die Konkurrenz es kann?

Gross: Datenverarbeitung ist billig, und sie auch das einzige, was im Energiesektor billiger wird. Alle anderen Ausgangsmaterialien werden langfristig teurer. Das ist unser Ansatz, wie wir die fossilen Energien schlagen wollen: mit Software.

TR: Was ist für Sie das Problem an der Photovoltaik?

Gross: Photovoltaik wird nie mit Kohleenergie konkurrieren können. Solarzellen sind nicht das einzige, was teuer ist. First Solar, ein großartiger Solarzellhersteller, hat die Kosten bei den aktuellen Modulen inzwischen zwar auf 90 Cent pro Watt senken können. Aber selbst wenn sie die Zellkosten bis auf null Cent runterschrauben, hilft das nicht. Die Arbeitskosten für eine fachkundige Installation und der Nutzungsgrad der Anlage verhindern, dass der Preis unter ein Minimum fallen kann.

Weil die Materialien für Photovoltaik teuer sind, werden die Kosten aber nie auch nur näherungsweise gegen null gehen. Wir können die Energiekosten immerhin dem Preis für Glas annähern. Dank unserer modularen Konstruktion, der Vorfertigung und des höheren Wirkungsgrades der Solarthermie – drei bis vier Mal so hoch wie der von Solarzellen – wird die Photovoltaik unseren Energiepreis nie erreichen können.

TR: Mit Idealab haben Sie hauptsächlich in Internet-Start-ups, wie GoTo.com, investiert. Warum machen Sie nun eSolar?

Gross: eSolar könnte eine ähnlich revolutionäre Idee werden wie GoTo. Für Google wurde es eine 100-Millarden-Dollar-Chance. Ich hätte nichts dagegen, wenn eSolar ebenfalls eine wird. (nbo)