Nach Tesla-Anschlag: Sorge um kritische Infrastruktur

Der Angriff auf die Stromversorgung von Tesla in Grünheide schreckt Politik und Wirtschaft auf.

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Strommasten

Zu den kritischen Infrastrukturen zählen neben jener derEnergie- und Wasserversorgung auch solche für Transport und Verkehr sowie Informationstechnik und Telekommunikation.

(Bild: heise online / anw, Symbolbild)

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Die Wirtschaft in Deutschland verlangt nach dem Anschlag auf die Stromversorgung der Tesla-Autofabrik in Grünheide bei Berlin mehr Sicherheit der Infrastruktur. "Politik und Wirtschaft sind gemeinsam gefordert, die Sicherheit der Netze und kritischer Anlagen zu gewährleisten", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben, am Mittwoch. Die Bundesregierung will mit einem Gesetz den Schutz wichtiger Netze und Anlagen verstärken und die Sicherheitsbemühungen der Betreiber unterstützen. Die Regierung verschleppe aber die Verabschiedung des zugehörigen Gesetzes seit Monaten, kritisierte Wansleben.

Der US-Elektroautohersteller Tesla rechnet nach dem Anschlag noch mit einem tagelangen Produktionsausfall in Grünheide bei Berlin, seinem einzigen Autowerk in Europa. Unbekannte Täter hatten am Dienstag auf einem Feld Feuer an einem Strommast gelegt, der auch für die Versorgung der Tesla-Fabrik zuständig ist. Die Produktion in Grünheide wurde vorerst gestoppt. Zehntausende Bewohner in der Region waren von Stromausfall betroffen. Die Polizei bezeichnete ein Bekennerschreiben der linksextremen "Vulkangruppe" als authentisch. Der Energienetzbetreiber Edis begann mit einer Begutachtung des Schadens am Hochspannungsmast.

"Dieser Anschlag hat an einem Punkt stattgefunden – in der Energie-Infrastruktur – die wir als besonders neuralgische Infrastruktur bezeichnen", sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Mittwoch im Innenausschuss des Brandenburger Landtags. Es gebe verschiedene solcher Punkte, die mit einfachsten Mitteln und mit verheerenden Schäden angegriffen werden könnten. Stübgen hatte am Dienstag kurz nach Bekanntwerden des Anschlags betont, der Rechtsstaat werde auf "einen solchen Sabotageakt" mit aller Härte reagieren.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Mittwoch, die Bundesregierung verurteile solche Anschläge auf das Schärfste. Das Bundesinnenministerium will erreichen, dass sich das Kabinett möglichst schnell mit dem sogenannten Kritis-Dachgesetz befasst. Damit soll die kritische Infrastruktur besser gegen Gefahren geschützt werden. Darüber hinaus sei es erst einmal die Pflicht der Netzbetreiber, ihre Infrastruktur zu schützen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Dies sei natürlich bei einem Umspannwerk leichter als bei einem Strommast, der auf einem Feld steht.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft schlug vor, Bund und Länder bei der Gefahrenabwehr stärker in die Pflicht zu nehmen. Der öffentliche Zugang zu Daten kritischer Infrastruktur müsse beschränkt werden.

Das Bundesinnenministerium hatte im Sommer 2023 Gesetzentwürfe für das KRITIS-Dachgesetz zum besseren physischen Schutz von Infrastrukturen und das Gesetz zur Umsetzung der EU-Netzwerk- und Informationssicherheitsrichtlinie NIS2 in die bundesregierungsinterne Abstimmung gegeben. Damit soll die Resilienz kritischer Infrastrukturen in Deutschland gestärkt werden. Dagegen regte sich einige Kritik.

Die linksextreme "Vulkangruppe" wirft Tesla "extreme Ausbeutungsbedingungen" vor, außerdem verseuche die Gigafabrik das Grundwasser, sie produziere "Monstertrucks". Die Gruppierung schrieb von Sabotage gegen Tesla und erklärte auch, wie sie dabei vorgegangen ist, um einen Kurzschluss an dem Strommast mit seinen sechs 110-kV-Kabeln zu verursachen. Zudem war es ihr Ziel, durch einen Brand die Festigkeit des Mastes zu verringern.

"Wir schätzen das Schreiben als echt ein", sagte eine Sprecherin der Brandenburger Polizei. Auch wenn die Folgen diesmal deutlich gravierender sind, folgt der Anschlag dem gleichen Muster wie der Brandanschlag vom Mai 2021, bei dem ein Stromkabel beschädigt wurde, das unter anderem die Tesla-Baustelle versorgte. Auch damals tauchte ein von den Sicherheitsbehörden als authentisch eingestuftes Schreiben der Selbstbezichtigung im Namen der "Vulkangruppe" auf. 2018 verursachte mutmaßlich diese Gruppe in Berlin einen Kabelbrand, 6500 Haushalte wurden von der Strom- und Telekommunikationsversorgung abgeschnitten.

2021 konnten die Täter nicht ermittelt werden. Deshalb behelfen sich die Sicherheitsbehörden mit der Arbeitshypothese, dass es sich hier um eher lose vernetzte linksextremistische Kleingruppen mit Schwerpunkt in Berlin und Brandenburg handelt.

Tesla-Chef Elon Musk zeigte sich den Angaben zufolge gelassen, obwohl das Werk in Deutschland vorerst lahmgelegt ist. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) telefonierte am Dienstag mit ihm. "Elon Musk war sehr sachlich und souverän in der Reaktion", sagte Steinbach dem Tagesspiegel. "Es bestand sofort Einigkeit, dass als Reaktion nichts passieren darf, was den Attentätern einen Erfolg gegönnt hätte." Musk forderte jedoch Solidarität und vertrauensbildende Maßnahmen zur Unterstützung des Unternehmens und seiner Beschäftigten ein.

Der Widerstand gegen Tesla nimmt zu. Bei einer Bürgerbefragung in Grünheide lehnten rund zwei Drittel die von Tesla geplante Erweiterung um einen Güterbahnhof und Lager auf einem angrenzenden Gelände ab. Dort sollen mehr als 100 Hektar Wald gerodet werden. Am Donnerstag vergangener Woche schlugen dann etwa 100 Aktivisten in der Nähe des Werks im Wald ein Protestcamp mit Baumhäusern auf.

Werksleiter André Thierig zeigt sich besorgt. Er sieht mit Blick auf den Anschlag eine "sehr kritische Grundstimmung, die vielleicht auch solches Verhalten schüren". Er nannte als Schaden mehrere hundert Millionen Euro. Nach Informationen der dpa bezieht sich Thierig auf den Umsatzverlust der Autos, die nicht verkauft werden könnten. Er rechnet mit einem Ausfall von mehr als 1000 Autos pro Tag.

(anw)