Die KI muss die unsichtbaren Arbeiter anerkennen

Modelle für Maschinenlernen werden von schlecht bezahlten Online-Auftragsarbeitern trainiert. Ihre Auftraggeber sollten sie besser entlohnen und weiterbilden.

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(Bild: Saiph Savage)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Douglas Heaven

Viele der erfolgreichsten und am weitesten verbreiteten Maschinenlern-Modelle werden mithilfe Tausender schlecht bezahlter Auftragsarbeitern geschult. Weltweit verdienen insgesamt Millionen von Crowdworkern ihr Geld auf Plattformen wie Amazons „Mechanical Turk“ ihr Geld mit der Ausführung ungezählter kleiner Aufgaben, die Unternehmen und Forscher an sie auslagern. In den USA erwirtschaften rund 250.000 Menschen auf diese Weise mindestens drei Viertel ihres Einkommens. Doch obwohl sie für die reichsten KünstIiche-Intelligenz-Labore (KI) der Welt arbeiten, erhalten sie weit weniger als den Mindestlohn.

Das will Saiph Savage, Direktorin des Mensch-Computer-Interaktionslabors an der West Virginia University ändern. Anfang Dezember warb sie in einem Vortrag auf der „NeurIPS“, einer der weltweit größten KI-Konferenzen für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen dieser Gig-Arbeiter.

Technology Review: Warum haben Sie der KI-Community von den „unsichtbaren Arbeitern“ erzählt? Weiß sie nichts darüber?

Saiph Savage: Weil sie ihre Forschung mit der Arbeit dieser Arbeiter vorantreiben und erkennen müssen, dass ein selbstfahrendes Auto oder ähnliche Dinge nur existieren, weil Menschen keinen Mindestlohn bekommen. Während wir über die Zukunft der KI nachdenken, sollten wir über die Zukunft der Arbeit nachdenken. Diese Arbeiter sind Menschen.

Bei welchen Arbeiten holen sich Unternehmen und Forscher Hilfe?

Oft geht es um Datenbeschriftung, insbesondere von Bilddaten, damit überwachte Maschinelern-Modelle die Welt besser verstehen. Oder um das Transkribieren von Aufnahmen. Wenn Sie etwa mit Alexa von Amazon sprechen, transkribieren oft Crowdworker das Gesagte, damit der Spracherkennungsalgorithmus Sprache besser verstehen lernt. Vor kurzem hatte ich auch ein Treffen mit Crowdworkern im ländlichen West Virginia. Sie werden von Amazon beauftragt, Alexa Dialoge vorzulesen, um ihr zu verstehen helfen, wie die Menschen in dieser Region sprechen. Andere markieren Webseiten, die möglicherweise mit Hassreden oder Pädophilie gefüllt sind. Deshalb begegnen Sie diesen Dingen bei der Suche nach Bildern in Google oder Bing dann nicht. Diese Aufgaben werden oft auf Plattformen wie Amazons Mechanical Turk vergeben. Große Technologieunternehmen wie Facebook und Microsoft haben aber auch ihre eigenen. Diese kann im Unterschied zum Mechanical Turk von Forschern bis Startups jeder verwenden.

Was ist daran das Problem?

Ich sehe Crowdwork nicht an sich als eine schlechte Sache. Es verschafft Unternehmen Zugang zu externen Mitarbeitern. Allerdings haben wir für eine Studie Hunderte Mechanical-Turk-Mitarbeiter mehrere Jahre lang begleitet und festgestellt, dass sie mit zwei Dollar pro Stunde weit weniger als den Mindestlohn verdienen.

Trotzdem sind diese Plattformen für viele die Haupteinnahmequelle. Das nächste Probleme ist, dass diese Plattformen Aufstiegsmöglichkeiten verhindern, da Vollzeit-Crowdworker ihre Fähigkeiten nicht weiterentwickeln können. Viele geben die Plattform-Arbeit auch nicht im Lebenslauf an. Die meisten Arbeitgeber wüssten aber auch gar nicht, was das ist und dass diese Arbeitnehmer hinter unserer KI stehen.

Woher kommt Ihr großes Interesse für das Thema?

Ich habe an einem Forschungsprojekt an der Stanford University gearbeitet, bei dem ich im Grunde genommen ein Crowdworker war und mich denselben Problemen ausgesetzt sah. Ich half beim Entwurf einer neuen Plattform, die Amazon Mechanical Turk ähnelte, aber von den Arbeitern kontrolliert wurde. Ich war aber auch Techniker bei Microsoft, was mir auch die Augen für die Arbeit in einem großen Technologieunternehmen geöffnet hat. Man wird gesichtslos und das ist dem Erlebnis von Crowdworkern sehr ähnlich.

Wie lösen wir das Problem?

Auf vielerlei Weise. Ich helfe den Arbeitnehmern, eine Vorstellung davon zu bekommen, wie lange eine Aufgabe dauern könnte. Auf diese Weise können sie bewerten, ob sich eine Aufgabe lohnt. Daher habe ich für diese Plattformen ein KI-Plug-In entwickelt, mit dem Mitarbeiter Informationen austauschen und sich gegenseitig coachen können, welche Aufgaben ihre Zeit wert sind und mit denen Sie bestimmte Fähigkeiten entwickeln können. Die KI lernt, welche Art von Beratung am effektivsten ist. Es nimmt die Textkommentare auf, die sich die Mitarbeiter gegenseitig schreiben, lernt, welche Ratschläge zu besseren Ergebnissen führen, und bewirbt sie auf der Plattform.

Nehmen wir an, die Arbeitnehmer wollen ihre Löhne erhöhen. Die KI ermittelt, welche Art von Beratung oder Strategie am besten geeignet ist, um den Arbeitnehmern dabei zu helfen. Zum Beispiel könnte es vorschlagen, dass Sie diese Art von Aufgaben von diesen Arbeitgebern erledigen, aber nicht jene. Oder man wird aufgefordert, nicht länger als fünf Minuten nach Arbeit zu suchen. Das Modell des maschinellen Lernens basiert auf der subjektiven Meinung der Arbeitnehmer von Amazon Mechanical Turk, aber ich habe festgestellt, dass es die Löhne der Arbeitnehmer weiter erhöhen und ihre Fähigkeiten weiterentwickeln könnte.

Wie kann man diese Weiterbildung fördern?

Zum Beispiel könnten wir die Mitarbeiter anleiten, eine Reihe verschiedener Aufgaben zu erledigen, mit denen sie ihre Fähigkeiten entwickeln können. Unternehmen, die Jobs auf diesen Plattformen anbieten, könnten Online-Mikropraktika für die Arbeitnehmer anbieten. Wir sollten auch die Unternehmer unterstützen. Ich habe Tools entwickelt, mit denen Leute ihre eigenen Gig-Marktplätze erstellen können. Damit ähnelt das Einrichten einer Plattform ein wenig dem Konfigurieren einer Webseite.

(vsz)