Oberster Schweizer Datenschützer besorgt über europäisches Überwachungsbegehren
In seinem jährlichen Tätigkeitsbericht äußert sich der Datenschutzbeauftragte der Schweiz zur geplanten Überwachung von privatem Datenverkehr.
Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) Adrian Lobsiger beklagt in seinem Tätigkeitsbericht 2021/2022 eine "verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber dem Schutz von Bürgerdaten und eine wachsende Geringschätzung der Privatsphäre". Das zeige sich unter anderem in der in Europa festzustellenden Tendenz, die Verschlüsselung von Daten als Freiheitsmissbrauch zu diskreditieren.
Dabei sei anonyme Kommunikation ein Bürgerrecht und in der freien Welt solle sich jeder Mensch analog und digital anonym bewegen und seine Kommunikation gegenüber Dritten und auch dem Staat abschotten können. Kriminalität, so der EDÖB, sei gesellschaftsimmanent und rechtfertige nicht, dass man Bürgerinnen und Bürgern einen Missbrauch ihrer Freiheit vorwirft, wenn sie abhörsicher kommunizieren.
Mit der Begründung der Terrorismus- und Pädokriminalitätsbekämpfung fordern europäische Regierungen und Sicherheitsbehörden zunehmend präventiven Zugriff auf die Kommunikation der Bevölkerung, etwa auf Messenger- und E-Mail-Inhalte nebst Bildern – auch ohne vorherigen richterlichen Beschluss. Diese Form der staatlichen Überwachung ist für den EDÖB ebenso wenig hinnehmbar wie Technologiekonzerne, die von ihnen verkaufte Mobiltelefone mithilfe künstlicher Intelligenz auf unerlaubte Inhalte durchsuchen und die Besitzer bei der Polizei denunzieren.
Abschreckende Vorbilder
Nicht auszuschließen seien für ihn aber einzelfallbezogene richterlich genehmigte Eingriffe der Polizei gegen Personen und ihr Umfeld, die nachweislich einer Straftat verdächtig sind. Im Datenschutz, fasst der EDÖB an anderer Stelle zusammen, gehe es um die Wahrung fundamentaler Rechte, die den Menschen in autoritären Staaten verwehrt sind. Er hoffe, dass das dortige Ausmaß der durch digitale Vernetzung und Überwachungstechnologie intensivierten Kontrolle über die Bevölkerung den Westen noch lange erschrecke.
Ein weiteres Thema des Berichts betrifft Projekte zur digitalen Transformation der Bundesverwaltung und der damit verbundenen Cloud-Strategie, die die Problematik der Vergabe von Public-Cloud-Diensten an amerikanische und chinesische Unternehmen sowie der Nutzung von Microsoft-Diensten mit sich bringt. Wie in anderen Ländern hat auch in der Schweiz die Pandemie zu zahlreichen datenschutzrechtlichen Fragestellungen und Verstößen geführt. Hier monierte der EDÖB unter anderem den technisch und organisatorisch missglückte Betrieb einiger Anwendungen zur Kontaktverfolgung sowie des Impfregisters. Weitere Themen und Details finden Interessierte im vollständigen Bericht (PDF).
(ur)