re:publica: Regulierer und Politik sollen Netzneutralität stärken

Verbraucherschützer und Hacker haben politische Entscheider aufgefordert, mehr für die Einhaltung des offenen Prinzips des Internet zu tun und Bestrebungen zum Aufbau eines Zwei-Klassen-Netzes einen Riegel vorzuschieben.

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Verbraucherschützer und Hacker haben die Politik und die Bundesnetzagentur aufgefordert, mehr für die Einhaltung des offenen Prinzips des Internet zu tun und ein "Zwei-Klassen-Netz" zu verhindern. Der Markt werde es nicht richten, wandte sich Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC) am heutigen Donnerstag auf der Konferenz re:publica in Berlin gegen die Koalitionslinie. Vor allem auf dem Land sei der Wettbewerb gar nicht vorhanden, aber auch in den Städten könnten die Nutzer "nicht alle zwei Monate den Anbieter wechseln".

Auch Falk Lüke vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) sprach sich für klarere Regulierungsvorgaben aus. Überlasse man die Definition des Begriffs Internet dem Markt, erhalte der Kunde künftig womöglich nur noch einen IPTV-Zugang mit eingeschränkten Surfmöglichkeiten oder einen abgeschlossenen Dienst wie Compuserve in den Anfangszeiten des Netzes. Es reiche nicht aus, eine Mindestqualität für einen Internetanschluss festzulegen. Derzeit gingen viele Provider dazu über, Verfahren zum Netzwerkmanagement wie das sogenannte Traffic Shaping einzusetzen. Von einer eigentlich dreispurigen Datenautobahn blieben dann nur noch zwei Spuren übrig. Es sei für den Verbraucher nicht immer nachvollziehbar, wenn ein Anbieter spezielle Ports etwa zum Filesharing drossele.

"Der Kunde kriegt, was von der Shaperei übrig bleibt", monierte auch Kurz. Netzwerkmanagement sei schließlich "schlicht profitabel". Sie könne sich selbst auch entsprechende "sexy" Geschäftsmodelle aus Sicht der Anbieter ausdenken. Für die Kunden entstehe damit aber die Gefahr, dass die Verbindung beispielsweise beim Abruf der BBC-Seite "quälend langsam" werde, weil der Provider mit dem Medienunternehmen keinen Vertrag abgeschlossen habe. Mit der Netzneutralität seien so auch die Informations- und Meinungsfreiheit sowie andere demokratische Grundwerte eng verknüpft.

Cara Schwarz-Schilling von der Bundesnetzagentur hielt dagegen, dass der Rechtsrahmen "ganz gut funktioniert". Marktbeherrschenden Telekommunikationsfirmen könnten bereits umfangreiche Auflagen gemacht werden. Auch im Mobilfunk, wo der Wettbewerb groß sei, habe der Regulierer eine Blockade des VoIP-Anbieters Skype größtenteils aufheben können. Ein Problem mit der Netzneutralität entstehe eigentlich nur, "wenn Nutzer keine Auswahl haben". Breitbandanschlüsse und Glasfaser müssten allerdings erst zum Kunden gebracht werden, was "sehr viel Geld" koste. Hier müsse es Anreize für die Betreiber geben.

Große Erwartungen knüpft Schwarz-Schilling auch an die neuen Auflagen aus dem neuen EU-Regulierungsrahmen für den Telecom-Markt, den Deutschland im Bereich Netzneutralität wohl nahezu Eins zu Eins umsetzen werde. Provider müssten dann das "Kleingedruckte" aus den Verträgen künftig groß darstellen. Zudem könnten die Regulierer Vorschläge für die Ansetzung einer Mindestqualität von Breitbandnetzen machen. Künftig werde auf EU-Ebene wohl auch eine Debatte über die Ausweitung des von Anbietern zu gewährleistenden Universaldienstes vom reinen Telefonanschluss auf das Breitbandnetz geführt.

Die für die "digitale Agenda" zuständige EU-Kommissarin, Neelie Kroess, hatte Anfang der Woche angekündigt, wohl noch vor dem Sommer eine Konsultation zum Bereich Netzneutralität durchführen zu wollen. Generell sei das Internet nicht naturgemäß eine "neutrale Plattform". Es müssten daher angesichts der Forderungen zur Beteiligung von großen Inhalteanbietern wie YouTube an den Leitungskosten neue Entscheidungen getroffen werden, ob Provider zwischen einzelnen Inhalten unterscheiden und sie mit verschiedenen Maßgaben an den Endkunden bringen dürften. (anw)