Diskussion mit Bundesbank: Warum Bargeld nicht abgeschafft werden darf

Die Bedeutung des Bargelds sei in der öffentlichen Diskussion unterrepräsentiert, monieren 27 Verbände und Organisationen nach einem Dialog mit der Bundesbank.​

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Digitaler Euro vs. Bargeld

(Bild: isak55/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Die Deutsche Bundesbank diskutierte in den vergangenen Monaten erstmals mit 27 Verbänden und Organisationen aus der Breite der Gesellschaft über die Zukunft des Geldes. Erste Ergebnisse wurden nun in Form von drei Themenpapieren veröffentlicht. Alle Teilnehmer, die die Zentralbank in die Kategorien "Wächterorganisationen", Sozialverbände und "Bargeldbastionen" unterteilte, fordern demnach nachdrücklich einen Erhalt des Bargelds. Dieses sei für "schnelles und unkompliziertes Bezahlen, als Korrektiv im Zahlungsverkehr" sowie "für individuelle und gesellschaftliche Resilienz" erforderlich, heißt es etwa.

Die Wächtergruppe, zu der neben Vertretern der Bundesbank selbst etwa Abgesandte von Digitalcourage, der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID), Politik Digital, der Stiftung Datenschutz und von Verbraucherzentralen gehören, betont: "Bargeld ist das bevorzugte Zahlungsmittel für Menschen, die souverän mit ihren eigenen Daten umgehen möchten. Kein anderes Zahlungsmittel erreicht ein ebenso hohes Datenschutzniveau."

Das Datenschutzniveau unbarer Zahlungsmittel sei dagegen "sehr unterschiedlich", geben die Wächterorganisationen zu bedenken. Es hänge etwa davon ab, ob die privaten Anbieter "datengetriebene Geschäftsmodelle verfolgen". Verbraucher benötigten deshalb auch künftig verlässliche Informationen sowohl über die Absicherung ihrer Privatsphäre als auch über die Kosten von Zahlungsmitteln. Diese freie Wahl sei jedoch nur gegeben, "wenn datensparsame Zahlungsmittel wie Bargeld flächendeckend akzeptiert werden". Man sehe es daher kritisch, dass zunehmend Güter und Dienstleistungen nur nach Installation einer App bezogen werden könnten.

Für eine "hybride Bezahlrealität" sei eine Form digitalen Bargelds, das ein höchstmögliches Datenschutzniveau vergleichbar mit analogem Cash erreiche und anonym einsetzbar sei, wünschenswert, erklären die Experten. Eine solche alltagstaugliche Bezahloption stehe den Verbrauchern bislang jedoch nicht zur Verfügung. Die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission arbeiteten zwar an der Einführung eines digitalen Euro, was die Bundesbank unterstützt. Bis zur konkreten Umsetzung und Verfügbarkeit im Alltag dürften aber noch einige Jahre vergehen.

Mit Bargeld lasse sich der Zahlungsverkehr zudem dann kurzfristig aufrechterhalten, wenn die Funktionsweise unbarer Zahlungsmittel etwa bei Stromausfällen, Cyberangriffen oder Softwarestörungen eingeschränkt sei, konstatieren die Wächterorganisationen. Zugleich gelte es, Bargeld etwa durch den "Verzicht auf kleine Münzen und die Einführung von Rundungsregeln" attraktiver zu machen. Auch Selbstkassiersysteme mit Barzahlmodul oder Ein- und Auszahlungsautomaten könnten dazu beitragen.

Aus datenschutzrechtlicher Perspektive sei nicht nur relevant, "beim Bezahlen anonym zu bleiben oder keine (Zahlungs-)Spuren zu hinterlassen", ergänzt Kirsten Bock von der Stiftung Datenschutz alt Mitautorin des Papiers "Vielmehr ist die Dichte der Überwachung – vom Surfen im Internet über die Parkraumüberwachung vor dem Supermarkt bis zur Zahlung an der Kasse – in ihrer Gesamtheit problematisch." Die allgegenwärtige Weitergabe von Daten und deren Analyse führe dazu, dass kaum ein Schritt im Leben unbeobachtet bleibe. Das Bundesverfassungsgericht habe aber bereits im Volkszählungsurteil deutlich gemacht, "dass ein solches Szenario nicht akzeptabel ist".

Die Bargeldbastionen, zu denen etwa Handels-, Schausteller- und Handwerksverbände gehören, unterstreichen: Insbesondere auf Wochen- und Jahrmärkten, an Kiosken und im ÖPNV werde häufig mit Banknoten und Münzen bezahlt. Geschäfte und Anbieter, die dies ermöglichten, hätten Zugang zu einem potenziell größeren Kundenkreis. Menschen mit krimineller Energie könnten Bargeld zwar nutzen, um Steuern zu vermeiden oder kriminelle Aktivitäten zu finanzieren. Die digitale Bezahlwelt sei aber ebenfalls ein beliebtes Ziel für betrügerische Aktivitäten.

Die Sozialverbände argumentieren, Bargeld müsse als "als inklusives Zahlungsmittel für alle in einer barrierearmen, hybriden Bezahlwelt" erhalten werden. Es sei ein "verlässliches Mittel zur Ausgabenkontrolle" und helfe so dabei, Überschuldung zu vermeiden. Der Sozialverband Deutschland hebt hervor, Bargeldspenden seien für obdachlose Menschen überlebensnotwendig. Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch gibt zu bedenken: Bei Banken gebe es ein Recht auf ein Konto. Viele der zahlreichen neuen E-Zahlungsdienstleister gewährten armutsbetroffenen Menschen dagegen keineswegs automatisch einen Zugang. Laut Bundesbank wurde 2023 gut die Hälfte aller Transaktionen hierzulande mit Scheinen und Münzen abgewickelt. Gleichzeitig breiteten sich Karten und Apps weiter aus.

(mki)