Der bakterielle Fingerabdruck

Die genetische Zusammensetzung der Mikroorganismen auf der Haut eines Menschen könnte als forensisches Werkzeug dienen.

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Von
  • Alla Katsnelson

Die genetische Zusammensetzung der Mikroorganismen auf der Haut eines Menschen könnte in einigen Jahren als forensisches Werkzeug dienen.

Nicht nur unser eigenes Erbgut ist einzigartig. Auch das Genprofil der Bakterien, die sich auf unserer Haut befinden und die wir ständig auf Objekte, die wir berühren, übertragen, ist so individuell wie ein Fingerabdruck. Forscher an der University of Colorado in Boulder wollen diese Tatsache nun ausnutzen, um ein neues forensisches Werkzeug zu schaffen: Den Wissenschaftlern Noah Fierer, Rob Knight und ihren Kollegen gelang es bereits, Mikroorganismen von den Computertastaturen dreier Versuchspersonen zu sichern und diese anschließend korrekt zuzuordnen.

Dazu nutzen sie mehrere Proben, aus denen sich mehr als 1400 Kopien bakterieller ribosomaler Gene extrahieren ließen, um die individuellen Spezies der enthaltenen Mikroorganismen zu bestimmen. Dabei sequenzierten sie eine große Anzahl von Bakterien-DNA in einem Rutsch. Anschließend waren die Computermäuse neun weiterer Testpersonen an der Reihe. Beim Vergleich der dort gefundenen Mikroorganismen mit einer Datenbank, die die mikrobielle Zusammensetzung an den Händen von 270 weiteren Personen enthielt, ergaben sich signifikante Unterschiede. Ergo: Die Bakterien von den Mäusen passten jeweils am besten zu ihren tatsächlichen Besitzern.

Aktuell sei die Technik noch in einem sehr frühen Stadium, räumt Fierer ein. Er rechnet aber damit, dass sie in einigen Jahren ähnlich akkurat sein könnte wie ein genetischer Fingerabdruck. Die Idee einer mikrobiellen "Signatur" zur Unterscheidung einzelner Personen sei nicht neu, bestätigt auch David Relman, Professor für Medizin, Mikrobiologie und Immunologie an der Stanford University. Schon seit mehreren Jahrzehnten stellten sich Forscher die Frage, ob es möglich sei, einen Täter über einen ganz bestimmten E. coli-Stamm in seinem Körper aufzuspüren. Bis vor kurzem sei das jedoch technisch wie methodisch kaum umzusetzen gewesen.

Seit wenigen Jahren sorgen nun schnellere und billigere Sequenzierungsmaschinen dafür, dass breit angelegte Studien an den verschiedenen Kolonien von Mikroorganismen im menschlichen Körper möglich sind. Wissenschaftler entwickelten eine Art DNA-"Barcode", der es erlaubt, durch charakteristische Erbgutbestandteile einzelne Spezies zu unterscheiden. "Vor drei Jahren war das schlicht noch nicht möglich", sagt Lance Price, Direktor des Zentrums für Metagenomik am Translational Genomics Research Institute in Arizona.

Eine Handvoll Studien innerhalb des Human Microbiome Project haben gezeigt, dass die Zusammensetzung der Mikroorganismen auf der Haut sich von Person zu Person stark unterscheiden kann – und selbst von Körperstelle zu Körperstelle. Die University of Colorado-Forscher hätten nun demonstriert, dass selbst die Überbleibsel dieser Lebewesen, die durch Berührungen übertragen werden, einzigartig sein könnten, sagt Experte Relman. "Als forensische Technik wäre das allerdings noch etwas verfrüht, aber das Verfahren könnte ja eines Tages robuster werden."

Der Ansatz wäre immer dann nützlich, wenn andere Methoden der Forensik versagen, meint Martin Blaser, Professor für Medizin und Mikrobiologie an der New York University. "Wenn man einen Abstrich von der Haut macht, erhält man mindestens 100 Mal mehr mikrobielle DNA als menschliche DNA." Aus weniger Material erhalte der Fahnder also "ein stärkeres Signal".

Fingerabdrücke lassen sich beispielsweise nicht genau genug von einem Gegenstand abnehmen, wenn sie verwischt wurden. Auch auf Textilien bleiben beispielsweise kaum verwertbare Fingerabdrücke zurück – jedoch häufig noch genügend Bakterien-Material für eine Analyse."Das Mikrobiom ist nur eine andere Art von Fingerabdruck", sagt Blaser. Allerdings bleiben noch zahlreiche Fragen, wie genau die Technik letztlich sein wird. "Wir planten diese Studie zunächst nur als Konzeptbeweis", sagt Fierer. Die harte Arbeit komme erst noch auf das Team zu.

Unklar ist beispielsweise, ob die mikrobielle Signatur auch dann noch gewonnen werden kann, wenn bereits eine andere Person das zu überprüfende Objekt berührt hat. Zudem weiß noch niemand, wie stabil das menschliche Mikrobiom wirklich ist. So ist bekannt, dass Antibiotika die Zusammensetzung der Bakterien im Körper verändern, doch wie lange dies anhält, ist unklar. Um die Verlässlichkeit seiner neuen forensischen Technik zu belegen, will Fierer nun zunächst die Datenbasis verbreitern – er möchte die bereits vorhandene Datenbank der mikrobiellen Zusammensetzung an Händen stark vergrößern. Dann lässt sich damit beginnen, eine größere Anzahl von Profilen miteinander zu vergleichen, um Standards zu etablieren, welche Unterschiede besonders signifikant sind.

Die höhere Komplexität der gewinnbaren Proben eröffnet eventuell noch ganz andere Möglichkeiten. So ließe sich aus den Mikroorganismen in einem Abstrich beispielsweise schließen, was eine Person besonders gerne isst, wo sie arbeitet oder wie sie lebt. Forscher könnten all das aus dem Mikrobiom-Profil herauslesen. "Ich denke, wir stehen am Anfang eines Prozesses. Nun benötigen wir erst einmal deutlich mehr Datenquellen zum Aufbau von Variationen", sagt Stanford-Forscher Relman.

Die Bakterien-DNA ließe sich zumindest als zusätzlicher Beweis heranziehen. Das könnte in Zukunft immer wichtiger werden, denn in den USA läuft zur Zeit eine intensive Diskussion um die wissenschaftliche Belegbarkeit von Fingerabdruck-Vergleichen, berichtet das Wissenschaftsmagazin Nature in seiner aktuellen Ausgabe. Kritiker bemängeln demnach vor allem, dass die Analyse von Fingerabdruckspuren letztendlich immer noch auf der Grundlage einer subjektiven Bewertung durch Experten geschehe. Untersuchungen hätten aber ergeben, dass das Urteil dieser Experten unter anderem davon abhänge, was sie glaubten bereits über den Fall zu wissen. (bsc)