Kommentar: Jetzt stößt der KI-Hype an seine Grenzen
Der Wind dreht sich im KI-Hype – und immer aggressiver drücken die Anbieter ihre Assistenten den Nutzern auf. Schluss damit, fordert Wolf Hosbach.
Künstliche Intelligenz zeigt immer öfter ihre hässlichen Seiten. Nicht in dem Sinn, dass sie für schmutzige Zwecke wie Deepfakes oder Social Engineering eingesetzt wird, was schon länger ein Thema ist. Langsam zeigt sich einerseits, dass die KI-Hersteller ihre finanziellen Verteilungskämpfe um die KI-Nutzerinnen und -Nutzer immer stärker auf deren Rücken austragen. Und andererseits kommen immer stärkere Bedenken, ob KI ein Allheilmittel für alles und ungebremst moralisch vertretbar ist. Oft sind diese Fragen miteinander verwoben.
Vieles spricht dafür, dass der aus der großen Begeisterung – die wir alle teilen – geborene KI-Hype an seine Grenzen stößt, und der Blick auf eher zweifelhafte Dinge fällt. Letzte Woche hat eine Studie die Codequalität von GitHub Copilot hinterfragt, und zuvor ist ein Shitstorm über JetBrains hereingebrochen, weil der Hersteller von IntelliJ oder PyCharm ein KI-Plug-in auf den internen Marktplatz brachte, das sich nicht entfernen ließ. Das ärgerte viele Developer, da sie den Assistenten nicht weiter nutzen wollten oder aus Complience-Gründen nicht durften. Ein Nutzer schrieb, er hat Copyright-Bedenken, vor der "möglichen Offenlegung unseres firmeneigenen Codes auf externen Servern". Nach vielen Beschwerden ließ sich das Plug-in zwar deaktivieren – im Forum berichten aber viele, dass sich der KI-Assistent mit jedem Update wieder installiert.
Ebenfalls nicht zimperlich mit seinen Nutzern sind Microsofts Entscheider, die branchenweit eine neue Tastatur mit Copilot-Taste durchsetzen wollen. Viele, die einen Laptop besitzen, fragen sich, ob sie eine weitere Taste brauchen – wo auf kleinen Geräten derweil sinnvolle wie "Ende" oder "Entf" fehlen. Oder braucht nur Microsoft diese Taste, um seine künstliche Intelligenz in die menschliche hineinzuhämmern?
KI-Markt befindet sich im Goldrausch
Dass der KI-Markt ein riesiger wird, belegen viele Prognosen, stellvertretend diese von Forbes aus dem Dezember. Das Marktvolumen wird sich schnell in den dreistelligen Milliardenbereich bewegen, mit Wachstumsraten von zwanzig Prozent im Jahr. Diese Kombination eröffnet atemberaubende Gewinnmöglichkeiten, und jetzt stecken die Firmen die Claims für die Zukunft ab. Microsoft ist vorausschauend mit der intensiven Beteiligung an OpenAI vorweg geprescht – und nicht ohne Grund ist der Wert der Firma überproportional um über fünfzig Prozent gestiegen (zum Vergleich: Nasdaq plus 35 Prozent, TecDax plus ein Prozent).
Da es um wirklich viel Geld geht, greifen die Firmen offensichtlich zu den solch unseriösen Mitteln, um Nutzerinnen und Nutzer zu gewinnen und zu binden. Ob die Betroffenen auf Dauer davon begeistert sind, ist zweifelhaft. Einige JetBrains-Nutzer etwa sprechen offen über den Wechsel zu anderen Programmen: "Ich fange an, mich zu fragen, ob ihr noch mein Geld wollt … Ich bin enttäuscht".
Die Beispiele aus dem technischen Bereich verdeutlichen, dass sachlich über die Regulierung von KI nachzudenken kein Standortnachteil ist. Vielmehr sorgt sie für die Begrenzung von negativen Auswüchsen, die zum Nachteil aller sind. Zu den schlimmsten Auswüchsen zählt, den Nutzerinnen und Kunden keine Wahl zu lassen, ob sie KI einsetzen wollen oder nicht. Ich freue mich über OpenAI und GitHub Copilot, verwende beides gern, brauche aber weder eine Copilot-Taste an meinem Laptop noch ein aufgezwungenes KI-System in meiner Entwicklungsumgebung. Stattdessen möchte ich selbst entscheiden, wo die KI mir hilft und wo sie überflüssig, lästig oder (beispielsweise für meine privaten Daten) gefährlich ist.
(who)