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Druck für die Mobilität

125 Jahre Diesel-Patent: Wie der Selbstzünder ins Auto kam

Technik Florian Pillau
Diesel, Patente

Wenn heute BMW seine SUV in Spartanburg, USA baut und dann in Europa verkauft – die meisten davon ausgestattet mit Selbstzündern – dann hat das möglicherweise auch mit der Erfindung Rudolf Diesels zu tun, die er heute vor 125 Jahren patentieren ließ. Doch wie kamen die Selbstzünder ins Auto?

Wenn heute BMW seine größeren und kleineren SUV in Spartanburg, USA baut und dann in Europa verkauft – die meisten davon ausgestattet mit Selbstzündern – dann hat das möglicherweise auch mit der Erfindung Rudolf Diesels [1] zu tun, die er heute vor 125 Jahren patentieren ließ. Die Diesel-Zweitakter der riesigen Frachtschiffe erreichen mit einem Wirkungsgrad von 55 Prozent die beste thermische Effizienz aller Verbrennungsmotoren. Mit jedem anderen Antrieb als einem Dieselmotor wäre der Transport über die Ozeane deutlich teurer und es ist nicht gesagt, dass diese Erfindung jemand anderes gemacht hätte. Dass er auch im Auto erfolgreich werden würde, darauf hätte anfangs aber niemand gewettet.

Wie sehr der Ingenieur für Kältetechnik mit seinem „Wärmemotor“ die Mobilität revolutionieren würde, konnte ihm anfangs nicht völlig klar sein. Zunächst dachte Diesel als Gesellschaftsvisionär jedenfalls daran, mit seinem Motor kleinen Betrieben eine Kraftquelle zur Verfügung zu stellen, die sich keine teure Dampfmaschine leisten konnten. Doch profitierten deren Produktionsanlagen dann viel stärker von der rasant fortschreitenden Elektrifizierung.

Der Selbstzünder hingegen beflügelte aufgrund seines geringeren Platzbedarfs und des damals wie heute unerreichten Wirkungsgrads zunächst die maritime Mobilität und schuf so eine wichtige Grundlage für die Globalisierung. Der weltweite Handel wie wir ihn kennen ist undenkbar ohne die großen Frachter mit ihren bis zu 100.000 kW leistenden Maschinen. Ihr Vorläufer, das erste hochseetüchtige Schiff mit Dieselmotor, war 1911 die damals aufsehenerregende Selandia. Sie fuhr immerhin bis zu ihrem Unfall 1942 – eine beachtliche Dienstzeit für einen Prototypen.

Zukunft als mobile Kraftquelle

Diesel musste so noch zu Lebzeiten klar vor Augen geführt worden sein, dass sein Motor jedenfalls auch eine Zukunft als mobile Kraftquelle haben würde. In seinem Todesjahr 1913 schrieb er [2]: „Es ist meine feste Überzeugung, dass der Automobilmotor kommen wird, und dann betrachte ich meine Lebensaufgabe als beendet.“

Seine Einschätzung wurde sicher bestärkt durch die Erfindung des Vorkammer-Brennverfahrens. Prosper L’Orange (von 1908 bis 1922 bei Benz & Cie.) hat sie am 14. März 1909 zum Patent angemeldet. Sie spart die konstruktiv aufwendige Lufteinblasung ein, indem die Einspritzdüse einen dem Zylinder vorgelagerten Brennraum versorgt. Das neue Brennverfahren ermöglicht – das klingt jetzt paradox – durch eine Verlangsamung der Verbrennung deutlich höhere Umdrehungszahlen und Literleistungen – beides wichtige Voraussetzungen für kleine, leichte, preisgünstige, wartungsarme und leistungsfähige Automotoren.

Zudem sinkt mit der „luftlosen“ Einspritzung der Verbrauch unter Teillast, ein weiterer Pluspunkt für mobile Anwendungen. Erst die Vorkammer ermöglichte zudem konstruktiv an den Otto-Fahrzeugmotoren orientierte Selbstzünder. Leicht genug für Pkw waren sie noch nicht, aber die Ingenieure arbeiteten zunächst auch nur an Lkw-Maschinen. Pkw-Selbstzünder hatten keine Dringlichkeit, weil sie noch deutlich teurer, somit nur in der gewerblichen Logistik amortisierbar und damit überhaupt erst vermarktbar waren.

Die ersten Lkw mit Dieselmotoren wurden von MAN, Benz & Cie. und der Daimler-Motoren-Gesellschaft ab 1923 erprobt und schon ein Jahr später auf der IAA in Berlin marktreif vorgestellt. Die Autos fuhren mit einem 45 bis 50 PS leistenden Vierzylinder namens OB 2 mit 8,8 Litern Hubraum bei 125 Millimeter Bohrung und 180 Millimeter Hub und einer Nenndrehzahl von 1000/min. Im Winter 1923 wird das eindrucksvolle Ergebnis veröffentlicht: „Eine Vergleichsfahrt (mit zwei baugleichen Fünftonnen-Lkw, davon einer mit der serienmäßigen Otto- der andere mit der neuen Diesel-Motorisierung) über 103 Kilometer hügeliges, anspruchsvolles Gelände mit voll beladenen (…) Wagen ergab unter absolut gleichen Bedingungen für den Benzolmotor-Wagen einen Gesamtverbrauch von 40,66 Kilogramm, für den Dieselwagen 29,95 Kilogramm, also eine Ersparnis an Kraftstoffgewicht von 32 Prozent, an Kraftstoffkosten von 86 Prozent.“ Damit war erstmals bewiesen, dass sich der Aufwand lohnte. Die Veröffentlichung wurde, ganz marketingtechnisch gedacht, kurz vor den Verkaufsbeginn gelegt.

Am Erfolg dieser Motorisierung kam auch Bosch nicht vorbei, der bis dahin der internationalen Automobilindustrie Zündanlagen für Ottomotoren lieferte. Bereits 1927 konnte der Zulieferer eine gewissermaßen schlüsselfertige Anlage aus einer Reiheneinspritzpumpe und Einspritzventilen anbieten, die an praktisch jeden Motor der autogerechten Hubraumklasse anpassbar war. 1929 ließ der deutsche Autohersteller Stoewer mithilfe des Einspritz-Spezialisten Lang unter Verwendung dieser Bosch- Einspritzausrüstung einen eigenen Ottomotor zum Selbstzünder umbauen und hatte so mit relativ kleinem Aufwand den ersten Diesel-Pkw-Prototypen geschaffen. Freundlich aufgenommen wurde der neue Motor zunächst auch in den USA, wo der Diesel-Pionier Cummins 1930 einen Packard und 1931 einen Duesenberg verdieselte und einige aufsehenerregende Verbrauchs- und Geschwindigkeitsfahrten unternahm.

Die Mehrlingsgeburt von 1936

1936 darf dann gleich in mehrfacher Hinsicht als Geburtsjahr des Diesel-Pkw gelten, wenn auch nicht alle der Mehrlinge am Markt überlebensfähig waren. In diesem Jahr stellte Citroën im Rahmen der Mondial de l'Automobile in Paris den ersten für die Serienfertigung gedachten Pkw, das seit 1933 in Zusammenarbeit mit dem bis heute aktiven Ingenieurbüro Ricardo [3] entstandene Modell 8 CV „Rosalie“ vor. Der 1766 Kubikzentimeter große Vierzylinder führte erstmals eine moderne Alternative zur Vorkammer ein, die von Ricardo erst 1931 entwickelte Wirbelkammer mit dem passenden Namen „Comet“. Er leistete 40 PS und beschleunigte den 8 CV auf bis zu 103 km/h. Am Ende wurden dann aber mangels Pkw-Nachfrage nur knapp 3000 Leicht-Lkw-Versionen des 8 CV mit Dieselmotor gebaut.

Als erste Diesel-Pkw, die es dann wirklich in Serienproduktion schafften, gelten daher der 46 PS starke Mercedes-Benz 260 D und der 35 PS leistende Hanomag D 19 A, die beide auf der IAA in Berlin 1936 vorgestellt wurden. Hanomag lieferte ab 1937 ganze 1074 Exemplare aus, etwas größere Stückzahlen erreichte der Mercedes. Knapp 2000 Stück wurden in Pkw eingebaut, die fast alle als Taxis eingesetzt wurden.

Zögerlicher Privatkundenmarkt

Ebenfalls 1936 erschien Peugeots erster Pkw-Dieselmotor [4]. Der selbst entwickelte, 40 kW/55 PS starke 2,3 Liter-Vierzylinder-Selbstzünder war bereits 1936, also zeitgleich mit dem Daimler 260 D, auf dem Pariser Salon vorgestellt worden – allerdings nicht in einem Pkw, sondern im Transporter MK4. Der Grund dürfte, ähnlich wie bei Citroën, zu wenig Nachfrage nach einem Diesel in der Limousine gewesen sein. Erst zwei Jahre nach dem Mercedes 260 D erschien Peugeots Diesel auch im 402. Bis 1940 wurden noch rund 1000 Peugeot 402 Diesel ausgeliefert und ebenfalls vor allem als Taxi verwendet. Eine längere Produktion verhinderten die Deutschen mit ihren gewalttätigen Weltmachtphantasien. Überlebt hat angeblich lediglich ein Exemplar.

Peugeots Diesel zeigt, wie die Citroën-Motoren, bereits die kugelförmigen „Comet“-Wirbelkammern, wie sie von fast allen Herstellern bis zur Einführung der Direkteinspritzung beibehalten wurden. Nur Daimler blieb mit seinen schon 1909 von l'Orange entwickelten Vorkammern bis zuletzt auf einem Sonderweg, trotz kleiner Nachteile dieses älteren Verfahrens. Beiden Kammer-Brennverfahren gemeinsam war der kultivierte Motorlauf und die für Pkw nötige Drehzahlfestigkeit. Zudem beherbergten sie die damals neuen Glühkerzen für einen schnellen Start auch bei niedriger Außentemperatur, was den frühen Diesel-Modellen zu einer 12-Volt-Elektrik verhalf, die sich bis in die 1970er-Jahre dann auch bei Autos mit Ottomotoren durchsetzte und bis heute üblich ist.

Nach dem Krieg entwickelte man bei Daimler-Benz zunächst den intern „OM 138“ genannten Dieselmotor in zwei Nachfolgegenerationen weiter. Erst 1958 ging man neue Wege und leitete den „OM 621“ von einem Ottomotor ab. Damit schuf Daimler den ersten Pkw-Dieselmotor mit obenliegender Nockenwelle, der bis 1978 in eigene Modelle und später in Lizenz noch lange weitergebaut wurde. Er war gewissermaßen stilprägend für moderne Pkw-Dieselmotoren.

Zehn Jahre später baute Peugeot im Kleinwagen 204 erstmals einen Dieselmotor vorn quer ein. Er zählte zu einem der Vorbilder des 1974 erschienenen VW Golf [5], der im September 1976 als Golf Diesel mit 50 PS Leistung vorgestellt wurde und in der Folge zu den preisgünstigen Diesel-Autos gehörte, die dem Randgruppenphänomen Selbstzünder zu weiterer Verbreitung verhalfen. Der Diesel gehörte zu den alternativen Antrieben und war noch ein richtiger Exot. Immerhin waren noch 1980 lediglich acht Prozent der deutschen Pkw mit einem Dieselmotor ausgestattet, heute ist es fast jeder zweite. Weil eine weitere Proliferation nur über den Preis zu erreichen war, waren auch im Golf Otto- und Dieselmotor eng verwandt – so rotierte im zeitgleich mit dem Golf Diesel erstmals vorgestellten Golf GTI sogar die baugleiche Kurbelwelle.

Zwar liefen damals alle Pkw-Dieselmotoren noch mit Vor- und Wirbelkammer, doch waren die Ingenieure schon bestrebt, die Nachteile dieser Brennverfahren zu beseitigen – und nach den Nutzfahrzeugdieseln auch die Pkw-Motoren die Vorteile der Direkteinspritzung zuteil werden zu lassen. Die direkte Einspritzung verbessert aufgrund geringerer Wärmeverluste über die kleinere Brennraumoberfläche den thermischen Wirkungsgrad um über 10 Prozent und ermöglicht ein früher einsetzendes, höheres Drehmoment, weshalb Prosper l’Orange bereits seit 1927 an diesem Verfahren zu arbeiten begann. Der Preis war ein höherer Rußausstoß, den man über höhere Einspritzdrücke und eine bessere Regelgüte vermeiden wollte.

So überrascht es nicht, dass man schon damals von den Reihen- und Verteilereinspritzpumpen weg wollte, um höhere Freiheitsgrade bei der Einspritzregelung verwirklichen zu können. Dazu wollte man die Vorteile der elektronischen Steuerung nutzbar machen, wie sie die 1967 erschienene D-Jetronic an Ottomotoren eindrucksvoll demonstrierte. Bereits ab 1976 begann die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich mit dem italienischen Zulieferer Magneti Marelli, dem Centro Ricerche Fiat und Elasis, einem Fiat-nahen Forschungszentrum nach dem Vorbild solcher Multipoint-Injection-Systeme die Entwicklung der Common-Rail- Einspritzanlage. Erstmals im Straßenverkehr-Dauerbetrieb erfolgreich erprobt wurde Common-Rail der DDR. Das von den Partnern Einspritzgerätewerk Aken, WTZ Dieselmotoren Roßlau und SKL Magdeburg parallel entwickelte System wurde 1981 in einem umgerüsteten IFA W50 auf der Messe Leipzig vorgestellt. Bosch kaufte die Patente 1993 und perfektionierte die Technik, um sie später allen Herstellern anbieten zu können, was ein bisschen an Boschs Strategie bei der Entwicklung der allerersten standardisierten Einspritzausrüstung von 1927 erinnert.

Systemgrenzenübergreifende Common-Rail-Entwicklung

Parallel zur Entwicklung des Fernziels „Common-Rail“ wurden viele kleine Schritte unternommen, um das Beste aus der altbewährten Technik zu holen. So entstanden nach den Reiheneinspritzpumpen die günstiger zu fertigende Verteilerbauart. Sie erreichte bereits Einspritzdrücke von knapp unter 800 bis maximal 1400 bar, allerdings nur unter bestimmten Betriebsbedingungen, während Common-Rail schon im Leerlauf den maximalen Druck bereitstellte. Zudem wurden immer mehr Regelungen von elektronisch gesteuerten Stellgliedern in den Pumpen übernommen, wo vorher mechanische und pneumatische Vorrichtungen werkelten. Wie gesagt, CR war seinerzeit noch ein marktunreifer Ingenieurstraum.

Zwischenzeitlich musste auch die Aufladung immer öfter mithelfen, Leistung und Drehmoment bei vertretbaren Abgaswerten zu steigern. 1977 erschien der erste Turbodiesel, der Mercedes 300 SD. Damit zog der Turbolader 72 Jahre nach seinem ersten Einsatz an einem stationären Dieselmotor (Büchi, 1905) und nach einer weit fortgeschrittenen Verbreitung in Lastwagen erstmals in einen Pkw ein.

Als der Turbolader nicht mehr ausreichte, die bereits damals deutlich strengeren amerikanischen Abgasgrenzwerte zu erreichen, baute Daimler 1985 den ersten serienmäßigen Dieselpartikelfilter in der Mercedes-Benz S-Klasse der Baureihe W 126 [6] ein. Wegen der unbefriedigenden Haltbarkeit wurde die Produktion schon zwei Jahre danach wieder eingestellt. An dieser Stelle ein Exkurs in die Zukunft: Den Durchbruch erlebte die Technologie erst 2000, in den Modellen Peugeot 406 und 607 sowie im Citroën C5, die serienmäßig mit FAP (Filtre à particules) ausgestattet wurden. Die deutschen Hersteller versuchten zunächst noch, die Partikelgrenzwerte durch innermotorische Maßnahen einzuhalten. Mit der 2001 in Kraft getretenen Abgasnorm Euro 3, die erstmals gleichermaßen für direkt und indirekt einspritzende Motoren 50 mg/km vorsah, begann es allerdings so eng zu werden, dass in der Folge immer mehr Autos mit Filter ausgerüstet wurden. Spätestens mit der Abgasnorm Euro 5, die 2004 beschlossen wurde, wurden Partikelausstoß und Stickoxid-Emission (NOx) gleichzeitig gesenkt – ein klassischer Zielkonflikt, denn weniger NOx bedingt zwangsläufig einen höheren Partikelausstoß. Partikelfilter wurden damit zum Standard.

Elektronisch gesteuerte Einspritzung

Doch zurück in die 80er: Dem gleichen Ziel, mehr Leistung bei geringerer Schadstoffemission, diente die 1986 erschienene „Electronic Diesel Control“ (EDC) von Bosch, die BMW in seinem Modell M21 einbaute [7]. Die elektronische Steuerung griff in die meisten Parameter der Verteilereinspritzpumpe ein, verbesserte Leistung, Drehmoment, Startverhalten und Laufkultur. Nebenbei bot sie zusätzliche Funktionen wie einen direkt eingebundenen Tempomaten.

1984 brachten Ford und Fiat in ihren Modellen Ford Transit und Fiat Ducato die ersten schnelllaufenden Dieselmotoren mit direkter Einspritzung. Das waren zwar noch Nutzfahrzeuge, aber kleine. Ihre Motoren waren folglich schon nah am Pkw und ermöglichten, wertvolle Erfahrungen im Alltagsbetrieb zu sammeln. 1988 wagte sich als erster Hersteller Fiat mit einem Direkteinspritz-Pkw aus der Deckung, dem Croma TD i.d. mit einem 90 PS-Turbodiesel. Der Wagen war wegen möglicher Kinderkrankheiten zunächst nur auf dem Heimatmarkt erhältlich, das Prinzip breitete sich jedoch schnell aus, 1988 kam der (Austin) Rover Montego, 1990 der Audi 100 C3 mit 2,5-Liter-TDI. Die Einspritzanlagen aller Hersteller basierten allerdings noch immer auf Verteilereinspritzpumpen mit rund 800 bar Einspritzdruck.

Erst 1997 kommt es zu einem Wettlauf der Systeme: In diesem Jahr erscheint die erste Common-Rail-Einspritzung für Pkw von Fiat und Bosch, ganz nebenbei auch noch mit (mechanisch-pneumatisch geregelter) variabler Turbinengeometrie im Modell Alfa Romeo 156 JTD. Kurz darauf folgte Mercedes-Benz mit dem C220 CDI.

Common Rail trennt funktional und räumlich Druckerzeugung und Einspritzvorgang. Eine Hochdruckpumpe erzeugt unabhängig von Last und Drehzahl konstant hohen Druck. Die Injektoren müssen als elektromagnetische Ventile nicht wie bisher durch den Kraftstoffdruck von der Pumpe betätigt werden. Sie können vielmehr – ganz analog zur Benzineinspritzung – zu einem beliebigen Zeitpunkt und auch beliebig oft von einem Steuergerät aktiviert werden. Letzteres war wichtig, um im Interesse von Lärm- und Abgasemissionen mit mehreren aufeinander folgenden Einspritzungen Druck- Temperaturanstieg der Verbrennung präzise steuern zu können.

Wettlauf der Systeme

Volkswagen (mit Audi) und Land Rover hatten zu der Zeit allerdings noch ein anderes Einspritzsystem am Start, weil sie der CR-Entwicklung noch keine so hohen Einspritzdrücke zutrauten, wie sie sie dann bald erreichten. Sie arbeiteten an Pumpe-Düse-Systemen, wie sie bereits aus den Kindertagen der Dieselmotoren bekannt waren, um in ihren Automotoren höchste Drücke zu erzeugen. Jeder Zylinder hat dazu seine eigene Einspritzpumpe und –düse, angetrieben über die Nockenwelle für den Ventiltrieb. Das System erreicht zwar bis zu 2500 bar, lässt jedoch maximal drei Einspritzvorgänge pro Verbrennungshub zu, weil die Steuerung der Einspritzung nicht wie beim CR völlig unabhängig vom Druckaufbau ist.

Mit dem hohen Druck sollte ein Grundproblem der Direkteinspritzung – der erhöhte Ruß- und Feinstaubausstoß – adressiert werden. Anfangs waren die PD-Einspritzungen darin tatsächlich überlegen und so brachten in froher Hoffnung 1997 Land Rover die Modelle Defender und Discovery Td5 mit 2,5-Liter-Motor und 122 respektive 136 PS sowie 1998 VW den Passat B5 1.9 TDI (100 und 115 PS) mit Pumpe-Düse-System heraus. Bald hatte Volkswagen die breiteste Spanne unter den Pkw-PD-Dieseln abgesteckt – vom mächtigen V10 TDI mit fünf Litern Hubraum, 313 PS und 750 Nm Drehmoment im VW Touareg bis zum sparsamen Dreizylinder 1.2 TDI mit 1,2 Litern, 61 PS und 140 Nm im 3-Liter-Lupo.

Bald jedoch waren die CR-Einspritzungen in der Lage, gleich hohe Drücke zu erzeugen und boten dazu mehr Freiheitsgrade. Damit war der Sonderweg der PD-Entwicklung beendet. Volkswagen nahm die Motoren bis 2010 zum Teil aus dem Programm und rüstete den Rest auf die CR-Technik um.

Ebenfalls vorbei war mit dem Siegeszug der Direkteinspritzung, in welcher Form auch immer, der Wirbelkammermotor. Er fiel mangels Effizienz letztlich den Flottenverbrauchsvorschriften zum Opfer. Die letzten in Europa verkauften beflügelten den Toyota HZJ und den Mitsubishi L200 – beides Geländefahrzeuge, bei denen die Hersteller diese Motoren wegen ihrer Robustheit sowie Reparierbarkeit auch abseits der Zivilisation noch möglichst lang mit dieser Uralt-Technik im Programm hielten. Das ging noch bis 2006. Beide Fahrzeuge gibt es hier in moderneren Versionen weiterhin zu kaufen, den Toyota aber nur noch mit Ottomotor. Der Mitsubishi hat dagegen einen Common-Rail-Diesel bekommen.

Mit der spezifischen Leistung steigt der Ausstoß von Stickstoffdioxid. Nach der Abgasnorm Euro 5 mussten die Stickoxid-Werte (NOx) aber weiter gesenkt werden. Daimler stattete daher 2006 seinen Mercedes Benz E 320 Bluetec in den USA mit einer SCR-Abgasnachbehandlung aus, in der ersten Version noch mit Speicherkatalysator. Seit 2008 setzt Daimler auf Harnstoffeindüsung. 2009 folgte Audi mit dem Q7 3.0 TDI clean diesel und der VW Passat BlueTDI. Interessant ist, dass die effektivste Abgasentstickung – ähnlich wie der Dieselmotor selbst – eine für Pkw aus der Großtechnik herunterskalierte Erfindung ist. Sie wurde zunächst ab Mitte der 1970er Jahre in Kraftwerken angewendet, um dann über den Lkw den Weg in Personenwagen zu finden. Der SCR-Katalysator (Selective Catalytic Reduktion) wandelt NOx kontinuierlich mithilfe einer wässrigen Harnstofflösung (Handelsbezeichnung: AdBlue) selektiv zu Stickstoff (N2) und Wasser um. AdBlue muss in einem Zusatztank mitgeführt werden.

Speziell für Pkw entwickelt wurde hingegen der sogenannte Speicherkat, eine NOx-Falle, in der NOx kontinuierlich von einer Bariumverbindung festgehalten wird. Bei beladenem Katalysator wird die Verbrennung im Motor kurzfristig unter Luftmangel betrieben, um die Reduktionsstoffe Kohlenmonoxid (CO) und Kohlenwasserstoffe (HC) zu erzeugen. Sie wandeln die angelagerten NOx in harmlosen Stickstoff (N2) und Kohlendioxid (CO2).

Neue Motoren auf Selbstzünder-Basis?

Mazda gelingt es mit einem Sonderweg, ganz auf eine Abgasnachbehandlung seiner Dieselmotoren zu verzichten. Die Ingenieure erreichen eine besonders kühle Verbrennung mithilfe einer drastisch gesenkten Verdichtung, doppelter Abgasrückführung, einer verzögerten Ladungsentzündung und einer Menge Feintuning. Es ist allerdings fraglich, ob der Autohersteller weiterhin Dieselmotoren ohne Nachbehandlung anbieten können wird, wenn RDE-Messungen [8] die Hürden weiter erhöhen. Offenbar ist Mazdas Hoffnung, bis dahin Motoren mit homogen ablaufender Verbrennung [9] zu bauen, welche die Vorteile von Otto- mit denen von Dieselmotoren vereinen könnten. Viele Motorenbauer haben dieses komplizierte Vorhaben aufgegeben oder aufgeschoben. Sollte Mazda der Schritt in die Serie glücken, wäre es ein historischer – fast vergleichbar mit der marktreifen Einführung des Dieselmotors in Pkw vor 81 Jahren.

Ganz zu Anfang nahmen die Selbstzünder den Weg aus den größten Schiffen in die kleinsten Autos. Immer strengere Umweltstandards für die Autos ließen die Ingenieure am Fahrzeugdiesel so viel lernen, dass heute viele Entwicklungen parallel verlaufen: Die aktuellen Schiffsmotoren wurden gleichzeitig mit den Pkw auf Common-Rail-Systeme umgestellt. In Erwartung strengerer Emissionsregularien für Schiffe arbeitet man sogar bereits an der dringend gebotenen Abgasnachbehandlung für die ganz großen Maschinen. Man wird sie zukunftssicher machen, und immer öfter auch mit dem für Dieselmotoren bestens geeigneten Erdgas [10] betreiben, denn die globalisierte Wirtschaft sieht die großen Schiffe noch auf lange Sicht als unverzichtbares Werkzeug – selbst dann noch, wenn sie schon längst keine Autos mehr bringen.


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[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Vor-100-Jahren-starb-Rudolf-Diesel-1969594.html
[3] http://www.ricardo.com/
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Arrested-Development-1921360.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/30-Millionen-VW-Golf-Tops-und-Flops-seiner-Geschichte-1891076.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Die-Geschichte-der-Mercedes-S-Klasse-Zum-Wohlsein-1874416.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Etablierte-Alternative-1919970.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Strassentest-RDE-Das-grosse-Feilschen-3594969.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Jenseits-von-Otto-und-Diesel-2152256.html
[10] https://www.heise.de/autos/artikel/Selbstfremdzuender-1956348.html