Taurus-Leak: Bundeswehr nutzte angeblich ungesichertes System

Eine Konferenz von Offizieren der Bundeswehr soll abgehört worden sein, weil die Soldaten ein nicht gesichertes System verwendet haben – trotz Alternativen.

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Offiziere der Luftwaffe scheren offenbar bei Sicherheitsvorgaben zu Konferenzen manchmal aus.​

Offiziere der Luftwaffe scheren offenbar bei Sicherheitsvorgaben zu Konferenzen manchmal aus.

(Bild: Bundeswehr / Christian Timmig)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Nico Ernst
  • mit Material der dpa

Unter deutschen Sicherheitspolitikern wird hitzig diskutiert, wie ein durch Russland veröffentlichtes Gespräch von Führungsoffizieren der Luftwaffe mitgeschnitten worden sein könnte. Am Freitag wurde die Diskussion über die Möglichkeiten einer Belieferung der Ukraine mit dem Marschflugkörper Taurus vom russischen Propagandakanal RT veröffentlicht. Das Bundesverteidigungsministerium hat bestätigt, dass es die Konferenz gab, prüft aber derzeit, ob der Mitschnitt verfälscht wurde.

Wie Russland an den Mitschnitt gelangte, wird nun vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) untersucht. Nach dpa-Informationen haben die Offiziere über die Kommunikationsanwendung WebEx miteinander gesprochen. Auch heise online liegen Informationen vor, wonach WebEx häufig von der Bundeswehr eingesetzt wird. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums sagte der dpa: "Es gibt Anhaltspunkte, dass mit Blick auf die offensichtlich besprochenen Inhalte ein nicht ausreichend sicheres Kommunikationsmittel verwendet wurde. Dies ist unter anderem Gegenstand der weiteren Untersuchungen."

In die Diskussion schaltete sich auch CDU-Politiker Roderich Kiesewetter ein, der Mitglied im parlamentarischen Kontrollgremium zur Aufsicht über die deutschen Nachrichtendienste und Oberst a.D. der Bundeswehr ist. Er sagt laut einer Vorabmeldung der dpa am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin": "Es verdichten sich leider Hinweise, dass offensichtlich ein russischer Teilnehmer sich in die WebEx eingewählt hat und das offensichtlich nicht auffiel, dass dort eine weitere Zuwahlnummer war." Die Sprecherin des Verteidigungsministeriums äußerte sich nicht dazu.

In einem Interview mit der "Welt" äußerte Kiesewetter auch Kritik am Umgang mit Konferenzsystemen in der Bundeswehr. Zwar sei die Truppe "Opfer, nicht Täter", so Kiesewetter, dennoch gestand er ein: "Auch die hohe Generalität muss begreifen, dass solche Kommunikation nicht über WebEx, Zoom, oder andere offene Kanäle laufen kann. Dazu gibt es gehärtete Verfahren. Warum das nicht eingesetzt wurde, muss geklärt werden." Kiesewetter sieht hinsichtlich der Kommunikationsmittel der Bundeswehr auch das BSI in der Pflicht, es müsse sich "Gedanken machen, wie man niedrigschwellig generell geschützte Kommunikation ermöglicht". Solche Systeme gebe es zwar, es sei jedoch "die Schwelle, sicherheitsbedeutsame Videokonferenzanlagen zu nutzen, relativ hoch."

Auch die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), forderte stärkere Sicherheitsvorkehrungen. "Erstens müssen umgehend alle Verantwortlichen auf allen Ebenen der Bundeswehr umfassend zu geschützter Kommunikation geschult werden", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zweitens müsse sichere und geheime Kommunikation stabil gewährleistet sein. Drittens forderte Högl, mehr in die Spionageabwehr zu investieren und den MAD dafür zu ertüchtigen.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius trat am späten Sonntagnachmittag für eine kurzes Statement und eine Fragerunde vor die Presse. Er gab an, eine "lückenlose Aufklärung" über das Bundesamt für den militärischen Abschirmdienst (BAMAD) in die Wege geleitet zu haben. Zu prüfen sei, ob der Inhalt des Gesprächs richtig eingestuft worden sei. Von WebEx gebe es "zertifizierte Formen", diese könnten "bis zu einer bestimmten Vertrauens- und Geheimhaltungsstufe genutzt werden". Ob das der Fall war, müsse das BAMAD herausfinden. Für den Anfang der kommenden Woche erwartet der Minister erste Erkenntnisse.

Pistorius will sich bisher nicht an "Spekulationen" über den technischen Weg des abgehörten Gesprächs beteiligen, was indirekt auf die Angaben von Roderich Kiesewetter zielt. Auch, ob einer der Teilnehmer des Gesprächs sich per Handy eingewählt hat, ist Pistorius zufolge noch nicht erwiesen. Wichtiger, so der Minister: "Wir dürfen Putin nicht auf den Leim gehen". Inhalt und Zeitpunkt des Leaks zeigten "dass es hier nur darum geht, diesen Mitschnitt zu benutzen um zu destabilisieren und zu verunsichern."

(nie)