RoboCup German Open: Lernen auf verschlungenen Pfaden

Manchmal ist so ein RoboCup-Spiele keine Freude für die Zuschauer. Die Akteure bewegen sich auf verschlungenen Pfaden und kommen nicht zum Torabschluss. Doch die Programmierer lernen daraus, und mit ihnen die Roboter-Kicker.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Der Ball liegt in perfekter Schussposition. Alle Gegenspieler sind ausgeschaltet. Der Stürmer läuft zum Ball, macht ein paar Trippelschritte zur Seite, prüft seine Position, noch ein paar Schrittchen, erneute Prüfung – und dann ist es zu spät, die Chance ist vergeben. Für die Zuschauer kann so ein Spiel bei den RoboCup German Open in Magdeburg schon etwas frustrierend sein. Da hat es bei früheren Roboterfußballturnieren schon rasantere Begegnungen gegeben. Doch aus den Unbeholfenheiten, die bei den Spielen in Magdeburg zu beobachten waren, auf einen Rückschritt zu schließen, wäre voreilig. Es gehört ja zum Prinzip, die Latte der Anforderungen von Jahr zu Jahr höher zu hängen und die Spielbedingungen für die Roboter regelmäßig zu erschweren. Der Spielfluss kann darunter vorübergehend leiden, die Technologie aber bringt es voran.

Das eingangs beschriebene Trippelballet ereignete sich in einem Spiel der Standard Platform League. Hier verwenden alle Teams die gleiche Roboterhardware, an der nichts geändert werden darf – der Wettbewerb erfolgt ausschließlich auf der Ebene der Programmierung. Von 1999 bis 2008 wurde in dieser Liga mit vierbeinigen Aibo-Robotern gespielt, die sich am Ende mit großem Tempo und sehr zielstrebig über das Spielfeld bewegten. Die besten Teams beherrschten verschiedene Schusstechniken, die sie je nach Spielsituation einsetzten. Sogar Fallrückzieher gab es hier schon zu bestaunen, bei denen die Roboter den Ball mit den Vorderpfoten griffen und sich dann nach hinten fallen ließen.

RoboCup German Open 2010 - Zweiter Tag (4 Bilder)

Kicken?

Da ist der Ball, den könnte ich jetzt kicken... (Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Mit der Umstellung auf die Nao-Roboter mussten die Programme aber neu entwickelt werden. Schließlich läuft es sich auf zwei Beinen anders als auf vier. Die mit den Aibos gesammelten Erfahrungen waren jedoch nicht wertlos. "Wenn man einmal Laufroutinen entwickelt hat, tut man sich beim nächsten Mal von vornherein leichter damit", sagt Heinrich Mellmann, Leiter des Nao Team Humboldt. "Auch die Erfahrungen mit der Erarbeitung einer Softwarearchitektur, die wir mit den Aibos gewonnen haben, zahlen sich jetzt aus."

Der Transfer von Wissen kann über vielfältige Kanäle erfolgen. So nimmt das Team der Berliner Humboldt-Universität auch am Wettbewerb der 3-D-Simulationsliga teil. Hier werden Spiele mit Naos in einer dreidimensionalen virtuellen Umgebung simuliert, in der physikalische Kräfte wie Schwerkraft oder Reibung wirken. Anders als auf einem realen Spielfeld, wo jeweils drei Roboter pro Team antreten, spielen in der Simulation sechs gegen sechs.

Hier zählt das Humboldt-Team zu den Favoriten. Die Spieler laufen sehr schnell und verlieren bei der Suche nach der geeigneten Schussposition auch nicht viel Zeit. Das verdanken sie wohl auch einem Neuzugang im Team: Xu Yuan gehörte im vergangenen Jahr noch zum Team SEU-Redsun der chinesischen Southeast University, das den Weltmeistertitel in der 3-D-Simulation gewann. Jetzt arbeitet der Student an der Humboldt-Universität an seiner Dissertation zum Verhältnis von Simulation und Realität.

Auf die Frage, warum die Nao-Roboter auf dem realen Feld nicht genau so gut spielen wie ihre virtuellen Ebenbilder, nennt Xu als erstes die verrauschten Sensordaten bei den realen Robotern. Auch sei die physikalische Simulation nicht präzise genug, um den Programmcode der simulierten Spieler umstandslos auf die Roboter zu übertragen. Auf dem virtuellen Feld können die Spieler beliebig oft hinfallen, ohne bleibende Schäden davonzutragen. In der materiellen Realität können solche Stürze dagegen schon mal die Bits auf den Speichern durcheinander wirbeln und den Robotern die Orientierung nehmen.

Einen Transfer anderer Art leistet das Team NimbRo. In der Humanoid League hat das Team von der Universität Bonn mit selbst konstruierten Robotern mehrmals Weltmeistertitel gewonnen. Bei den German Open in Magdeburg spielt NimbRo nun erstmals in der Standard Platform League mit – und wird bereits als Kandidat fürs Endspiel gehandelt, wahrscheinlich gegen den amtierenden Weltmeister B-Human von der Universität Bremen. Das ist umso bemerkenswerter, als das Team für die Programmierung der Naos komplett neu zusammengestellt wurde. Zwar hat NimbRo den von B-Human teilweise veröffentlichten Programmcode übernommen, aber das allein kann den schnellen Erfolg nicht erklären. Die für die eigenen Weltmeisterspieler entwickelten Programme sind wegen der völlig anders strukturierten Hardware auch nur von begrenztem Nutzen. Hier sorgen wohl auch subtilere Mechanismen dafür, dass das Team in der neuen Spielklasse gleich wieder an die Spitze drängt. Vielleicht ist Teamleiter Sven Behnke einfach ein guter Lehrer und Motivator.

Auf jeden Fall gibt es begründete Hoffnung, dass sich der Spielfluss auf allen Feldern bis zum Ende des Turniers am Sonntag noch deutlich steigern dürfte. Dafür sorgen nicht nur mehr oder weniger geheimnisvolle Erfahrungstransfers, sondern vor allem die für die Teams rund um die Uhr geöffneten Messehallen. Das Angebot wird eifrig genutzt: So wird von den CoolRUNners berichtet, sie seien um 2 Uhr nachts mit einem fröhlichen "Guten Morgen!" auf den Lippen hier hereinspaziert und hätten sich ans Programmieren und Testen gemacht. (vbr)