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Beim Zeus!

Curtiss Zeus Radial V8

Motorrad iga
Curtiss Zeus Radial V8

Elektrische Motorräder können völlig anders gestaltet werden als konventionelle Motorräder mit Verbrennungsmotor. Das begriff auch Matt Chambers, Boss von Curtiss Motorcycles, und baut jetzt ein radikales Elektro-Motorrad, die Zeus Radial V8

Elektrische Motorräder stoßen sicher nicht bei jedem auf Gegenliebe, bieten aber einen unbestreitbaren Vorteil: Sie können völlig anders gestaltet [1] werden als konventionelle Motorräder mit Verbrennungsmotor. Das begriff auch Matt Chambers, Boss von Curtiss Motorcycles, und baut jetzt ein radikales Elektro-Motorrad, die Zeus Radial V8.

Als gelernter Anwalt gab Chambers seine juristische Karriere zugunsten seiner großen Motorrad-Leidenschaft auf. In Louisiana gründete er 1991 Confederate Motorcycles und machte sich bald einen Namen durch außergewöhnliche Modelle mit riesigen V2-Motoren. Dabei gewann er prominente Kunden wie Bruce Springsteen, Brad Pitt und Tom Cruise. Als Hurricane Katrina 2005 New Orleans verwüstete, zog er mit der Firma nach Birmingham, Alabama um. Letztes Jahr stand für ihn ein neuer Umbruch an, er verkaufte die Rechte an Confederate Motorcycles, benannte seine Firma in Curtiss Motorcycle um und setzt nun ganz auf Elektro-Motorräder.

Benannt nach dem Erfinder des Gasgriffs

Benannt hat er die neue Firma nach Glenn H. Curtiss, einem Pionier des Motorrad- und Flugzeugbaus. Der Amerikaner baute bereits 1903 ein Motorrad mit V2-Motor und damit noch vor Indian und Harley-Davidson [2], erfand unter anderem den Gasgriff und stellte persönlich auf seinem selbstgebauten 4,4-Liter-V8-Motorrad im Jahr 1907 mit 219 km/h einen Geschwindigkeitsweltrekord für Landfahrzeuge auf, der 23 Jahre lang ungebrochen blieb. Gleichzeitig widmete sich Curtiss der Luftfahrt und setzte auch hier Meilensteine: Er baute nicht nur Flugzeuge, sondern gewann auch Flugrennen, bekam als erster Amerikaner 1911 einen Pilotenschein, gründete die erste Flugschule, erfand das Amphibienflugzeug und im Auftrag der US-Marine auch ein Katapult, um Flugzeuge von einem Schiff aus starten zu können – der Flugzeugträger war geboren.

Bereits preisgekrönt

Der Pioniergeist des Mannes beeindruckte Chambers so sehr, dass er die Namensrechte für seine neue Firma erwarb. Er ist davon überzeugt, dass Glenn Curtiss, wenn er heute leben würde, Elektromotorräder bauen würde. Im Mai 2018 enthüllte Chambers das ungewöhnliche Elektromotorrad „Zeus“ beim exklusiven „The Quail, A Motorsports Gathering“ (Oldtimer- und Motorsport-Treffen) in Carmel/Kalifornien und gewann prompt den Preis des „Most Innovative Motorcycle“. Machte das 170 PS starke Modell noch einen sehr monumentalen Eindruck und war aus gefrästen Einzelteilen zusammengesetzt, präsentiert sich die neue Zeus Radial V8 deutlich eleganter.

Für die Optik zeigt sich bei Curtiss Motorcycle der junge Designer Jordan Cornille verantwortlich. Der talentierte 25jährige wurde vor drei Jahren direkt von Uni weg von Matt Chambers engagiert. Cornille bekam von seinem Boss fast völlig freie Hand bei seinen Entwürfen. „Bislang wollten fast alle E-Motorrad-Designer die Akkus so weit wie möglich verstecken, um quasi ein „normal“ aussehendes Motorrad zu erschaffen“, erklärt Cornille. Er hingegen will gerade den Akku in den Vordergrund rücken.

Einzigartiges Design

Die Zeus Radial V8 wirkt leicht und tatsächlich besteht der Rahmen aus Titan-Rundrohren und Aluminiumkomponenten. Angeblich soll sie nur 209 Kilogramm wiegen. Sie nimmt die Formensprache der letzten von Matt Chambers gebauten Maschine mit Verbrennungsmotor, der Confederate Wraith, auf, die ein gebogenes Kohlefaser-Rohr über dem Motor besaß, das damals gleichzeitig als Tank und Teil des Monocoque fungierte.

Auch die ungewöhnliche Lösung der Vorderradführung war bereits bei der Wraith zu sehen. Die Batterien der Zeus Radial V8 sind angeordnet wie die des einstigen V8-Motors von Glenn Curtiss‘ Rekordfahrzeug. Allerdings weisen die zylinderförmigen Batterien der beiden „Zylinderbänke“ jeweils unterschiedliche Winkel zueinander auf, je weiter vorne sie liegen, desto mehr sind sie nach außen gekippt. Statt der Zündkabel an Motorzylindern führen Stromleitungen von den Batterien Richtung Rahmen.

Zylinderdarsteller

Diese Nachmodellierung von Zylindern eines Verbrennungsmotors durch Teile der Elektrotechnik erinnert ein wenig an BMWs jüngste Elektromotorrad-Studie Vision DC Roadster [3], die Formen des traditionellen Boxermotors samt Kardanantrieb aufgreift. Die „Zylinder“ dieser Studie werden allerdings von Kühlern dargestellt.

Der Elektromotor leistet laut Curtiss Motorcycle eindrucksvolle 217 PS sowie 200 Nm Drehmoment und überträgt seine Kraft per Riemenantrieb auf die Hinterachse. Die Batteriekapazität beträgt 16,8 kWh, was zwar für ein Motorrad ordentlich ist, aber keine sonderlich große Reichweite vermuten lässt – jedenfalls, wenn man öfters die enorme Leistung abruft. Zero Motorcycles, Marktführer bei den Elektromotorrädern, war zunächst der Wunschpartner von Matt Chambers als Antriebslieferant, doch die Zusammenarbeit scheiterte daran, dass Zero darauf bestand, nur das komplette Paket aus Batterie, Elektromotor und Leistungselektronik verkaufen zu wollen. Chambers wollte aber nur einzelne Komponenten und schwenkte daher auf den YASA P400R-Motor um.

Fahrwerk aus Rundrohren

Die Parallelogrammgabel ist eine formale Kopie der Schwinge. Beide bestehen aus Rundrohren und nutzen zu Federung und Dämpfung ein voll einstellbares Race-Tech-Federbein mit 152 Millimeter Federweg. Der Radstand ist mit 1613 Millimeter sehr lang, man merkt, dass Curtiss Motorcycle aus dem Cruiser-Segment kommt. Die Zeus Radial V8 rollt auf 18-Zoll-Kohlefaser-Felgen, die Reifen sind in ihrer Dimension eher gemäßigt gewählt: vorne 110/80-18, hinten 160/60-18. Auffallend sind die vier Bremsscheiben mit relativ kleinem Durchmesser von 230 Millimeter am Vorderrad. Ob sie wirklich Vorteile gegenüber einer großen Doppelscheibenbremse bieten oder nur ein optischer Gag sind, bleibt fraglich.

Der Fahrer hockt auf einem Einzelsitz in Form eines Fahrradsattels, der in nur 710 Millimeter Höhe montiert ist. Ein kleiner, runder LED-Scheinwerfer erhellt die Straße, hinten im Sattel ist ein schmales Rücklicht integriert. Die Zeus Radial V8 verfügt über Rückspiegel, die in Verlängerung der flachen Lenkstange angebracht sind.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/NXT-Rage-Elektromotorrad-4319259.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Gelebte-Geschichte-1919426.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Studie-BMW-Vision-DC-Roadster-4454796.html